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Ausgabe:

1880 Nr. 12

Spalte:

282-284

Autor/Hrsg.:

Lüthi, E.

Titel/Untertitel:

Die Bernische Politik in den Kappelerkriegen. 2. verm. Aufl 1880

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. No. 12.

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diefen Nachweis für in allen wefentlichen Punkten gelungen
zu bezeichnen. Befonders beachtenswerth find die Un-
terfuchungen über den Kanon, welche in der That zeigen,
dafs wir berechtigt find, die betreffenden Aeufserungen
des Junilius als in wefentlicher Uebereinftimmung mit
Theodor's Anflehten ftehend anzunehmen. Die auffallende
Berufung des Junilius auf den hebräifchen Kanon
nach dem Zeugnifs des Hieronymus für die Herabfetz-
ung der BB. Chronica, Hiob, Esra (mit Nehemia), Efther
unter die Antilcgomena (auf gleiche Stufe mit Judith
und den beiden Maccab.) erklärt Kihn aus dem VVunfche
feines Gewährsmanns Paulus, die nifibenifch-theodorifche
Ueberlieferung bei den Oftrömern in möglichft günftiges
Licht zu (teilen. Unrichtig ift es aber nun gewifs, wenn
Kihn in jener fehiefen Berufung auf die Hebräer nicht
nur etwa überhaupt eine Reminifcenz an das geringere
Anfehen der jüngeren hiftorifchen Hagiographa, an das
längere Schwanken in Betreff derfelben anerkennen,
fondern diefelbe unter Berufung auf Haneberg uns dadurch
als berechtigt erklären will, dafs in der That
auch Jofephus (c. Äp. I, 8) unter die 22 kanonifchen
Bücher die Paralipomena, Esra mit Nehemia und Efther
nicht mitgezählt, überdies auch dem Buche Hiob wie
den 3 falomonifchen den Charakter der Prophetie ab-
gefprochen habe. Die Worte des Jofephus laffen diefe
Auffaffung nicht zu, da fie den Zeitraum, innerhalb
welches die nachmofaifchen Propheten das zu ihren
Zeiten Gefchehene aufgefchrieben hätten, vom Ende
Mofis bis auf Artaxerxes Longimanus erftrecken, mithin
nach Jofephus' Auffaffung (Antiq. XI, 6) nicht nur Chro-
nika und Esra mit Nehemia, fondern auch Efther ein-
fchlicfsen, da ferner nach Analogie fonftiger Zählung
unter diefe 13 prophetifchen Schriften auch Hiob gerechnet
werden mufs, und die falomon. Schriften, unmittelbar
mit den Pfalmen zufammengeftellt, eben zu den
Büchern von göttlicher Autorität gerechnet und von
den fpätern, welche wegen Mangels prophetifcher Suc-
ceffion von geringerer Autorität find, unterfchieden werden
. Ohne weiter auf einzelne fich aufdrängende Fragen
einzugehen, bemerke ich nur noch, dafs Kihn fich berechtigt
glaubt, in der Stelle I, 3 bei Aufzählung jener
Antilegomena in der hiftorifchen Gattung der alttefta-
mentlichen Schriften hinter Hiob auch das Buch Tobias
cinzufchieben, welches fonft ganz übergangen fein
würde. Er thut dies auf Grund eines einzigen, allerdings
eines fehr beachtenswerthen Codex, des dem 9.
Jahrh. zugewiefenen Ambrofianus; ich zweifle doch ob
mit hinreichender Berechtigung. — Was die Beurtheil-
ung von Theodor's Stellung und Theologie betrifft, fo
verzichten wir darauf, in eine Discuffion über eine
gröfsere Anzahl einzelner Punkte einzugehen, die uns
anfechtbar fcheinen. Auch Kihn reproducirt noch (S.
43 f. 427) die aus einem blofsen Mifsverftand einer Stelle
des Marius Mercator hervorgegangene Angabe, dafs
Theodor von Mopfueftia auf der Synode in Cilicien die
Lehre Julian's von Eclanum verworfen habe; das Richtige
findet fich fchon bei Fritzfche, de l'heod. lMopsv.
p. 114 f. Auf einen auffälligen Mangel weift die Notiz
S. 59 A. hin: .Neueftens hat Jacobi Halle 1855. 1856,
PTagmente (sc. Theodor's) zum Philipper- und Koloffer-
brief bekannt gemacht', welche zeigt, dafs dem Verf.
der durch Jacobi (Deutfche Zeitfchr. f. ehr. L. u. ehr.
W. 1854) aufgedeckte wahre Werth der von Pitra im
Spicilegutm Solcsvi. I unter des Hilarius Namen veröffentlichten
Commentare zu den kleinern paulin. Briefen ganz
verborgen geblieben ift, zum Schaden feiner Arbeit, denn
er hätte an mehr als einer Stelle wichtige Belege aus
diefen Commentaren erheben können.

Kiel. W. Möller.

Liithi, Kantonsfchullehr. E., Die Bernische Politik in den

Kappelerkriegen. Mit einem (lith.) Croquis des Kriegs-
fchauplatzes von Kappel. 2. verm. Aufl. Bern 1880,
Wyfs. (V, 102 S. gr. 8.) M. 2. —

Nach einer kurzen Skizzirung der reformatorifchen
Bewegung in Bern bis zu ihrem Siege in der Disputation
vom Jan. 1528 (S. 1 —19) wird der Zwiefpalt ge-
fchildert, den diefe Entfcheidung im Innern der Bürgerfchaft
und des Landvolks verurfachte, und fodann dem
gefährlichften Ausbruch desfelben im Oberländer Aufwand
eine eingehende Darfteilung gewidmet (S. 20—34).
Diefer war infolge der Betheiligung Unterwaldens und
andrerfeits der von Zürich empfangenen Hilfe die Ver-
anlaffung, dafs Bern aus feiner bisherigen vermittelnden
Stellung heraustrat und fich enger an Zürich anfchlofs
(S. 34). Aber die Hoffnungen, welche die Zürcher nun
fofort für ihre aggreffive Politik daran knüpften, waren
vergeblich; trotz feiner Verftimmung wollte Bern in die
von Zürich vorgefchlagene Vergewaltigung Unterwaldens
nicht einwilligen und blieb überhaupt feinen beiden
wiederholt ausgefprochenen Grundfätzen treu, dafs es
unangegriffen fich nicht mit den Eidgenoffen in einen
Glaubenskampf einlaffen wolle und dafs man niemals
mit Schwert und Hellebarde den Glauben in die Herzen
pflanzen könne (S. 42.45); es widerfetzte fich deshalb auch
gegenüber den aufreizendftenProvocationen von Seiten der
katholifchen Orte dem von Zürich angeftrebten Glaubenskrieg
und vereitelte dadurch allerdings die von diefem
letzteren an einen folchen Krieg geknüpften Eroberungsplane
, hätte aber, wenn fein Rath durchgedrungen wäre,
nur um fo ficlicrer der evangelifchen Ueberzeugung durch
die Eidgenoffenfchaft hin freie Bahn gefchaffen. Allein ,die
Zürcher haben einen ausgefprochenen Hang zum Fanatismus
' (S. 35), und namentlich in Zwingli fleht der
Verf. denfelben verkörpert; ,fein Glaubenseifer kannte
keine Ruhe, bis der letzte Katholik vom Schweizerboden
verfchwunden war' (S. 53), und was hier noch dem
Glaubenseifer zugefchrieben wird, das wird an andern
I Stellen auf feinen Ehrgeiz und feine Herrfchfucht zurückgeführt
. ,Warum follten die armen Länder nicht auch
zu feinen Füfsen liegen, wie der reiche Vorort', heifst
| es z. B. S. 36. So that er denn auch nach dem Land-
1 frieden von 1529 fein Möglichftes, um durch Rechtsverletzungen
und Aufreizungen der Katholiken den von ihm
gewünfehten Religionskrieg herbeizuführen, fchlug alle
Warnungen und Friedensmahnungen Berns in den Wind
und fuchte, um nicht länger durch deffen friedfertige
Politik gehindert zu fein, in den bekannten Verbindungen
mit auswärtigen Mächten die nöthige Hilfe (S. 53 f. 59).
Aber fein gewaltthätiges, auf Trennung der Eidgenoffen-
fchaft und brutale Unterdrückung der Schwachem hinzielendes
Verfahren fand je länger je mehr nicht blofs
bei den verbündeten eidgenöffifchen Ständen, fondern
auch in Zürich felbft, wo die alten Zuflände noch immer
im Stillen viele Freunde hatten, Mifsbilligung und Wi-
derftand; als die zur Verzweiflung getriebenen 5 Orte
den zweiten Kappeler Krieg begannen, war die Kraft
Zürichs durch die Uneinigkeit der Parteien und die Unfähigkeit
der Heerführer gebrochen, und ebenfo war
nach der dadurch herbeigeführten Niederlage der Zürcher
auch Bern bei der Unluft feiner Unterthanen zum
Krieg und bei der gefährdeten Lage im Süden aufser
Stande das Uebergewicht der evangelifchen Stände wie-
derherzuftellen; noch während fein Heer im Felde ftand,
liefs fich das eingefchüchterte Zürich von feiner eigenen
Landfchaft zu einem Friedensfchlufs zwingen, der einen
Theil der Unterthanenlande preisgab und in deffen
demüthigende Bedingungen bald auch Bern, wollte es
nicht fein Heer in allgemeiner Defertion fich auflöfen
fehen, ,mit grofsem Schrecken und Herzeleid und be-
fonderem Mifsfallen ab der Unferen Ungehorfam und
dero von Zürich Handlung' einwilligen mufste (S. 94).