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Ausgabe: | 1888 Nr. 13 |
Spalte: | 332-333 |
Autor/Hrsg.: | Pachtler, G. M. |
Titel/Untertitel: | Ratio studiorum et institutiones scholasticae Societatis Jesu per Germaniam olim vigentes, collectae, concinnatae, dilucidatae. Tomus II 1888 |
Rezensent: | Reusch, Franz Heinrich |
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331 Theologifche Literaturzeitung. 1888. Nr. 13. 332
zur Unterdrückung der politifchen und kirchlichen Freiheit
und zur Befeitigung der rechtmäfsigen Erbfolge angewandt
wurden. Scheute fich diefelbe doch nicht an
den herzoglichen Hofarzt die directe Aufforderung zu
richten, dafs er die regierende Herzogin Jacobe durch
Gift aus dem Wege fchaffen folle, wie denn auch der zwei
Jahre fpäter erfolgte plötzliche Tod diefer Fürftin nach
der Darftellung des Verfaffers kaum anders als auf ihre
Veranftaltung zurückgeführt werden kann. Aber während
auf diefem Gebiet der Proteftantimus, abgefehen
von der hier gleichfalls einläfslich berückfichtigten Unterdrückung
desfelben in Aachen durch die Spanier, fchliefs-
lich von dem ihm zugedachten Untergang durch den Sieg
der brandenburgifchen Politik gerettet wurde, fehen wir
feine in den folgenden Abfchnitten dargeftellte Vergewaltigung
in den Bisthümern Münfter und Paderborn und
dem Stifte Corvey um fo rückfichtslofer und vollftän-
diger durchgeführt, und zwar auch hier wie in Aachen
zum guten Theil mit Hilfe des fpanifchen Heeres, deren
mörderifche Invafion fowohl in Münfter wie in Paderborn
nach einer mehr als zehnjährigen faft vergeblichen
Arbeit derBifchöfe und der Jefuiten den entfcheidenden
Umfchwung zu Gunften des Katholicismus herbeiführt.
,Wir können', heifst es in einem Schreiben des fpanifchen
Generals an den Bifchof von Paderborn, welches durch
die Veranftaltung des letzteren fofort in Stadt und Land
veröffentlicht und in der Domkirche fogar von der Kanzel
herab verlefen wurde, ,unfer hungriges und ent-
blöfstes Kriegsvolk kaum noch länger von eurem Gebiete
abhalten, da in unferem Lager die Kunde verbreitet
ift, dafs eure Unterthanen zum grofsen Theil der wahnfinnigen
Lehre der Häretiker ergeben find, dafs in der
Ständeverfammlung ungeftüm und heftig die Religionsfreiheit
gefordert wird und dafs man lutherifche Prediger auf
öffentliche Korten und gegen euren Willen erhält und
ichützt. Wenn wir uns durch die längere Dauer des
Winters follten genöthigt fehen, wider unfern Willen in
eure Diöcefe einzudringen und derartige teuflifche Verführer
darin antreffen würden, fo würde das katholifche
Kriegsvolk weder von ihrer Niedermetzelung noch von
der Plünderung der übrigen Bürger, welche wir fonft
überall verbieten, können abgehalten werden. Diefes
wollten wir Eurer Hohheit melden, damit fie bei Zeiten
uns darüber Antwort gebe, und es wird uns nichts lieber
fein als zu hören, dafs ihre Unterthanen gehorfam
und im katholifchen Glauben feft find*. — Den Schlufs bildet
die Gefchichte der Unterdrückung des evangelifchen
Glaubens in der Abtei Corvey und insbefondere der
Stadt Höxter, in welcher noch einmal wie in einem Miniaturbild
der ganze Gang diefer Gegenreformation fich zu-
fammenfafst, und in welcher zugleich der Antheil, den die
innerkirchlichen Streitigkeiten unter den Proteftanten an
ihrem Sieg hatten, in feinem vollen Umfang deutlich wird.
In dem gleichen entfcheidungsvollen Jahre 1585, in welchem
dieBisthümer Münfler und Paderborn mit entfchie-
denen und thatkräftigen Anhängern der jefuitifchen Beftre-
bungen befetzt wurden, fiel auchdiefe Abtei einem Manne
zu, der mit der bisher geübten und dem Land vertrags-
mäfsig zugeficherten Politik der Duldung zu brechen
und die Glaubenseinheit im katholifchen Sinn gewaltfam
durchzuführen entfchloffen war, und auch ihm leiftete
zur Ausführung diefes Entfchluffes neben der klugen Benützung
der vorhin erwähnten Zwiftigkeiten unter feinen
Unterthanen die parteiifche Haltung des Kaifers die er-
folgreichfte Unterifützung. In dem kaiferlichen Mandat,
das ihm 1604 die Stadt Höxter in feine Gewalt gab,
werden die Einwohner darauf verpflichtet, fämmtliche Kirchen
und geiftliche Güter dem Abt auszuliefern, ihm als
ihrer ,von Gott eingefetzten ordentlichen Obrigkeit allen
fchuldigen Gehorfam in geiftlichen und weltlichen Sachen
zu bezeigen' und mit Befeitigung ihrer ,der anderen Lehre
zugethanen Prädikanten' fich der ,allein feligmachenden
katholifchen Religion und Glauben gehorfamft zu bequemen
', und als die Bürgerfchaft, auf die früheren Verträge
fich nützend, die Ausübung des evangelifchen Glaubens
in einigen Kirchen fortfetzte, erfolgte 160g ein noch
ftrengeres Pönalmandat des Kaifers, welches die Stadt für
ihren Ungehorfam mit einer Geldbufse beftrafte und die
fofortige Auslieferung aller Kirchen an den Abt verlangte.
— Zu bedauern ift das Fehlen eines Regifters, welches
die Benützung des reichen, für die kirchliche wie für die
politifche Gefchichte gleich werthvollen Materials wefent-
lich erleichtern würde. Der Mangel eines hiftorifchen Ab-
fchluffes läfst auf eine Fortfetzung bis zum Jahre 1648,
eine Andeutung der Vorrede auf den Plan einer fich
daran anfchliefsenden umfaffenden Gefammtdarftellung
der durch die Urkunden doch immer nur einfeitig beleuchteten
Reftaurationsbewegung fchliefsen, und wir find
überzeugt, dafs durch Beides der Verfaffer feinem ver-
dienftvollen Werke eine für Viele erwünfchte Vollendung
geben würde.
Bafel. R. Stähelin.
Pachtler, G. M., S. J., Ratio studiorum et institutiones scho-
lasticae Societatis Jesu per Germaniam olim vigentes,
collectae, concinnatae, dilucidatae. Tomus II. Ratio
studiorum anno 1586. 1599. 1832. (Monumenta .Ger-
maniae paedagogica. FIrsg. von Karl Kehrbach. 5.
Bd.) Berlin, A. Hofmann & Co., 1887. (VII, 524
S. gr. 8. Mit 1 Portr. u. 1 Karte.) M. 15.—
Den erften Band habe ich 1887 Nr. 13 befprochen;
der vorliegende enthält aufser einigen kleineren Stücken
einen vollftändigcn Abdruck der Ratio studiorum von
1586 und der von 1599 mit Angabe der (unbedeutenden)
Zufätze der Ausgabe von 1616 und der Aenderungen
der neueften Ausgabe von 1832. Die Ratio von 1586 ift
ein Entwurf, den eine von dem General Aquaviva ernannte
Commiffion von fechs Jefuiten ausgearbeitet hatte
und der, in wenigen Exemplaren als Manufcript gedruckt,
zur Begutachtung an die Provinziale verfandt wurde. Es
exiftiren davon nur noch wenige Exemplare und in weiteren
Kreifen waren davon bisher nur einige von A.
Maffoulie, R. Simon und H. Serry mitgetheilte Auszüge
bekannt. Es ift fehr dankenswerth, dafs uns hier ein
vollftändiger und genauer Abdruck nach dem Exemplar
der Trierer Stadtbibliothek geboten wird. Der theo-
retifche Theil des Entwurfs, De delectu opinionum, fand
von mehreren Seiten, namentlich in Spanien, lebhaften
Widerfpruch und ift in den als Norm veröffentlichten
Ausgaben der Ratio weggelaffen worden; diefe enthalten
alle nur den praktifchen Theil, de scholarum administra-
tione. Die erfte von Aquaviva als Norm veröffentlichte
Ausgabe ift 1591 erfchienen. Sie ift fehr feiten, und es
ift zu bedauern, dafs P. fie nicht hat abdrucken laffen;
er hätte dafür die deutfehe Ueberfetzung der in vielen
Abdrücken verbreiteten Ausgabe von 1599 (bezw. 1832)
weglaffen können. P. fcheint die Ausgabe von 1591 gar
nicht angefehen zu haben; die Rückäufserungen der vier
deutfehen Provinzen vom J. 1594, die er S. 218 inittheilt,
beziehen fich nicht, wie er angiebt, auf die Ratio von
1586, fondern auf die von 1591 und die darin vorkommenden
Nummern, von denen er fagt, es fei nicht er-
erfichtlich, worauf fie fich bezögen, beziehen fich eben
auf die Ausgabe von 1591. Dankenswerth find die Mittheilungen
aus der in Deutfchland in weiteren Kreifen
wenig bekannten Ausgabe von 1832 (nebft dem Rund-
fchreiben des Generals Roothaan, S. 228). Sie enthalten
manches Intereffante, z. B. die Regeln für die Profefforen
der Kirchengefchichte und des Kirchenrechts, der beiden
Fächer, die bis dahin in dem Lehrplane der Jefuiten
keinen Platz gefunden hatten (S. 320). Der theoretifche
Theil der Ratio von 1586 ift, wie gefagt, in die amtlichen
Ausgaben nicht aufgenommen worden. Aquaviva Bellte
bei der Ueberfendung der nur den praktifchen Theil