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Ausgabe: | 1882 Nr. 14 |
Spalte: | 319-320 |
Autor/Hrsg.: | Clarissa, J. |
Titel/Untertitel: | Der Dom, der Kirchenbau und die Geisteskirche 1882 |
Rezensent: | Schultze, Victor |
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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 14.
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Quellen begründet und fichergeftellt würde. Dies ge-
fchieht aber fo gut wie gar nicht. Einige Haupt-In-
ftanzen werden nicht einmal erwähnt. Man kann alfo
aus der Schrift des Verf.'s nicht die Ueberzeugung
von der Richtigkeit feiner und der herkömmlichen An-
fchauung gewinnen. Und dabei fehlt es auch trotz alles
Aufwandes von Gelehrfamkeit und trotz aller Breite und
Umftändlichkeit, mit welcher die Dinge behandelt werden
, doch an der nöthigen Akribie, fogar bei dem
Hauptpunkte. Der Verf. nimmt mit den meiden neueren
Chronologen wohl mit Recht an, dafs die Regierungsjahre
des Herodes vom 1. Nifan bis 1. Nifan zu rechnen
feien, fo dafs der Jahresbruchtheil vom Regierungsantritt
bis zum 1. Nifan, und wiederum der Bruchtheil vom
1. Nifan bis zum Todestag je als ein volles Jahr zu
rechnen wären (S. 28). In demfelben Athemzug fagt
er aber dann, das Con fulatsjahr 714 fei das erfte,
das Jahr 750 das fiebenunddreifsigfte Jahr des Herodes
gewefen (S. 29). Das ift ja eben unter jener Voraus-
fetzung nicht der Fall. Vielmehr geht dann das erfte
Jahr des Herodes bis 1. Nifan 715, das fechsund-
dreifsigfte bis 1. Nifan 750; und erft von da an läuft
das fiebenunddreifsigfte. Und der Tod des Herodes
kann nur unter der Vorausfetzung auf das Frühjahr 750
angefetzt werden, dafs er erft nach dem 1. Nifan erfolgt
ift. Denn nur dann hat Herodes, wie Jofephus
fagt, fiebenunddreifsig Jahre lang regiert. — Diefer eine
Punkt ift charakteriftifch für die ganze Arbeit. Es fehlt
bei allem gelehrten Material doch an wirklich wiffen-
fchaftlicher Exactheit. Auch die einfchlägige Literatur
ift dem Verf. offenbar nur einfeitig bekannt geworden.
Die Ausführungen über Quirinius (S. 37 ff.) verrathen
keine Kenntnifs der Arbeiten von Zumpt und Mommfen,
um von des Ref. Neuteftamentlicher Zeitgefchichte
(S. 161 ff.) zu fchweigen. Das Monumentum Äncyranum
ift S. 40 nach einem veralteten Texte citirt. — Wenn
endlich der Verf. das J. 783 als Todesjahr Chrifti
annimmt, weil im Todesjahr Chrifti der 14. Nifan ein
Donnerftag war, dies aber nur im J. 783 zutraf (S. 60),
fo verräth dies eine gröfsere Zuverficht in derartige
Kalenderberechnungen, als fie mir wiffenfchaftlich gerechtfertigt
erfcheint.
Giefsen. E. Schür er.
Clarissa, }., Der Dom, der Kirchenbau und die Geisteskirche
. Den Chriftgläubigen aller Bekenntnifse gewidmet
. Mit der inneren Anficht des Domes zu
Köln (Holzfchn.). Gütersloh 1880, Bertelsmann.
(XII, 250 S. 8.) M. 3. —
Die Veranlaffung zu diefer Schrift gab dem Verf. die
Einweihung des Kölner Domes. Sie foll ein Aufruf fein
zur Herftellung der ,wahren Kirche des Geiftes, von der
die Kirche der Steine nur das Sinnbild ift', in der aber
,alle äufseren kirchlichen Unterfchiede in Lehre und Andachtsübung
, wie in Zucht und Verfaffung geachtet fort-
beftehen mögen, fo lange ein höchfter Wille fie beliehen
zu laffen für gut findet'. In dem erften, als .Vorhalle'
bezeichneten Theile erhalten wir eine kurze Gefchichte
der Entftehung des Kölner Domes und eine Charakte-
riftik desfelben, der zweite (,das Schiff') entwickelt die
Principien, die Symbolik und die Gefchichte der kirchlichen
Baukunft; der dritte (,der Chor') handelt von der
,geiftlichen Kirche'.
Kunfthiftorifche und archäologifche Auffchlüffe darf
man in diefem, in einer feltfamen Mifchung von phan-
taftifcher Schwärmerei, überfchwänglicher und edler
Poefie und richtigem äfthetifchen Gefühle gefchriebenen
Buche nicht fuchen. Im Gegentheil, was der Verf. in
diefer Hinficht mittheilt, zeigt deutlich, dafs feine Kennt-
nifse davon über die eines für die kirchliche Baukunft
enthufiasmirten Dilettanten nicht hinausgehen. Daher
j die mannigfachen Irrthümer. Beifpielsweife fei angeführt
i die Angabe, dafs in den Katakomben gottesdienftliche
1 Orte und Taufkapellen fich befunden (S. 99. 102), dafs
i die chriftliche Bafilika aus der forenlen hervorgewachfen
! fei (107 ff.) und neben der Vorhalle ein Atrium gehabt
habe (bekanntlich erfetzte die Vorhalle, der Narthex,
das Atrium). Die Presbyter fafsen nicht in gleicher
Höhe wie der Bifchof, wie S. 110 angegeben wird; ihre
I Sitze werden bei Gregor v. Naz. als ü-qovoi ni dehtooi
bezeichnet; noch weniger gilt jenes Urtheil von den
Sitzen der Diakonen. S. 140 wird das Wort Phale aus
filiohis abgeleitet! Jedes neuere archäologifche Handbuch
hätte dem Verf. fagen können, dafs das Grundwort
phiala ift. Nicht minder verräth fich der Dilettantismus
in der abenteuerlichen Symbolik, für deren Eruir-
I ung dem Verf. eine ftaunenswerthe Phantafie zu Gebote
fleht. So lefen wir S.142 über den gothifchen Thurm: ,die
Fülle der Dreieinigkeit wohnt in Chrifto, darum erhebt
fich der Thurm in drei Stufen übereinander. Ueber dem
feilen quadratifchen Unterbau mit den gewaltigen vier
j Eck- und Strebepfeilern, fich in drer Abfätzen bis über
das Dach der Kirche erhebend — der Signatur des Vaters
— fleht der achteckige . . . Mittel- und Mittlerbau,
welcher die Glocken trägt — des Sohnes Sinnbild als
des Offenbarers oder austönenden Wortes des Vaters;
| endlich der beide krönende und verherrlichende . . . .
j Helm — des Geiftes heiliges Symbol. In dem zwifchen
feinen acht fich gegeneinander neigenden und alfo nützenden
, durch wagerechte Querbänder vereinigten Haupt-
| ftäben erblühenden Mafswerk fpiegelt fich der Reichthum
I diefes Geifies in der Siebenzahl; denn die Acht irt nur
| die Octave der Eins, mit der Sechs zur heiligen Sieben
[ verbunden, gleichwie der Sohn die Octave des Vaters
iff durch den beide erfüllenden Geift'. Man ftaunt, dafs
1 der Deutungstrieb, in dem die frühere Kunftgefchicht-
I fchreibung fo Beifpiellofes leinete, nach den fachge-
I mäfsen, verfiändigen Ausführungen von Schnaafe cGe-
fchichte d. bild. Künfie IV, I) noch einmal folche Blü-
: then treiben konnte.
Die beiden erften Theile bilden im Grunde nur die
Einleitung zu dem dritten, der als die Spitze des Ganzen
erfcheint. An der Hand des Grundbaues, Aufbaues
und Innenbaues der gothifchen Kirche und in Anknüpfung
an die im Vorhergehenden entwickelte Symbolik
I führt der Verf. aus, wie er fich die ,innere Geifteskirche'
I denkt. Ref. gefleht, dafs ihm diefe in warmem Tone
und in wohlthuender Begeifterung vorgetragenen Gedanken
des Verf.'s, der, wie er fagt, einen Standpunkt
über den Confeffionen einnimmt, nicht ganz, klar geworden
find. Seine Vorftellung feheint fich mit dem,
was man als unfichtbare Kirche zu bezeichnen pflegt, im
Wefentlichen zu decken. Mancherlei Seltfames mifcht
I fich da mit gefunden Urtheilen. In einem Anhange
(.Eine Kapelle') wird einer idealen Ehelofigkeit das Wort
1 geredet und über ,die frühe und felbftwillige Verhei-
1 rathung und Kinderzucht der Geiftlichen „evangelifcher"
Kirche' geklagt. Wir verkennen weder die Aufrichtigkeit
des Verf.'s, noch feinen Eifer, aber es feheint uns,
ganz abgefehen von feinem unklaren Standpunkte, dafs
es feiner Sache dienlicher gewefen wäre, wenn er feine
Reflexionen und Gedanken nicht in den Kölner Dom
und die gothifche Baukunft überhaupt hineingeflochten
hätte.
Leipzig. Victor Schultze.
Höniger, Dr. Rob., Der schwarze Tod in Deutschland. Ein
Beitrag zur Gefchichte des 14. Jahrhunderts. Berlin
1882, Grofser. (VI, 180 S. gr. 8.) M. 4. —
Eine Arbeit über den fchwarzen Tod fieht nicht fehr
theologifch aus, zumal wenn man als theologifch in der
Gefchichte des Mittelalters nicht viel mehr als etwa die
I Gefchichte des Dogma's, des Mönchthums und der ,Vor-