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Ausgabe:

1887 Nr. 6

Spalte:

129-134

Autor/Hrsg.:

Suphan, Bernhard (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Herder‘s sämmtliche Werke. 4., 6., 7., 10. - 12., 17. - 23., 25. - 28. Bd 1887

Rezensent:

Baur, Gustav

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129

Theologifche Literaturzeitung. 1887. Nr. 6. 130

Gebundenheit und evangelifche Freiheit, Glaube und I Von den 17 Fanden nun, auf welche die diesmalige
Wiffen. chriftliche und claffifche Bildung, befonnene ' Anzeige fich bezieht, find 7, namheh VI. und VII., X.—
Milde und tapfere Energie fich in feltener Weife ver- XII., und XIX. und XX., fpecififch theologifchen Inhaltes,
einigen, leuchtet durch die ganze Biographie wahrhaft , Selbftverftändhch aber verleugnet Herder auch in den
wohlthuend hindurch. übrigen Schriften den Theologen nicht, fondern bietet

■pj , Meier auch hier dem Intereffe feiner Fachgenoffen ein reiches

Material dar. So zeichnet gleich im IV. Bande das Reife-

,.___......Min,u 1 r- „ u u r„„u,, lournal, ein hochft merkwürdiges Programm feiner wiffen-

Herder s sammthehe Werke. Hrsg. von Bernh. Suplian. ij fil.', ,ru .nrL n •/ u ur ■ .l

b f., ., , fehafthehen und fchnftftellenichen Blane, auch feinen theo-

4., 6., 7., IO.—12., 17.—23., 25.-28. Bd. Berlin, Weid- , logifchen Studien die Wege vor, auf welchen fie in der
mann, 1878—86. (XXII, 509; XXII, 530; LIV, 573 ; 1 Folge fich bewegen follten, und ebenfo flehen im XXVIII.

III, 402; III, 475; III, 455; 111,414; IV, 618; 111,424; j Bande namentlich die Legenden zur Theologie in einer

IV, 409; XXV, 344; III 360; XIV, 587; XX, 69O; ! näheren Verwandtfchaft. Hätte freilich Brömel (Homi-

YVT 4^ vtv .,a vn' -q, c „ »i A f, letifche Charakterbilder, II., Seite 2 und 13) Recht mit
AVt, 490 A1V, 418 und XII, 583 S. gr. 8.) 4., o., . lLuii u ..i u j 1 • u n

^ ^ ' 3 J ° . feiner befchrankt und heblos aburtheilenden und lnhalt-

10.—12., 17.—22., 26. u. 27.: ä M. 4. —; 7 23: a i Hch geradezu unbegreiflichen Behauptung: ,Unter allen
V- 6. —; 25.: M. 7. —; 28.: M. 5. — I grofsen Geiftern am Ende des vorigen Jahrhunderts ift

Vor mehr als fieben Jahren hat der Unterzeichnete i kaum einer, der fo wenig felbftftändigen und nachhal-
die damals vorliegenden, 1877 und 78 erfchienenen 3 erften 1 tigen Pvindruck auf die Literatur überhaupt und auf die
Bande von Suphan's mufterhafter Herderausgabe in diefen Theologie im Befonderen ausgeübt hat, als gerade Herder',
Blättern zur Anzeige gebracht (6. December 1879). Seit- | fo würde auch die erwartete negative Antwort nicht

dem ift das grofse Werk mit einer bei dergleichen Unternehmungen
nicht gewöhnlichen und darum kaum zu
erwartenden Schnelligkeit gefördert worden, welche um-
fomehr die freudigfte Anerkennung verdient, als der
rafche Fortfehritt ftets von einer wahrhaft bewunderungs

ausbleiben auf die von ihm weiter aufgeworfene Frage:
,Wem kommt es heutzutage noch in den Sinn, Herder's
theologifche Bücher zu lefen! Aufser Goethe, Winkelmann
, Leffing werden Hamann's und des Wandsbecker
Boten Werke gelefen, wer aber liefet noch Herder?'

würdigen Umficht, die auch das Kleinfte nicht aus dem ! Aber wir follten uns vielmehr freuen, dafs unter den
Auge verliert, und von einer bis in das Einzelfte ein- ; Heroen unferer jüngften klaffifchen Literaturperiode gedringenden
Sorgfalt begleitet ift. Wenn der Heraus- i rade ein Theologe eine fo bedeutende Stellung einnimmt,
geber der unvergleichlichen Herderbiographie von Haym und dafs ihm in Anerkennung diefer feiner Bedeutung
den imponirenden Charakter grofsartiger Gründlichkeit j eine Darftellung feines Lebens und eine Ausgabe feiner
nachrühmt, fo kann man denfelben Ruhm mit vollltem j Werke wie keinem andern geworden ift. Wir follten uns
Rechte auch feiner Herderausgabe zufchreiben. Der ; nicht befchämen laffen durch das Urtheil eines Literar-
Dank dafür gebührt nächft dem Herausgeber felbft der : hiftorikers wie Wilhelm Scherer: ,Wer in irgend einer
ausgezeichneten Unterftützung, welche er bei C. Redlich, 1 der Wiffenfchaften vom menfehlichen Geilte zu den höch-
der auch die Bearbeitung der poetifchen Werke Herder's ' ften Aufgaben vordringt, wer der Sprachwiffenfchaft oder
übernommen hat, und bei C. Naumann gefunden, der fich i Gefchichte dient, wer der Mythologie oder Ivthnographie
namentlich um die Profafchriften, insbefondere die theo- j feineKräfte widmet, wer die Volksüberlieferungen fammelt,
logifchen, verdient gemacht hat. So liegen denn jetzt im j wer das deutfehe oder hebräifche Alterthum durchforfcht,
ganzen 20 Bände vor und von den 17 Bänden, welche wer die Entfaltung nationaler Eigenthümlichkeit auf allen
feit unferer erften Anzeige erfchienen find, enthält IV. I Lebensgebieten verfolgt und den bildenden Einflufs der

aufser dem Schlufs der Kritifchen Wälder namentlich
des Reifejournal vom Jahre 1769, VI. und VII. die Archäologie
des Morgenlandes, die Aeltelte Urkunde des
Menfchengefchlechts, die Provinzialblätter an Prediger,
Johannes und die Erläuterungen zum Neuen Teltament,
X. —XII. die Briefe das Studium der Theologie betreffend
und das Werk Vom Geilte der Ebräifchen Poefie,
XVII. und XVIII. die Briefe zur Beförderung der Humanität
und die kleinen Schriften von 1791—96, XIX. und
XX. Chriftliche Schriften und kleine Schriften von 1797

Natur auf die Menfchcn zu erkennen fucht, der mufs in
Herder einen Seher verehren'. Diefes Urtheil in befon-
derer Rückficht auf das Gebiet der Theologie beitätigend
und ergänzend können wir in guter Zuverficht hinzufügen:
wer das Predigtamt nicht etwa nur mit Spalding um der
der .Nutzbarkeit' willen fchätzt, welche es für die Erziehung
des Volkes und für die Erhaltung der ftaatlichen
Ordnung hat, fondern es hochhält als das köftliche Amt,
welches das göttliche Evangelium von der Verformung
predigt; wer im Alten Teltamente nicht blofs eine Rült-

bis 1800, XXI. und XXII. die Metakritik und die Kalli- kammer dogmatifcher Beweisltellen erkennt, fondern die
gone. XXIII. die drei erften Bände der Adraltea, XXV. , ehrwürdigen Denkmäler einer von der Offenbarung des
die Volkslieder, XXVI. Nachdichtungen aus der grie- ! wahren und lebendigen Gottes geheiligten volksthüm-
chifchen, römifchen und morgenländifchen Literatur, liehen Literatur und Poefie; wer den göttlichen Inhalt
XXVII. die Terpfichore (Balde's Gedichte) und Ueber- des Neuen Teltamentes fich lebendig anzueignen ftrebt
tragungen aus neuerer Kunltpoefie, XXVIII. dramatifche durch kritifche und hiltorifche Betrachtung der Schriften,
und epifche Dichtungen, darunter die Legenden und den in welche er niedergelegt ift; wer in der Gefchichte der
Cid. In Vorbereitung befinden fich zunächlt die Bände Kirche fieht, wie auf dem feiten Grunde, welchen der
V. Vom Urfprung der Sprache. Von deutfeher Art und j gelegt hat, der wie der Anfänger fo auch der Vollen-
Kunlt. Auch eine Philofophic der Gefchichte. Kleine der unferes Glaubens ift. fich das mit der fortfehreitenden
Schriften und Recenfionen von 1771 bis 74, XIII. Ideen Entwickelung des menfehlichen Geiltes parallel gehende
zu einer Philofophie der Gefchichte der Menfchheit. 1. ! Beitreben gebildet hat, dem chriltlichen Glaubensinhalte
und 2. Theil, XXIX. lyrifche und didaktifche Gedichte j die je mehr und mehr entfprechende Form zu geben;
enthaltend und wohl auch XXIV., welcher die drei letzten wem die Predigt ein Ausflufs des Schriftzeugnifses, das
Bände der Adraltea bringen foll und als letzter Profa- , geiftlichc Lied eine Bezeugung des Gemeindeglaubens,
band alles, ,was fonlt an kleineren Arbeiten in den letzten ; Schule und Volksunterricht eine nothwendige Forderung
Jahren zu Stande gekommen ift', fammt einer Reihe be- | der evangelifchen Kirche ift: der wird auf allen diefen

fonderer einleitender Erörterungen. Sind auch diefe 4
Bände noch vollendet, fo liegen von den in Ausficht genommenen
32 Bänden fchon 24 vor und fo fleht in der

Gebieten in der Gegenwart Bewegungen begegnen, zu
welchen Herder, wenn nicht den erften, fo doch einen
befonders kräftigen Anftofs gegeben hat.

I hat ,in abfehbarer Zeit der Abfchlufs diefer Publication Allerdings bedarf es zur Würdigung diefer Bedeu-

zu gewärtigen'. I tung Herder's einer richtigen Erkenntnifs der ftets wer-