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Ausgabe:

1886 Nr. 13

Spalte:

296-297

Autor/Hrsg.:

Bleek, Frdr.

Titel/Untertitel:

Einleitung in die heilige Schrift. 2. T 1886

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1886. Nr. 13.

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Standpunkt an einzelnen befonders in Frage kommenden
Punkten zu bewähren. Zuerft handelt er von dem
,Volk Israel' in zwei Abfchnitten. Bei Befprechung
der ,zwölf Stämme' (S. 11—30) wird insbefondere
darauf hingewiefen, wie mit Ammon, Moab und Edom
zwar eine natürliche Verwandtfchaft Israels im Alten
Teftamente begründet ift, nicht aber eine fo innige und
die Eigentümlichkeit des altteftamentlichen Volkes aufhebende
Verbindung, wie Wellhaufen fie annimmt. In
dem Abfchnitt über den ,Priefterftamm' (S. 30—72)
wird die Anficht begründet, dafs die Leviten wirklich Angehörige
eines ifraelitifchen Stammes gewefen und als
folche fchon von der Zeit Mofe's an zur Cultusverwaltung
berufen worden feien. Die vier folgenden Abfchnitte
beziehen fich auf den ,Staat Israel' und der erfte
(S. 73—87) weift darauf hin, dafs die Idee des ,Gottesbundes
' nicht erft in der deuteronomifchen Zeit aufgekommen
, fondern fchon in dem Glauben: Jahve, der
Gott Israels und Israel das Volk Jahve's', in welchem
Wellhaufen felbft ,das Fundament erkennt, auf dem zu
allen Zeiten das Gemeinbewufstfein Israels beruhte', der j
Sache nach enthalten fei. Damit ift aber auch zugleich j
die Idee der ,Theokratie' (S. 87 —92) und find die leitenden
Gedanken des ,theokratifchen Pragmatismus'
(S. 93—104) gegeben, welche demnach nicht nur als ein
Reflex fpäterer Anfchauungen in die Vergangenheit zurückgeworfen
, fondern aus dem Princip der altteftamentlichen
Religion felbft hervorgegangen find. Nachdem bei j
der Befprechung der ,theokratifchen Inftitutionen
Israels' (S. 104—130) der Bundeslade (S. 104—109), der
Stiftshütte (S. 109—118) und dem Bundesfeft (S. 118—130) 1
ein höheres Alter und eine gröfsere Bedeutung, als die
neuere Kritik anerkennen will, vindicirt worden ift, wird
fchliefslich in dem Abfchnitte über das ,Gefetz Israels'
(S. 131 —165) der Beweis angetreten, dafs bei der allmählichen
Ausbildung des Gefetzes mit der mündlichen
Tradition eine fortfchreitende fchriftliche Aufzeichnung j
fleh verbunden habe, und dafs dadurch die Zwifchen- |
räume zwifchen Mofe, der jehoviftifchen Schrift, dem
Deuteronomium und der abfchliefsendenThätigkeit Efra's
mit einem reicheren legislatorifchen Material erfüllt
worden feien.

Wir müffen uns auf diefe Angabe des Inhalts und
allgemeine Andeutungen befchränken, weil jedes Eingehen
auf Einzelnes weiter führen würde, als der Raum hier
geblattet. Der Verfaffer zeigt fleh überall beftrebt, nicht
mit Behauptungen, fondern mit Gründen zu breiten, und
bekundet dabei eine genaue Kenntnifs und fleifsige Benutzung
der altteftamentlichen Quellen. Seiner Beweisführung
wäre freilich zuweilen eine gröfsere Knappheit
und Bündigkeit zu wünfehen und diefe würde wefentlich
gefördert worden fein, wenn er der Bezugnahme auf
ägyptifche Verhältnifse und Lehren nicht einen fo breiten
Raum geblattet hätte, wie es S. 48—59, S. 117 ff., 124 ff.
und 154—164 gefchieht. Von der Technik des Ackerbaus
nicht allein, fondern auch des Cultus und auch von
Vorfchriften für das flttliche Verhalten mag ja Mofe in j
Aegypten manches gelernt haben. Schwerlich aber flieht
fein Monotheismus mit dem von polytheiftifchen Elementen
ftark überwucherten ,Urmonotheismus' der ägyp-
tifchen Theofophie in Verbindung, fondern es wird bei
dem Zeugnifs des Alten Teftamentes fein Bewenden
haben, wonach ihm fern von den Tempeln und Priefter-
fchulen Aegyptens in der Einfamkeit der Wühle der
wahre Gott Israels fleh offenbarte. Von Druckfehlern
find dem Ref. nur S. 20 ,ephraemitifch' ft. ephraimitifch,
S. 21 ,Leviftämme' ft. Leaftämme und S. 72 ,der Diction-
naire1 ft. das Dictionnaire aufgefallen; auch S. 51 war das
hebräifche Wort für ,Stab' richtiger durch matteh wiederzugeben
. Wenn nun Ref. für jetzt von dem Verfaffer
mit der Anerkennung feines redlichen, ernften und in
manchem Betrachte erfolgreichen Strebens fcheidet, fo
ift er doch im Zweifel, ob er ihn zu der in Ausficht ge-

ftellten Fortfetzung ermuntern foll. Diefe foll, nachdem
die vorliegende Schrift die ,Deftruction Wellhaufen's' be-
fprochen hat, deffen ,Conftruction' behandeln. Da aber
jene ohne fortwährende Beziehung auf diefe nicht dar-
geftellt werden konnte, fo fürchtet Ref., dafs der zweite
Theil vielfältige Wiederholung des in dem erften bereits
Gefagten nicht würde vermeiden können. Doch kann
man fich ja irren!

Leipzig. G. Baur.

Bleek, Frdr., Einleitung in die heilige Schrift. 2. Thl. Einleitung
in das Neue Teftament. 4. Aufl., beforgt von
Conflft.-R. Prof. Dr. Wilh. Mangold. Berlin,G. Reimer,
1886. (XV, 1035 S. gr. 8.) M. 13. 50; geb. M. 16. —

Ueber Inhalt und allgemeine Anlage des Werkes ift
feiner Zeit in diefen Blättern (Jahrg. 1876, S. 5 f.) von
B. Weifs fo eingehend und genau berichtet worden,
dafs der Unterzeichnete fich zunächft nur darauf ver-
wiefen fleht, die wefentlichen Fortfehritte zu bezeugen,
welche der unermüdliche Fleifs und die hervorragende
Sachkenntnifs des Herausgebers diefer zweiten unter den
von ihm beforgten Erneuerungen des ,alten Bleek' ange-
deihen liefsen. Trotzdem dafs ,die breite und bequeme
Darftellung des Collegienheftes, welche dem Buch von
feiner Entftehung anhaftet, fchon im Intereffe der Raum-
erfparnifs durchgehends präcifer gefafst ift', hat das
Ganze doch einen Zuwachs von mehr als 100 Seiten erfahren
. Nur in den ,Vorbemerkungen' macht fich diefe
Weiterung äufserlich nicht bemerklich, wiewohl gerade
hier eine höchft dankenswerthe Verbefferung ftattgefunden
hat, indem der Herausgeber unter dem Beirath feines
philologifchen Collegen Bücheler die Gefchichte der Ent-
wickelung der griechifchen Sprache bis zur neuteftament-
lichen Gräcität nach dem Stande der heutigen Forfchung
umgefchrieben hat. Auch den Collegen Ufener und Gilde-
meifter weifs fich Mangold für mancherlei Auskunft im
Einzelnen verpflichtet.

Im Uebrigen vertheilen fleh die Erweiterungen ziemlich
gleichmäfsig auf fämmtliche Partien des Werkes.
Selbft der zweite und der dritte Haupttheil, Gefchichte
des Kanons und des Textes enthaltend, find um ungefähr
20 Seiten angewachfen. Doch mufs ich bekennen, dafs
mir der letzte diefer Theile infofern am wenigften genügt,
als hier die Aufgabe, den alten Text Bleek's mit bis auf
die gegenwärtigen Refultate der Forfchung führenden
Anmerkungen zu begleiten, fichtlich faft undurchführbar
zu werden drohte. Diefer Theil verlangt, wenn der Gegen-
ftand überfichtlich und klar zu Tage treten foll, völlige
Neubearbeitung.

Höchft werthvoll ift dagegen wie fchon in der vorigen,
fo auch in der jetzt vorliegenden Auflage die Nacharbeit
zu dem eigentlichen Kern des Werkes ausgefallen. Es
würde zu weit führen, wenn ich mich an diefem Ort auf
Einzelheiten einlaffen wollte. Aber gerade der Umftand,
dafs ich gleichzeitig denfelben Stoff bearbeitet und zu
formell fo ganz verfchiedenartiger Darfteilung gebracht
habe, verleiht meinen Worten vielleicht einiges Gewicht,
wenn ich mich als auf jedem Punkte der fog. fpeciellen
Einleitung dem Herausgeber zu aufrichtigem Dank verpflichtet
bekenne. Der Fachmann wird überall von feinen
Anmerkungen Nutzen ziehen; dem Studenten aber wird
gerade der vielfache Gegenfatz, welcher zwifchen dem
grofsgedruckten Text und dem Inhalte der kleingedruckten
Zugaben befteht, die Luft benehmen, auf diefem Gebiete
an ,ein Feftes und Fertiges' zu glauben. Sehr zweckent-
fprechend und fachgemäfs war es, wenn Mangold die
Unterfuchung über die fynoptifchen Evangelien von derjenigen
über das vierte getrennt hat; noch in der 3. Auflage
erfchienen beide ineinander gearbeitet. Uebrigens
freue ich mich, gerade bezüglich der Evangelien und der
Apoftelgefchichte unfere beiderfeitigen Refultate faft