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Ausgabe:

1887

Spalte:

635-637

Autor/Hrsg.:

Ohly, Emil

Titel/Untertitel:

‚Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang!‘ (Psalm 121,8.) Eine Sammlung von Antritts- und Abschiedspredigten. In Verbindung mit Freunden hrsg 1887

Rezensent:

Diegel, J. Gustav

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635

,Die Holländer find von Natur keine Redner', ein Ur-
theil, welches bis Baffermann: Handbuch der geift-
lichen Beredfamkeit 1885, zum Ermüden als ein feft-
ftehendes Dogma wiederholt wird. Allein die Unrichtigkeit
des Urtheils vom deutfchen Standpunkt aus ift
damit nicht bewiefen. Mögen die Holländer proteftiren,
es bleibt doch dabei, dafs uns Deutfche die holländifche
Sprache als eine Art von niederfächfifchem Dialekt an-
muthet und dafs diefer überaus gemüthliche Dialekt uns
überaus trivial vorkommt. Niederfächfifche oder platt-
deutfche oder holländifche Predigten haben etwas von
einer Form an fich, die, nach unterem Gefchmack, zum
Inhalt nun einmal gar nicht pafst. Ich erkenne an, dafs
dies ein reines Gefühlsurtheil ift, aber man kommt nicht
darüber weg.

Jedenfalls dürfte es Aufgabe der holländifchen Theologen
fein, wenn fie auf eingehende Würdigung ihrer
,Kansekvelsprekendhcidl feitens der deutfchen Theologen
reflectiren, ihre Werke fo einzurichten, dafs eine Orien-
tirung in denfelben nicht mit fo grofsen Schwierigkeiten
verbunden ift, wie in dem vortrefflichen Hartog'fchen
Werke. Nur am Ende der Jn/eiding' wird uns angegeben
, dafs Jiet eerste tijdvak1 die Jahre 1517—1575
umfafst, Jut tweede' bis 1636 geht, Jiet (Herde* bis 1768,
,het Vierde1, bis 1885. Der erfte Zeitraum hat fein Ende
mit der Stiftung der Leydener Univerfität. der zweite
mit dem Auftreten Coccejus, der dritte mit Hollebeek,
der vierte reicht bis an die Gegenwart. Aber wie weit
erftrecken fich in dem Buch die einzelnen Abfchnitte?
Lies das Buch, fo wirft du's finden! Welchen Inhalt
haben die einzelnen Abfchnitte? Lies das Buch, fo wirft
du's finden. Haft du's gelcfen, fo wird ein Regifter dir
fagen, welche Namen dir begegnet find. Wir deutfchen
Theologen find allerdings gewohnt, als Lefer etwas rück-
fichtsvoller behandelt zu werden und den Inhalt eines
Buches überfchauen zu können, bevor wir es ganz durch-
gelefen haben.

Der Umfang der Abtheilungen ift fehr verfchieden:
derfelbe fchwankt zwifchen 16 und 180 Seiten. Während
die erfte Abtheilung keinerlei Unterabtheilung zeigt, hat
die zweite als Unterabfchnitte dt Doopsgezinden und de
LutherscheH, die beiden letzten Abtheilungen geben
aufserdem Bericht von de Waalschcn und de Rcvionstran-
ten. Doch erft etwa in der Mitte der Abtheilungen beginnen
die Unterabfchnitte, und der Lefer hat (ich erft
durch die Leetüre zu verfichern, dafs die erfte Hälfte
der betreffenden Abtheilungen von der Predigt in der re-
formirten Staatskirche handelt.

Dies Alles erfchwert den Gebrauch des fchönen
Buches fehr. Wir hoffen, dafs bis zur dritten Auflage
ein kürzerer Zeitraum als bis zur zweiten verftreiche;
den Herrn Verf. bitten wir, die üekonomic feines Buches,
wozu wir auch die Confeffion der Prediger als Einthci-
lungsgrund rechnen, alsdann einer eingehenden Revifion
zu unterziehen. Allein auch ohne diele Revifion würden
wir fchon jetzt eine deutfche Ueberfetzung mit Freuden
begrüfsen.

Marburg. A che Iis.

Ohly, Pfr. Emil, ,Der, Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
!' (Pfalm 121, 8.) Eine Sammlung von Antrittsund
Abfchiedspredigtcn. In Verbindung mit Freunden
hrsg. Leipzig, Strübig, 1886. (VI, 282 S. 8.) M. 3.-

Diefe Sammlung bietet 17 Antritts- nnd 17 Abfchieds-
predigten. Erwünfcht wäre, wenn bei letzteren überall, wie
z. B. bei Nr. 2 und 14, auch die Gemeinde, der fie galten,
genannt würde. Einige Rückfchlüffe auf deren Verhält-
nifse könnte man dann wohl faft immer machen. Ohnehin
erfchwert das befondere Recht, welches bei vorliegenden
Predigten diefen Verhältnifsen fowie der Perfönlich-
keit des Predigers zukommt, die Beurtheilung, indem

I manches, was man anders wünfehen oder vermiffen

i möchte, vielleicht aus ganz guten Gründen geftaltet oder

; weggelaffen ift. Doch fcheint es Pflicht und am lehr-

! reichften, das einer normalen Sachlage Angemeffene anzudeuten
. Dabei bleibt noch genug Raum für Mannigfaltigkeit
und unfere Sammlung wird gerade dadurch anziehend
, dafs fich in ihr derfelbe Geift in verfchieden-
artigen Formen darftellt.

Das entfehiedene Bekenntnifs zu Jefus Chriftus und
zu den evangelifchen Grundwahrheiten, überhaupt eine
biblifche Haltung findet fich überall. Das zeigt fich be-
fonders in den Antrittspredigten, in welchen man wenig,
einfach aber herzlich (etwa nur in Einleitung und Schlufs,
von fich felbft und um fo mehr warm eingehend von der
Herrlichkeit des Evangeliums reden foll. Die Klippe, zu
viel und ruhmredig oder auch mit unwahrer Demuth
von fich zu fprechen und der Gemeinde zu hochgehende
Verfprechungen oder Lobpreifungcn entgegenzubringen,
wird glücklich vermieden. Manche fcheinen die angedeuteten
Verfündigungen faft zu fehr gefürchtet zu haben,
fo dafs fie nicht blofs in Antritts-, fondern auch in Ab-
fchiedspredigten, in welchen doch, zumal nach längerer
Wirkfamkeit, die perfönlichen Beziehungen mehr hervortreten
dürfen, faft allzuwenig perfönlich und herzlich
nahetreten. Man vergleiche z. B. die fonft ganz tüchtige
Predigt S. 158 mit der ebenfalls recht tüchtigen Predigt
S. 233, in welcher das Perfönliche ausnahmsweife faft
zu viel vorherrfcht. Einige indeffen verliehen, fcheinbar
trockene Worte herzlicher auszufprechen, als andere ihre
fcheinbar fehr gefühlvollen Reden. Ebenfo können einige
Reden, welche etwas zu fehr in theologifch hohem oder
auch fonft vornehm geiftreichem Gewände eiriherzugehen
fcheinen, durch ausdrucksvollen Vortrag den Gemeinden
eindringlicher werden. Leere Rhetorik haben wir nirgends,
tüchtigen Inhalt durchgangig wahrgenommen. Dafs fich
dabei fall immer kurz gehalten wurde, ift als Vorzug zu
betrachten. Nur einigemal erfcheint diefe Kürze etwas
zu grofs, als dafs Anlafs und Gemüth zu ihrem hier be-
fonclers wichtigen vollen Rechte kommen könnten. Es

1 finden fich meift einfache, öfter recht finnreiche Dispoli-
tionen. Das analytifche und analytifch-fynthetifche Verfahren
herrfcht vor. Textwahl und Textverwcrthung
pflegt eine gute zu fein. Manchmal hat freilich auf
letztere das cafuelle Bedürfnifs Mark gewirkt, und dafs
in einigen Abfchiedspredigten für viele Textbenutzung
kein Raum war, wird durch den nach langer Amtsführung
oft überreichen fonftigen Stoff um fo mehr zu entfchul-
digen fein, da alsdann die Gemeinde wiffen mufs, wie
der Scheidende treu das Wort Gottes verkündigt hat.
Eine deutliche Erinnerung daran wird genügen. Doch

I ziehen wir vor, wenn auch in Abfchiedspredigtcn der
Text zu vollem Rechte kommt, wie z. B. in denen S. 245

! und 254. In letzterwähnter, die Zuhörer mit grofser
Lebendigkeit und Kraft anfallender Predigt findet (ich
nicht nur viel Treffliches, wie in der vorhergehenden,
fondern auch manches, was befonders nach nur neunmonatlichem
Wirken zu ftark ausgedrückt fcheinen kann;
aber diefes Wirken war wohl wirklich ein ungewöhnlich

1 eifriges und erfolgreiches. Keineswegs bei jeder Pcrfön-
lichkeit und an jedem Orte möchten wir Anreden gut-

j heifsen wie die S. 290: ,Ihr irdifch Gefinntcn, Ihr Wollüft-
linge, Ihr Weltkinder, aber auch Ihr Gotteskinder' und:

] — ,entfchliefst Euch, nur eine Weile vorerft Eure von
Geiz, Neid, I Ioffarth und Wolluft kranken Augen von der
alten Weide abzuwenden'. Diefer Ton bildet in vorliegender
Sammlung fehr eine Ausnahme, aber mit Recht
werden in gelinderer Weife meift bei dem Abfchiedc
Schattenfeiten in den Gemeinden offen namhaft gemacht
, wie z. B. in den meifterhaft disponirten und auch
fonft vortrefflichen beiden letzten Predigten S. 266
und 273. In der letztbezeichneten wird auch fehr warm
der Vorgänger und des Nachfolgers gedacht. Fürbitte
für den Nachfolger möchte man in jeder Abfchiedspredigt