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Ausgabe:

1879 Nr. 4

Spalte:

80-82

Autor/Hrsg.:

Bright, Will.

Titel/Untertitel:

Chapters of early English Church History 1879

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 4.

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Heilslehre und insbefondere der Eschatologie mit in wie dasfelbe bei Paulus nur ein ,Fluch- und Strafopfer

ihren Rahmen aufnimmt, fo fehlt es fchon hier nicht an für die Juden, die es vom ,Opferfluche' erlöft, für die

ftarken Wiederholungen. Dazu kommt, dafs das Chriftus- Heiden dagegen ein im Innern jedes Gläubigen noch

bild des Petrus zuerft nach der Pfingftrede, dann nach immer fich wiederholender geheimnifsvoller Vorgang und

den übrigen Petrusreden, endlich nach dem erften Petras1 damit ein Reinigungsmittel von dem Ausfatz der Sünde

briefe gezeichnet wird, dafs ebenfo das Chriftusbild in ift, wie felbft in den Gefangenfchaftsbriefen fich Paulus

jedem einzelnen der paulinifchen briefe gefondert dar- wohl ausfchliefslich an den himmlifchen Chriftus hält

geftellt wird, was dann immer wieder zufammenfaffende und in ihm die Idee des Univerfums und das ewige Haupt

Rückblicke nothwendig macht, die in einer eigenen Schlufs- der Chriftengemeinde zufammenfehaut, aber von einer

betrachtung zufammengefchloffen werden. Es kann hier- Präexiftenz fo wenig weifs, wie der Hebräerbrief, deffen

nach nicht fehlen, dafs diefelben Dinge in ermüdender Chriftusbild fich nur bei dem .minder Kundigen' in me-

Breite oft wiederholt befprochen werden. Schon der taphyfifchen Schein verliert, wie im letzteren der Tod

Titel hebt die Darfteilung ,aus den Quellen' hervor, und Jcfu ausfchliefslich eine Kraftquelle fittlichcr Reinigung,

das Vorwort betont mit Nachdruck die .zuverläffige wie das Chriftusbild der Apokalypfe zwifchen Gottheit

e-

Quellenbenutzung'. Das befagt aber thatfächlich nur, und Menfchheit fchwankt und felbft das vierte Evan^
dafs der Verf. für feine rein thetifche Darftellung meift lium wohl die Göttlichkeit, aber nicht die Gottheit Chrifti
lediglich auf die Quellen verweilt und von einer Aus- lehrt und mit dem Paraklet nur den geiftlebendigen,
einanderfetzung mit anderen Anflehten, ganz unerheb- fortwirkenden, verklärten Chriftus meint. Wir follten erhöhe
Ausnahmen abgerechnet, abfieht. Wenn man da- warten, folche überrafchende Rcfultate würden eingehend
gegen dabei an eine eingehendere Unterfuchung der begründet und gegen die abweichenden Auffaffungen
Quellen, insbefondere an eine tiefere exegetifche Be- vertheidigt werden. Aber wir hören, abgefehen von

gründung feiner Auffaffung derfelben, denken wollte, fo
würde man fich fehr getäufcht finden. Was dergleichen
fich hie und da in den Anmerkungen findet, ift von
einer oft unglaublichen Dürftigkeit und Willkürlichkeit,
und entfpricht höheren wiffenfehaftlichen Anfprüchen fo
wenig, wie die oft ftark rhetorifch gefärbte und der
wiffenfehaftlichen Schärfe und Klarheit nicht feiten ermangelnde
Darftellung des Textes.

Leider entbehrt darum auch das, wodurch man
fich in den gefchichtlichcn Anfchauungen des Verfaffers
angefprochen fühlt, gar zu fehr der tieferen Begründung,
als dafs man fich davon eine namhafte Einwirkung auf
den Flntwicklungsgang der wiffenfehaftlichen Forfchung
verfprechen dürfte. So fehr die entfehiedene Verfetzung
des vierten Evangeliums in einen verhältnifsmäfsig fpä-
ten Zeitpunkt gegen die Mitte des 2. Jahrh. den Verf.
auf die Seite der negativ kritifchen Theologie zu ftellen
fcheint, fo felbftändig nimmt er doch ihr gegenüber
Stellung in der Frage wegen des Verhältnifses der Ur

ganz kurzen, oft recht inhaltsleeren polemifchen oder
apologetifchen Anmerkungen, nur immer wieder, dafs
man bisher die apoftolifchen Schriften mit dogrnatifcher
Brille gelefen habe und dafs der Verf. fie erft gefchicht-
lich erklärt. Schon in der Einleitung fchilt derfelbe
über die grofse Unklarheit der Ausleger, bei denen Kategorien
, wie ,reale und ideale Präexiftenz' u. ähnl.
.durcheinander fchwirren', obwohl diefelben gewifs nicht
auf Rechnung des Paulus zu fehreiben feien. Meines
Wiffens find diefe künftlichenUnterfcheidungen überhaupt
nur von folchen gemacht, die, wie der Verf., die Prä-
exiftenzlehre aus der Schrift herausexegeliren wollen;
die Frage aber, ob Paulus Chriftum als ein vorweltliches
Wefen gedacht habe, ift doch gar nicht zu umgehen
und von dem Verfaffer mit aller wünfehenswerthen
Klarheit verneint worden. Im Uebrigen dürften doch
gerade feine Diftinctionen von Göttlichkeit und Gottheit
, feine Anwendung des Opferbegriffs, feine Benutzungen
Neuteftamentlicher Stellen u. A. oft genug

apoftel zu Paulus, das er keineswegs als gegenfätzliches j gar fehr der wiffenfehaftlichen Schärfe ermangeln. Wenn
auffafst. Der erfte Petrusbrief ift echt und an Juden- I es S. 373 heifst, der Logos fei fo innig mit Gott ver-
chriften gerichtet. Die paulinifchen Gefangcnfchafts- j einigt, dafs ,er felbft ein göttliches Prädicat wird', und
briefe werden vertheidigt, die Apoftelgefchichte ift keine ; S. 380 dafs dem Logos ,nur das Prädicat, nicht das
tendentiöfe Gefchichtsfälfchung, die Apokalypfe und der 1 Subject „Gott" beigelegt' wird, wenn wir S. 391 lefen, dafs
lacobusbrief find zwar gegen den Paulinismus, aber nicht I Chriftus bei Johannes wohl leiblich, aber nicht perfönlich
gegen die Perfon des Paulus gerichtet. Der Verf. geht '. geftorben fei, oderS.408, dafs beiJohannes die menfehliche
fogar fo weit, dafs er feine faft vergeffene Hypothefe j Erfcheinung Chrifti nur der Schleier fei, der den himm-
von einer theofophifch-fchw ärmerifchen Chriftuspartei in ■ lifchen Strahlenglanz dämpfen foll, damit das Auge der
Korinth, die mit dem judaiftifchen Gegenfatz gegen Paulus irdifchen Menfchen nicht erblinde, fo find das nur zu-
nichts zu thun habe, im Wefentlichen erneut und dafs j fällige, aus dem Schluffe herausgegriffene Beifpiele von
er die wörtliche Authentie der Reden in der Apoftelge- ; unklaren Phrafen, dergleichen (ich faft aus jedem Ab-
fchichte in einem Umfange vorausfetzt, der auch den be- | fchnitt zufammenfuchen laffen. Eine Bemerkung aber,
fonnenften Kritiker bedenklich machen mufs, zumal er ! wie die Anm. i auf S. 313, dürfte doch das Aeufserfte
daneben mit den Nachrichten derfelben oft recht im I fein, was man nach diefer Seite hin leiften kann. Trotz

Stil der modernen Kritik aufräumt. Doch wie ge-
fagt, das Alles, was man gern neeeptiren möchte, wie
das, was man beftreiten mufste, fchwebt ziemlich
in der Luft. Man lieht, wie fich der Verf. die Dinge
zurechtgelegt hat, und wird nicht beftreiten, dafs er uns

allem Pochen auf Gefchichtlichkeit wird es fchliefslich
wohl Niemandem entgehen, dafs es fich hier um einen
wohlgemeinten Verfuch des Verf.'s handelt, fein Chriftus-
bild in die Neuteftamentlichen Schriften hineinzutragen
und unter Anerkennung von allerlei phantaltifchem Beiein
hübfeh abgerundetes Bild giebt. Aber von eigent- ! werk, das als den Kern der Sache nicht berührend
'icher Begründung ift doch kaum die Rede, und feine j durch den gefchichtlichcn Procefs ausgefchieden werden
theologifchen Analyfen der einzelnen Schriften geben oft; kann, in feinen Hauptzügen aus ihnen zu begründen,
ein Bild, dem man Zug für Zug widerfprechen müfste. Dadurch hat das ganze Buch freilich einen warmen
Dafs überall die Stellencitate pünktlich unter dem Text lebensvollen Ton, aber auch eine ftark fubjective Färbung
erhalten.

Berlin. Dr. Weifs.

ftehen, ift ja kein Beweis feiner Richtigkeit; man kann
bekanntlich auch viel in den Text hinein lefen und das
Befte aus ihm unberückfichtigt laffen.

Dafs aber der Verf. das wirklich thut, tritt uns denn i Bright, Prof. D. D. Will., Chapters of early English Church

freilich in dem zweiten Haupttheil auf Schritt und Tritt ! History> üxford lS?8 at the Clarendon Press. Lon-

mit unzweifelhafter Klarheit entgegen. Mit (teigendem , L 11 o r> rvx L c q n n

Erftaunen lefen wir, wie das Todesleiden Jcfu bei Petrus j don' Ma«nillan & Co. (XI, 460 S. gr. 8.J Cloth.

durchweg nur als ein fittlich vorbildliches aufgefafst, Das Buch ift entftanden aus Vorlefungen, welche