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Ausgabe:

1888

Spalte:

78-81

Autor/Hrsg.:

Baldensperger, W.

Titel/Untertitel:

Das Selbstbewusstsein Jesu im Lichte der messianischen Hoffnungen seiner Zeit 1888

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1888. INr. 4.

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crete Faffung friedlich neben der abftracten (Jer. 15, 2; |
48, 46). Vielleicht hätte auch die ruhige Erwägung von
Luther's ,im Lande ihres Gefängnifses' den Herausgeber
an dem allerdings durch LXX geftützten indetermi-
nirten rPEE, welches man fich zur Noth aus der geho-
beneo Sprache des Gebetes erklären kann, fo irre gemacht,
dafs er fich nicht bei der aus Baer, S. 112 gefchöpften
Notiz (de Roffi ift hier genauer) beruhigt hätte. Im Hinblick
auf Ut. 21, 13; Jer. 30, 10; 46, 27; 2 Chron. 6, 37 f.
möchte ich das von manchen Handfchriften und Ausgaben
dargebotene E^EO für den urfprünglichen Text
halten, obgleich die das Verftändnifs fcheinbar erleichternde
Verwerfung des Suffixes durch die Mafora ,ficher'
ift. Als ich S. 71 hinter Haug's Erklärung aus dem Per-
fifchen den Zufatz R.'s las: ,auf der Münze von Abydos
kommt das Wort in der Bdtg. genau vor', konnte ich
nur an eine Ableitung aus der erwähnten perfifchen
Sprache denken; vielleicht aber meint R. doch die von
Geiger in DMGZ 18Ö7, S. 467 aus dem Aramäifchen gegebene
Erklärung des pBCS auf dem bronzenen Ge-
wichtsftücke. Auf derfelben S. 71 wäre die Angabe der
bewufsten, auf Baer, S. 104 geftützten Abweichung von ,
»77 erwünfeht gewefen, damit man das Jod des von der
Punktation geforderten Plurals nicht für einen Druckfehler
halte. Ich betrachte BnCiOE vor wie nach als die
allein wahrfcheinliche Lefung des Chroniften in Efra
5, 10 und ftelle der unnatürlichen Deutung von J. H.
Michaelis, der in Uber. Adnot. ,cum Jod pluralr fchreibt,
trotz der 3 Codices von Baer die auf den Singular hinweifende
Schreibung ohne Jod auch in der Hallenfer
Bibel vom J. 1720 gegenüber. Während R. Neh. 5, 15
eine gute Conjectur vorfchlägt, weift er S. 237 mit Recht
die Textänderung von Houbigant u. A. zu Neh. 5, 2
zurück, hat aber nicht erkannt (vgl. Hagiogr.), dafs es
lieh hier um drei verfchiedene Claffen handelt, von denen
immer die folgende noch fchlimmer daran ift, als die
vorhergehende. Wie '50, fo heifst es auch 238, dafs
r,T2 nur eine andere Schreibart für iicy zu fein fcheint;
aber zu Neh. 2, 16 findet fich in unbewufstem Wider-
fpruch mit der Notiz zu Efra 3, 9 der in runde Klammern
gefetzte Zufatz: ,7VB2 als collectiver Singular, nicht
aber pluralifch iiry, wie in einzelnen Handfchriften und
Ausgaben, zu lefen'.

Zu den trotz Luther falfch oder wenigftens fchwan-
kend erklärten Stellen gehört z. B. Efra 5, 5, wo die
Deutung .der Befehl des Darius' einfach als unzuläffig
zu bezeichnen war. Irreführend beruft fich dagegen R.
auf Efra 5,11, wo y'Z'Q im stat. absol. fleht, und führt die
z. B. von Vulgata, Luther, Gefenius' T/ies., Zunz, Hagiogr.
(vgl. auch Kautzfeh § 73, 2, c) vertretene richtige Verbindung
mit den Worten ein: ,nach Keil und Schultz
dagegen wäre etc.' Hitzig's Deutung des Ktib Efra 8, 17
und feine Conjectur zu Neh. 5, 15 mochten vielleicht
übergangen werden, nicht aber, wenn das ,allerorten,
:S. XXXI, Z. 4 v. u.) zu Recht beftehen foll, z. B. der
zu Neh. 13. 13 in Hagiogr. gemachte, in meinem Bonner
Programm vom J. 1868 ausgeführte und von ülshaufen
mir gegenüber mündlich gebilligte Vorfchlag, das felt-
fame Denominativum durch Verbefferung nach Neh. 7, 2
wegzufchaffen. Das nur dem Habilitationszwang genügende
Programm fchien mir der Beachtung fo wenig werth,
dafs ich es dem Buchhandel nicht übergeben habe; aber
Bunfen's Bibelwerk 3. Bd., S. 752 konnte von R. beachtet
werden. Trotz Luther hat R. Efra 9, 8 die falfche Deutung
,dafs er uns machte zu einem Pflocke' nicht klar
zurückgewiefen. Trotz Luther finden wir S. 158 zu Neh.
3, 8 das Plusquamperfectum ,fie hatten verlaffen' unbe-
anftandet wieder, während R. für die Möglichkeit der bau-
technifchen Bedeutung von nr» gute neue Belege beibringt
, freilich ohne in den fchwierigen Stellen Neh. 3,
8. 34 fich für eine beftimmte Auslegung zu entfeheiden.
Die fyntaktifch unmögliche Faffung von Efra 4, 12 drängt
doch wohl zur Textänderung, vgl. Hagiogr. und Kautzfeh

§ 76, 1. Obgleich S. 175 in Neh. 3, 30 gut Inns (vgl.
'354) un& TtVä gelefen wird, ift doch S. 404. 406 in Efth.
2, 14 gegen Luther (vgl. auch Hitzig zu Hiob 33, 19)
der Einfall der Mafora flehen geblieben, dafs 15© gleich
mV (Efth. 2, 19) fei. Während trotz Luther Efth. 7, 8
ohne Noth ein unausgefprochener Befehl ergänzt wird,
foll Efth. 9, 25 die Ergänzung der Efther unftatthaft fein;
das Richtige vertritt hier auch Kuenen in der 2. Auflage
der Einleitung (Leiden 1887, S. 533). Schade, dafs fchon
S. 363 f. der Hinweis auf die gegentheiligen Ausführungen
des Leidener Gelehrten fehlt; da übrigens Kuenen
(§ 37 n. 4) mich für Efth. 9, 20—32 als Bertheau zuftim-
mend aufführt, fo darf ich wohl beiläufig bemerken, dafs
ich deffen früher fchon theilweife beftrittene Anficht ganz
aufgegeben habe und mit Kuenen die Authentie des
genannten Abfchnitts anerkenne. Doch ich kann unmöglich
alle Stellen erwähnen, in welchen ich von Ber-
theau-Ryffel abweichen mufs; es liegt ja auch in der
Natur der Sache, dafs felbll unter Auslegern, die fich
fonft nahe flehen, in vielen Einzelheiten Verfchiedenheit
der Meinungen hervortreten wird. Darum fei mir nur noch
der Hinweis auf Efth. 4, 14 (S. 420 f.) geftattet, wo die
Verkennung des Dativus commodi (Luther: um diefer Zeit
willen) und unbegründete fprachliche Bedenken die Verwerfung
der alten und m. E. einzig naturlichen Erklärung
veranlafst haben, welche Gefen. Thea, pg. 572 gut mit
den Worten wiedergiebt: et nescio an propter hoc tale
tempus perveneris ad regnum.

Es verlieht fich von felbft, dafs alle meine Ausftel-
lungen das oben aus voller Ueberzeugung der Arbeit
R.'s gefpendete hohe Lob nicht aufheben können, und
dafs mein offener Tadel den von mir ernftlich gewünfehten
fleifsigen Gebrauch des fehr nützlichen Buches nicht beeinträchtigen
foll.

Bonn. Adolf Kamphaufen.

Baldensperger, Lic. W., Das Selbstbewusstsein Jesu im

Lichte der meffianifchen Hoffnungen feiner Zeit.
Strafsburg, Heitz, 1888. (193 S. gr. 8.) M. 2. 50.

Vorliegende, jedenfalls ungemein reichhaltige Arbeit
geht den Zufammenhängen des meffianifchen Selbft-
bewufstfeins Jefu mit der Glaubenswelt des Judenthums
nach, in deren Rahmen fie das Bild Jefu hineinzuzeichnen
unternimmt. Die erde Hälfte enthält demgemäfs eine
forgfältige Rundfchau über die meffianifchen Hoffnungen
des Judenthums. Dies war nicht zu erreichen ohne vorherige
Beftimmungen über Alter und Zeitfolge der
Quellen (S. 3—37). In diefer Beziehung erweift fich
der Verfaffer allenthalben wohl orientirt, bietet auch
manches Eigene, namentlich bezüglich der Assumptio
Mösts, welche bei ihm als erfter Gegenfchlag gegen das
Chriftenthum, den Apokalypfen des Esra und Baruch
präludirend, auftritt (S. 231.) Hierauf eine allgemeine
Orientirung über ,Sinn und Bedeutung der meffianifchen
Hoffnungen im religiöfen Gefammtbewufstfein des Judenthums
' (S. 38—58). Letzteres erklärt der Verf. durchweg
von dem in abftract-transcendentaler Degeneration
begriffenen Gottesbewufstfein aus, deffen Kehrfeite der
Nomismus, deffen Beigabe der Determinismus war. Als
anderer Endpol hiezu bedeutet der Meffianismus Reaction
gegen die Starrheit des Gottesbegriffes und gegen den
Mechanismus der Gefchichtsauffaffung. Daraus verlieht
fich nunmehr erft die ,Entwickelung der meffianifch-
apokalyptifchen Ideen im Zufammenhang mit der religiöfen
und politifchen Gefchichte des Judenthums' (S. 59
— 83). Der Verf. zeigt, wie aus dem religiöfen Grundzug
des Meffianismus die literarifche Species der Apo-
kalyptik hervorgehen konnte. So wenig zwar wie den
Determinismus, welcher fich fchon in der äufserlich
fchablonenhaften Philofophie der Völkergefchichte kund
giebt, hat die Apokalyptik den nach der Kategorie der