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Ausgabe:

1886 Nr. 13

Spalte:

297-298

Titel/Untertitel:

Luciferi Calaritani opuscula 1886

Rezensent:

Krüger, Gustav

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297

Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 13.

298

durchweg fo freundlich fich begegnen zu fehen; es iB
auch nur MifsverBändnifs, wenn ich S. 443 faft wie ein
Anhänger der Titushypothefe in Bezug auf den Wirbericht
erfcheine. Sehr erfreulich war es mir, meine Bemühungen
umSicherftellung des biblifch-theologifchen ThatbeBandes
bezüglich des Verhältnifses des erften Johannesbriefes zum
vierten Evangelium anerkannt zu fehen. Gerade diefe
Dinge liegen dem theologifchen Durchfchnittsurtheil ferne.
Dafs fich über die aus dem ThatbeBand zu ziehenden
Schlüffe Breiten läfst, gebe ich gern zu und halte die von
Mangold S. 769 vorgefchlagene Löfung für keineswegs
unmöglich. Dagegen mufs ich gegen ihn, der .vorläufig'
noch an dem hohen Alterthum des Jakobusbriefes feft-
hält (S. 717), entfchieden auf der gegentheiligen Anficht
beharren, für welche erft neuerdings auch A. Klöpper
gewichtige Gründe in die Wagfchale geworfen hat.

Einzelne Verfehen habe ich, wie in meinem eigenen
Werke, fo auch in dem vorliegenden SeitenBück dazu
gelegentlich bemerkt und aufgezeichnet. Sie brauchen
an diefem Orte nicht mitgetheilt zu werden.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Luciferi Calaritani opuscula. Recensuit et commentario
critico instruxit Guil. Härtel. [Corpus scriptorum
ecclesiasticorum latinorum, vol. XIV.] Wien, Gerold's
Sohn, 1886. (XLII, 378 S. gr. 8.) M. 9. —

Der Bifchof Lucifer von Calaris gehört nicht zu den
Männern, die fich, fei es durch ihre Thatcn, fei es durch
ihre Schriften, einen Platz erften Ranges in der Kirchen-
gefchichte gefichert haben. Man pflegt ihn dadurch zu
charakterifiren, dafs man ihm das Prädicat .übereifrig'
giebt, und wirklich hat man nach einer genaueren Be-
ichäftigung mit feiner Perfon, feinen Schickfalen und
feinen Schriften kaum Veranlaflung, an diefem Urtheil zu
rütteln. So werden vielleicht Manche eine Enttäufchung
gefühlt haben, dafs auch diefer Band des corpus vindo-
bonense die Werke eines Mannes bringt, die zu ftudiren
nur Aufgabe der Specialforfchung fein kann, während
z. B. ein Tertullian noch immer der Auferftehung aus
einer völlig unkritifchen Ausgabe entgegenfieht.

Von den Werken des Lucifer lag eine Ausgabe vor,
deren Vorzüge allgemein anerkannt find und der auch
der neue Herausgeber Härtel warmes Lob fpendet, von
den Brüdern Coleti (Venedig 1778 fol.). Dennoch bedarf
es nur eines Blickes in die Prolegomena, die Härtel feiner
Ausgabe vorangefchickt hat, um fich zu vergewiffern,
dafs dicfelbe alle bisherigen in den Schatten Bellt und
uberflüflig macht. Nicht dafs Härtel mit einem gröfseren
handfehriftlichen Material, als den Coleti zu Gebote Band,
hätte arbeiten können. Er mufs vielmehr conBatiren,
dafs es auch ihm trotz aller Bemühungen nicht gelungen
iB, eine andere Handfchrift aufzufinden als die, welche
bereits der erfie Herausgeber, Tilius, der gelehrte Bifchof
von Meaux, im Jahre 1568 benutzen konnte. Diefelbe
iB auch identifch mit dem cod. vat. 75, welchen die Coleti
zur Vergleichung mit dem ihnen von Tilius gebotenen
Text heranziehen zu können meinten. Sie iB von Frankreich
aus in den Befitz der Königin ChriBine gekommen,
und fpäter der bibliotlicca reginensis einverleibt worden,
in der fie mehrfach die Nummer gewechfelt hat. Jetzt
trägt fie die Nummer 133 und findet fich in Reifferfcheid
bibliotlicca I 383 squ. genau befchrieben.

Dennoch iB es Härtel möglich gewefen, auf Grund
diefer einen Handfchrift eine ganze Reihe von Textver-
befferungen vorzunehmen. Die Brüder Coleti hatten den
Codex nicht felbB eingefehen, fondern befanden j^ch nur
im Befitz eines unkritifchen Verzeichnifses derjenigen Lesarten
desfelben, welche von den bei Tilius reeipirten abwichen
. Härtel hat nun zunächB, von Anderen unter-
Bützt, feBgeBellt, dafs von der Grundfchrift des Codex
zwei Correctoren zu unterfcheiden find, von denen der

' jüngere nicht viel älter als die editiopriueeps iB: befonders
die Correcturen diefes Letzteren hatten die bisherigen
Herausgeber irre geleitet {omnibus adhuc fraudi fuit.
Härtel p. VII). Um eine fichere Grundlage für die Text-
revifion zu gewinnen, war es ferner nöthig, auf den Sermo
rusticus des Lucifer hinzuweifen und zu zeigen, wie manche
Fehler, welche man bisher der Handfchrift zur LaB zu

1 legen geneigt war, dem fchlechten Stil des Lucifer auf
Rechnung zu fetzen find. Härtel hat diefe Beobachtun-

■ gen in einer in Wölfflin's Archiv für lat. Lexicographie
III p. 1 ff. erfchienenen Abhandlung über das genns dicendi
des Lucifer näher ausgeführt (p. VIII). Andererfeits
iB doch auch die Handfchrift voll von Fehlern, die in-
deffen meiB unfehwer zu erkennen find. Sie befiehen
vornehmlich in Ausladungen von BuchBaben, Silben und
Wörtern (p. VIII, vgl. XV); weniger häufig in Interpola-

: tionen (p. XIIII. XVIII); in manchen Fällen find nur die
Wortendungen corrumpirt (XXIII. XXVI). Es ifl ein be-

j fonderes VerdienB Hartel's, diefe Fehler überall aufge-
fpürt und an der Hand der von ihm angenommenen

j methodifchen Grundfätze an unzähligen Stellen Vor-
fchläge zur Textverbefferung gemacht zu haben. HöchB
feiten finden fich diefe Fehler in den für den Text der
Itala bekanntlich hochwichtigen Citaten aus der heiligen
Schrift.

Abgefehen davon, dafs uns diefe Ausgabe zum erBen
Mal einen nach Möglichkeit gedichteten und geficherten
Text des Lucifer darbietet, beBehen ihre Vorzüge gegenüber
der letzten Ausgabe in Folgendem. Die beiden
Defiderien, die man zu Bellen berechtigt war, find erfüllt:

J es iB 1. die Capiteleintheilung, welche, bereits von Gallandi
eingeführt, von den Coleti fallen gelaffen war, wieder
aufgenommen und dadurch die Leetüre bedeutend erleichtert
worden. Es find 2. ausführliche und allen An-
fprüchen genügende RegiBer hinzugefügt worden. Das
einzige RegiBer, welches die Ausgabe der Coleti aufwies,
war ein ziemlich dürftiger Index nominum et rerum. ,Das
wichtigBe RegiBer, über die vorkommenden BibelBellen,
vermiffen wir', fagte bereits der Recenfent der Ausgabe
der Coleti in Döderlein's Theologifcher Bibliothek I, 602.
Nicht nur diefes iB nun von Härtel gegeben, fondern der
Iudex noiuiuum et verum iB bedeutend erweitert und endlich
ein Index verborwn et locutionum hinzugefügt worden,
der bei einem Schriftfleller wie Lucifer befonders willkommen
geheifsen werden mufs. Härtel hat ferner die
Abhängigkeit des Lucifer von Cyprian in gröfserem
Umfang conflatirt als es bisher gefchehen war. Dafs
dabei intereffante Daten für eine Gefchichte der Ueber-
lieferung der Werke des Cyprian fich ergeben haben, iB

j bereits von Harnack (in diefer Zeitung 1886, Col. 173 f.)

j ausgeführt worden. Die ParallelBellen aus Cyprian, fowie
ein Citat aus Tertullian und ein (fragliches) aus Cicero

■ hat Härtel im Iudex scriptorum zufammengeBellt.

Dem Plane der Wiener Ausgaben gemäfs hat H. auf
eine Einleitung, welche andere als textkritifche Fragen
behandelte, verzichtet. Für folche iB daher die Ausgabe
der Coleti nach wie vor zu Rathe zu ziehen. Die Schriften
find in der Reihenfolge edirt, welche die Coleti angenommen
haben und welche auch dem Referenten aus
fachlichen Gründen als die richtige erfcheint. In der
Handfchrift Behen die beiden bisher unter dem Titel
pro Athanasio gedruckten, von Härtel nach einer Angabe
des codex mit de Athanasio überfchriebenen Bücher
voran. Zur leichteren Orientirung wäre die Angabe
der Seitenzahlen der Coleti'fchen Ausgabe am Rande
! erwünfeht gewefen. Auf p. XXXIX—XLII find unter
Hinweis auf die Ausführungen der Prolegomena die
I addenda und corrigenda zufammengeBellt: hinzuzufügen
i wäre: pag. 17,20: -nobiscum Batt vobiscum; 285,32: 2 cor
6, 16 Batt 7, 16; 347b,i6: 12 Batt 2.

Giefsen. GuBav Krüger.

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