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Ausgabe:

1888

Spalte:

241-244

Autor/Hrsg.:

Freybe, Alb.

Titel/Untertitel:

Die Pflege der christlichen Volkssitte durch die Schule 1888

Rezensent:

Stamm, Wilhelm

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Standpunkt rede Tfch. fo ,mit vollem Recht' (S. 480). fich im Chriftenthum feine altedle Art und Sitte vollendet'.
Dem Reichskanzler bleibt der Nachweis nicht erfpart, j Die germanifche Art offenbart fich fchon in der germa-
dafs und wann er nach Canoffa gegangen. Dafs über- j nifchen Mythologie, die fich zum Chriftenthum verhalt
haupt ein ftolz triumphirender Ton durch das Ganze hm- wie Weisfagung zur Erfüllung. Alle Ahnungen Hoff-
durchgeht und gegen den Schlufs immer ftärker heraus- 1 nungen und Wunfche unferer Altvordern find Ja und

Amen geworden in Chnfto'. Chnfto hat unfer Volk mit
taufend Freuden gehuldigt, zumal in feiner Sitte. ,Alle
die einzelnen chriftlichen Volksfitten lind ebenfo viele

klingt, ift begreiflich, ebenfo dafs man mit dem Erreichten
den Kampf noch keineswegs als abgefchloffen anfleht.
S. 578 wird eine Ueberficht der Forderungen gegeben,

welche zunächft weiter durchgefetzt werden müffen: neben j Zeugnifse der kräftigen Heilsaneignung wie fröhliche

anderen guten Dingen erfcheint darunter die Auslieferung
der Schule und die Rückberufung der Jefuiten. Die
letzten Ziele find damit noch nicht enthüllt. Für das

Thatbekcnntnifse zu dem Herrn der Herrlichkeit'. ,Aus
dem durch die Kirche vermittelten Einflufs der Perfon
Chrifti auf die germanifche Volksperfönlichkeit und ihre

Verhältnifs von Kirche und Staat wird in üblicher halb- aus der Urzeit flammende, durch die Familie fortge

wahrer, d. h. unwahrer Weife das Princip als ,allein rieh
tig' verkündigt: ,der Staat auf ftaatlichem, die Kirche
auf kirchlichem Gebiete fouverän' (S. 238): es bedarf,
um verftanden zu werden der Ergänzung durch das, was
erft neuerdings wieder Lämmer in feinen Inftitutionen
des kath. K.-Rechts über die nothwendige Unterordnung

pflanzte, befonders durch das edle deutfehe Weib gepflegte
Volksart ifl der Lebensbaum der chriftlichen Hausund
Volksfitte erwachfen'. Die Pflege derfelben kommt
nicht blofs der Kirche und der Familie zu, fondern auch
der Schule. ,Sie (die Schule) hat die aus der Familie
hervorgehenden, mit unbewufster aber realer Volksart

der weltlichen, allerdings in suo genere fouveränen Ge- ausgeftatteten Volkskinder und die durch die Kirche
walt unter eine potestas diversi gencris, nämlich die kirch- j mittels der Taufe unbewufst aber real ausgeftatteten
liehe, vorgetragen hat. Das find freilich Dinge, welche ! Gotteskinder in einer Perfon zu bewufster Gottes- und
wohl' im Seminar den angehenden Klerikern eingeprägt j Volksgemeinfchaft und zur Darfteilung derfelben im täg-
werden müffen, aber für das grofse Publicum fich vor- 1 liehen Leben d. h. zur Uebung chriftlicher Volksfitte in
läufig noch nicht eignen und deshalb hier noch per reser- i den verfchiedenen Lebens- und Berufskreifen zu erziehen'.
vationem mentalem verfchwiegen bleiben Da ferner das Man ficht, die Aufgabe der Schule wird hier ganz
,preufsifch-deutfche Staatswefen', wie der Verf. richtig j aufserordentlich ideal gefafst. Kein Wunder darum, dafs
fagt(S. 135), ,durch den Gegenfatz gegen Rom' entftanden die Antwort auf die PTage, was denn die Schule bis
und herangewachfen ift, der Proteftantismus von Anbe- dahin für die Pflege chriftlicher Volksfitte gethan habe,
ginn deffen .Lebenselement war' und folglich auch wird ganz überwiegend negativ ausfällt. Der Verfaffer, indem
bleiben müffen, wenn es beliehen foll, — daher denn er die Gefchichte der Pädagogik bis zum Anfang des
auch das Mifsbehagen über das Vorhandenfein des deut- laufenden Jahrhunderts fummarifch durchgeht, findet na-
fchen Reichs überall unverhohlen hervortritt, — da türlich, dafs zur Löfung der von ihm fo hoch geftellten
aufserdem das Princip der Nicht-Intervention, will fagen Aufgabe von Seiten der Schule, die einem falfchen oder
des Friedens mit Italien anftatt der gewaltfamen Wieder- einfeitig aufgefafsten Bildungsideal nachftrebte, herzlich
herftellung des Kirchenftaates (anders als gewaltfam wäre wenig gethan worden ift. Seit der Zeit der Befreiungs-
diefe ja nicht möglich), als ein ,unchriftliches' bekämpft kriege allerdings ift Vieles für lebendiges Chriftenthum
wird (S. 160), fo ift unfehwer zu erkennen, worauf im , und deutfehes Volksthum gelchehen. Ganz insbefondere
weiteren Verlaufe abgezielt ift. wird an diefer Stelle die Wiedererweckung unferes deut-

Das Befte in dem Buch find die hier und da einge- | fchen Alterthums hervorgehoben, an der fich die edelften
reihten Reden u. a. Kundgebungen Bismarck's. Hoher | Kräfte der Nation betheiligten nach dem Vorgang des
Sinn und grofse Gedanken tretem Einem da überall entgegen
, freilich auch ein Mangel an Verftändnifs römi-
fchen Wefens und daher eine Ziel- und Planlofigkeit,
wie fie nirgend fonft in den Thaten des grofsen Staats
manns zu erkennen ift.

Darmftadt K. Köhler.

Altmeifters der deutfehen Sprache, J. Grimm's, der mit
feinem Bruder vor allem die Fähigkeit befafs, die deutfehe
Volksfeele in ihrer Natürlichkeit und Urfprunglichkeit
mit vollfter Unmittelbarkeit zu verftehen. .Haben fie (die
Brüder Grimm) nicht zuerft wieder die Kindesfeele mit
der Volksfeele in Fühlung gefetzt, haben fie nicht unfere
Pamihen gerade mit demjenigen genährt, worin ein Volk

c I r__Hh^rlehr Dr Alb Die Pflene Her r-hrkt fdnem "inerften Leben den tdefften Ausdruck gegeben,

Freybe, Gymn.-Oberlehn Dr. Alb Die Pflege der Christ- I mit dcutfchem Glauben, deutfeher Sage und Sittel

liehen Volkssitte durch die Schule. Erweiterte r-orm des , ,Wohl find aus den Werken der Brüder Grimm und ihrer
aufGrund der .Richtlinien'im Auftrage des 4. deutfehen : Nachfolger hier und da manche fruchtbare Samenkörner
Schulkongreffes am 6. Okt. 1886 in Hannover gehal- auch in die Schulen gefallen, aber zu einer planmäfsigen
tenen Vortrags 2 Abdr. Gütersloh, Bertelsmann, 1887. Verwerthung des vollen reichen Lrntertrags ift's nirgends

gekommen'. Darnach ergiebt fich, was jetzt gefchehen
foll. ,Das ift das Erfte und das Letzte, was die Schule
zur Erhaltung und Wiedererweckung chriftlicher Volksfitte
thun kann und mufs: Einführung in die eigene
heimath liehe Welt'. Fortan foll das als Beruf der

(75 S. 8.) M. 1.-
Ift's nicht fchon zu fpät? Diefe bange Frage fleht
an der Spitze der ganzen Erörterung. ,Dafs dies gerichtliche
,Zu fpät!" wenigftens drohe, darüber können die

W" -I---- -- — c»

nicht im Zweifel fein, welche die deutfehe Sitte der Vor- Schulen 1/ ---- -----

zeit kennen und den Niedergang derfelben trauernden i die luJL^lTfl T-u^ ,di(s fie &rune 0a,en f«en, wo
Herzens täglich mit anfehen müffen'. : hinein i n,!t.,hr das Volk bis in feine Herzwurzeln

Was ift unter chriftlicher Volksfitte zu verftehen' ' ieder Fnf . ' He'™athsrinn und Heimathsfitte genährt
.Chriftliche Volksfitte bedeutet die durch das Chriftem unferes ViW chrlftl,chcr Volksfitte, aller Zerbröckclun«
thum beeinflufste d. h. die umgebildete, gereinigte, kurz wafste H^Sk" d°r allem dem Abfa'l >n's be*

die aus der Verbindung von Volksthum und Chriftenthum ' ' .e,dtnthVm und damit dem Verfchmachten der

hervorgewachfene Lebensgewohnheit, Lebensordnung
und Lebensart'. Eine folche chriftliche Volksfitte ift auf
deutfeh em Boden erwachfen. ,In der Völkerfamilie der
Arier ift vor allen anderen das germanifche Volk
das Familien volk der Weltgefchichte geworden und
hat als folches dem Chriftenthum in feiner Mitte eine
heimathliche Stätte bereitet wie kein anderes, alfo dafs

Volksfeele gewehrt werde'. An diefer Aufgabe follen
alle Schulen arbeiten: Seminarien, Univerfitäten, gelehrte
Schulen, Volksfchulen und KLinkinderfchulen. ,Die Pflege
und Vermittelung chriftlicher Volksfitte foll ein Lebens-
prineip, auch ein Unterrichtsprincip für alle Schulgattungen
, alle Disciplinen, alle Lehrer fein, kein neuer
Unterrichtsgegenftand, fondern ein Lebcnsprincip'.
Ift der Lefer dem Gedankengang der Schrift bis