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Ausgabe:

1878

Spalte:

10-12

Autor/Hrsg.:

Schaff, Philip

Titel/Untertitel:

Bibliotheca symbolica ecclesiae universalis. The Creeds of Christendom, with a history and critical notes. 3 vols 1878

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Thcologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 1.

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ein Mittel zur Befriedigung von Hcrrfchfucht und andern
niedern I.eidenfchaften, fondern eine heilige Sache innern
Dranges'. ,Er fteht da als ein achtungswcrther Kirchen-
fürft, der es verfchmähte, mit weltlichen Zwangsmitteln j
die Gewiffen feiner Diöcefanen zu unterdrücken, und der |
mit leichtem Herzen feiner Ueberzeugung die Herrfchaft
über eines der fchönften und reichften Fürftenthümer
opferte' (S. 377, vgl. S. 552). Später ift Hermann
dann freilich von Anderen in eine antirömifche Richtung,
zum förmlichen Bruch mit der alten Kirche getrieben
worden, von Männern, die es ,verftanden, den Erzbifchof
allmählich mit den Grundfätzen der Neuerer zu befreunden
und ihn langfam dahin zu bringen, wo er mit Abficht
und Bewufstfein die Gränze zwifchen heilfamer Reform
und radiealer Revolution überfchritt' (S. 392). Doch
ift anzuerkennen, dafs auch ,die Cölnifchen Gelehrten
und Theologen' felber Schuld getragen haben an diefer
Wendung: den Beftrebungcn des Erzbifchofs traten ,in
den mafsgebenden Kreifen' /Befangenheit und Vorur-
theil lähmend und hindernd in den Weg': ,die Scheiterhaufen
Clarenbach's und Fliefteden's warfen noch immer
ihre düftcren Schatten in das geiftige Leben der Stadt
und Diöcefe Cöln. Wo man Ciarenbach verbrannte,
war an eine vorurtheilslofe Würdigung der reformatori-
fchen Beftrebungen nicht zu denken' (S. 410).

Aehnlich ift der Standpunkt, von dem aus Drouven
,die Reformation in der Cölnifchen Kirchenprovinz'
dargeftellt hat (vgl. S. 8, 12, 26, 87, 95, 405 . Mit Wahrheitsliebe
und Gcrechtigkeitsfinn nimmt er fich — bei
aller fonftigen Zurückhaltung — doch gelegentlich des
Erzbifchofs gegen Verdächtigungen und falfchc Anklagen
an (vgl. S. 87, IOI; einmal auch Butzer's, S. 113), tadelt
die Rückfichtslofigkeit feiner Gegner (vgl. S. 157, 275 f.)
und vermag der ,religiöfen Ueberzeugungstreue' Her-
mann's und feiner Anhänger feine Theilnahme nicht zu I
vertagen (vgl. S. 274, 358, 406). Genug, ein Geift wohl-
thuender Milde und fittlichen Ernftes durchweht diefes
Buch, ein Vorzug, der doppelte Anerkennung verdient
unter den heutigen Verhältnifsen, in denen der Terrorismus
der Ultramontanen jede freie Aeufserung die- j
fer Gefinnung einem katholifchen Geiftlichen doppelt
erfchwert Uebrigens aber mufs dem Verf. fein Beruf, j
als Gefchichtfchreiber der Cölnifchen Reformation auf- '
zutreten, leider abgefprochen werden. Will man auch
von der Formlofigkeit feiner Darftcllung abfehen, welche
in den Hauptpartien des Buches oft nur in einer lofen
Aneinanderreihung von Auszügen aus Actenftücken be-
fteht; will man auch die zahlreichen Ungenauigkeiten,
namentlich in den einleitenden Capiteln (S. 8—79) und
in den allgemeinen Ausführungen (wie z. B. S. 96—110), |
dem Verf. zu gute halten, obgleich einzelne Irrthümer
fein Wiffen in ein bedenkliches Licht ftellen (man vgl. j
S. 112, wo von ,dem Kanzler Gcrfon, deffen Nachfolger j
d'Ailly' die Rede ift) — fo kann doch die Thatfache nicht 1
überfehen werden, dafs das ganze Buch, welches, laut
der Titelangabe, ,nach neuen, bis jetzt theils unbenutzten
, theils unbekannten Quellen bearbeitet' fein will,
feine Entftehung einem für feinen wiffenfehaftlichen Werth
verhängnifsvollen Irrthum verdankt. Der Verf. hat
nämlich, wie er uns in der Vorrede mittheilt, .zufällig
ein Urkundenbuch aus der Abtei Brauweiler entdeckt, '
welches das [bei feinen Vorgängern Deckers und Ennen] ;
noch fehlende Material ergänzt'. Mit Hülfe der hierin
enthaltenen Urkunden ift es dem Verf., wie er meint, I
.gelungen, alle Lücken, welche bis jetzt in der Reforma- I
tions-Gcfchichte der Cölnifchen Kirche offen gelaffen
waren, auszufüllen und diefe . . . fchr intereffante und
lehrreiche Gefchichte in ein klares Licht zu ftellen'. In |
der That wird diefes Brauweiler .Urkundenbuch' von j
S. 116 bis 379 etwa 80 Mal angezogen und liefert dem I
Verf. den Hauptftoff für feine umfangreichen Quellenauszüge
. Leider ift es ihm entgangen, dafs die von ihm
für unbenutzt gehaltenen Stücke feines .Urkundcnbuchs* |

zum gröfsten Theil Abfchriften alter Drucke find,
von denen fchon Salig (Hiftorie der Augsp. Conf. L
1730, S. 541—544) eine ftattliche Reihe, welche ihm auf"
der Wolfenbütteler Bibliothek vorlagen, aufgeführt hat
und welche ihrer überwiegenden Mehrzahl nach auch von
Enncn benutzt find, allerdings meiftens nur ganz fum-
marifch als .Druckfchrift im Stadt-Archiv' citirt. Es bedarf
daher kaum der Bemerkung, dafs unter diefen Uralländen
die neuen Auffchlüffe Drouven's auf ein fehr geringes
Mafs zufammenfehrumpfen, indem er der Hauptfache
nach nur ein jedem Forfcher längft bekanntes Material
für feine oben gekennzeichnete Darftcllung benutzt
hat.

Bei diefer Sachlage wird auch die Wahrnehmung
nicht überrafchen, dafs Drouven fich auch mit den neueren
reformationsgefchichtlichen Forfchungen und Darftellungen
, fo weit fie feinen Gegenftand mehr oder weniger
beftimmt berühren, nur in fehr geringem Mafse
bekannt gemacht hat: Deckers (Hermann von Wied.
Cöln 1840 und Ennen (Gefchichte der Reformation im
Bereiche der alten Erzdiöcefe Cöln. 1849 una" Gefchichte
der Stadt Cöln IV) kennt und verwerthet er allerdings:
Enncn's Cöln. Gefch. ift fogar ftark ausgebeutet worden,
mitunter felbft ohne Angabe der Quelle faft wörtlich aus-
gefchrieben; auch die bekannte ultramontane .Gefchichte
der Einführung des Proteftantismus im Bereiche der
jetzigen Provinz Weftfalen' von dem Pfarrer H. Kämpfen
ulte ift nicht feiten zu Rathe gezogen. Dagegen hat
Drouven nicht einmal Ranke eingesehen: die beiden
Citate aus Ranke S. 235 und 364 dürfen nicht irre
führen; beide find aus Ennen (IV, 482, 514) entlehnt,
wie fchon aus den an beiden Stellen mit herübergenommenen
Druckfehlern hervorgeht; dasfelbe gilt von der
Anführung Krafft's S. T02.

Trotz alledem bezeichnet ein namenlofer Recenfent
in dem .Literar. Centraiblatt' (1877 Nr. 18) das Buch als
,ein werthvolles' und bezeugt, dafs »der Verf. in der
Lage ift, durch neu aufgefundene archivalifche (!!) Schätze
das Bild des Fürften nach allen Seiten hin zu ergänzen
und ihn zu ,retten'o. .

Man vgl. dagegen die Rccenfionen von Cardauns,
Liter. Rundfchau 1876 Nr. 9, und C. Kraf ft, Theol. Arbeiten
aus dem rhein. wiffenfchaftl. Prediger-Verein III
(1877) S. 114 f (Ennen's Anzeige von Drouven im Theol.
Literaturblatt 1876, Nr. 13 ift werthlos).

Marburg. Th. Brieger.

Schaff, Prof. Philip, DD. EL. D., Bibliotheca symbolica
ecclesiae universalis. The Creeds of Chriftendom, with
a history and critical notes. 3 vols. New-York 1877,
Harper & Brothers. (XIII, 941; VII, 557 a. VII, 880p.
gr. 8.) Cloth. 4 15. -

Ein vorzüglich ausgeftattetes amerikanifches Werk,
wie wir es der Anlage nach in Deutfchland nicht befitzen,
aber in einer Ausführung, die doch feinen Werth für uns
wefentlich befchränkt. Die Sammlung ift zunächft für
Amerika berechnet, denn, bemerkt der Vfr., in diefem
Lande, in welchem Leute von allerlei Bekenntnifsen fich
täglich berühren, follte das Studium der vergleichenden
Symbolik noch viel aufmerkfamer getrieben werden, als
bisher. Zu dem Zwecke hat er nicht nur die Bekennt-
nifse der Hauptthcilkirchcn gefammelt, fondern auch diejenigen
aller bedeutenderen Sekten beigefügt. Hierin
beftcht ein wirklicher Vorzug des Werkes. Doch treten
dem freilich wieder mancherlei Lücken und Unvollkom-
menheiten gegenüber.

Bd. 2 und 3 enthalten die Bekenntnifse {the creeds of
Christendom). Der 2. Bd. bringt zuerft die Scrifturc Con-
fessions, nämlich das Bekenntnifs des Nathanael Joh. I,
50, des Petrus Matth. 16, 16; Joh. 6, 68, des Thomas Joh.
20, 28; die Taufformel, das Bekenntnifs des Kämmerers