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Ausgabe:

1878 Nr. 9

Spalte:

207-208

Autor/Hrsg.:

Werner, Coßmann

Titel/Untertitel:

Johann Hyrkan, ein Beitrag zur geschichte Judäas im zweiten vorchristlichen Jahrhundert 1878

Rezensent:

Schürer, Emil

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207

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 9.

208

befondere. Dann wird der Begriff des nvsvfia, namentlich
auch in feinem Verhältnifs zu tyi-yj,, xagdla und
vovg, befprochen und hier gerade in feiner einfachen Benutzung
im anthropologifchenGegenfatz gegen denKörper
eine eigenthümlich paulinifche Abweichung vom ATlichen
Sprachgebrauch conftatirt, während die reiche Ausbildung
der Lehre vom Geift im religiöfen Sinne (der durchaus
immateriell gedacht ift) doch nur als erweiterte Anwendung
des altteftamentlichen Geiftesbegrififs, nicht als
Erfüllung desfelben mit neuem Inhalt aufgewiefen wird.
Hinfichtlich des udpf-Begriffs kommen nun zunächft die
Stellen in Betracht, wo er nur die vergängliche, irdifche
Exiftenzweife, das gefchöpfliche Wefen des Menfchen
bezeichnet, wobei neben manchem, was hier meiner Anficht
nach nicht hergehört, befonders eingehend Rom. 1,
3 f. befprochen wird. Dann wird in überaus feffelnder
Unterfuchung dargethan, dafs die ötfpf auf intellectuellem
Gebiet zwar unfähig ift, das Göttliche zu erkennen, aber
nothwendiger Weife irrend nur, wennfie ihre Erkennt-
nifsthätigkeit auf göttliche Objecte richtet. Nachdem fo-
dann durch eine eingehende thetifche und polemifche
Erörterung von Rom. 8, 3, 5, 12—14 gezeigt, dafs die
(Tßg| Chrifti ohne Sünde war, ebenfo wie die Menfchheit
und der einzelne Menfch im Kindheitszuftande, wird
nun auch nach der fittlich religiöfen Seite dargethan,
dafs die r/dgf nicht an fich fündig ift, fondern nur em-
pirifch, weil und fofern fie die ihr unmögliche Erfüllung
des göttlichen Willens mit eigenen Kräften unternimmt,
wobei auch das Verhältnifs des Gefetzes zur Sünde fehr
eingehend befprochen wird.

Wir haben den Lefer lieber mit dem Inhalt des
Schriftchens bekannt machen wollen , als gegen die
zwar oft fehr disputabeln, aber immer wohl begründeten
Darftellungen des Verf.'s einen Widerfpruch einlegen
, dem der hier gegebene Raum doch eine ihrer
würdige eingehende Begründung nicht geftatten würde.

Berlin. Dr. Weifs.

Werner, Dr. Cofsmann, Johann Hyrkan, ein Beitrag zur
Gefchichte Judäas im zweiten vorchriftlichen Jahrhundert
. Wernigerode 1877, Angerftein. {61 u. 28 S.
gr. 8.) M. 2. —

Der Verf. hat fich mit redlichem Fleifse bemüht,
eine möglichft vollftändige Darfteilung der Gefchichte
Johannes Hyrkan's zu geben. Selbft eine fo werthlofe
Quelle wie das arabifche Makkabäerbuch ift nicht unberücksichtigt
geblieben. Aber irgend ein neues Refultat
ift dabei nicht zu Tage gefördert worden. Auch neue
Gefichtspunkte würde man vergeblich fuchen. Die Dar-
ftellung ift unglaublich unbeholfen, breit und wortreich.
Für die Wiffenfchaft wäre es jedenfalls kein Verluft ge-
wefen, wenn diefes speeimen eruditionis ungedruckt geblieben
wäre. — Trotz des Fleifses, welchen der Verf.
auf feine Arbeit verwendet hat, hat er übrigens die ein-
fchlägige Literatur doch nicht ganz vollftändig benützt.
Namentlich ift ihm von Mendels fohn nur deffen erfte
Differtation über Jos. Antt. XIV, 8, 5 (Ups. 1873 bekannt
. Die gerade für die Zeit Hyrkan's hauptfächlich
in Betracht kommende Commcntatio De senati consultis
Romanorum ab Joseplio Antiq. XIII, 9, 2; XIV, 10, 22
relatis, Lips. 1874 (auch in Ritfchl's Acta Societatis
philologae I.ipsicnsis T. V. 1875,/. 123—158, vgl. Theol.
Litztg. 1876, 392 f.), ift ihm offenbar nicht zu Geficht
gekommen, obwohl er Gutfchmid's Recenfion derfelben
im Lit. Centralbl. citirt (Anm. 112). Infolge deffen ift
auch das über Antt. XIV, 10, 22 Gefagte (S. 35 f.) ganz
ungenügend. — Verfehlt ift die Hypothcfe, dafs Jofephus
die I Makk. 16 fin. erwähnte Chronik der Gefchichte
Hyrkan's benützt habe (S. 13). Wenn dies der Fall
wäre, könnte fein Bericht nicht fo überaus dürftig fein.
Augenfchcinlich hatte Jofephus für die Gefchichte Hyrkan
's und der fpäteren Hasmonäer nur zwei Quellen:
Nicolaus Damascenus {Antt. XIII, 8, 4) und Strabo 'Antt.
XIII, 10, 4). Die beiden Legenden Antt. XIII, 10, 3
und 10, 5—6 flammen aus der mündlichen Tradition
und find hieraus entweder von Jofephus oder fchon von
Nicolaus Damascenus in den im Uebrigen aus nicht-
jüdifchen Quellen flammenden Bericht cingefchaltet. —
Auf unkritifcher Benützung talmudifchen Materiales beruht
die Anficht des Verf., dafs Johannes Hyrkan gegen
Ende feiner Regierung wieder ,ein Freund und Gönner
der Eharifäer' geworden fei (S. 54 ff.). Jofephus fchil-
dert deutlich den Bruch Hyrkan's mit den Pharifäern
als einen definitiven.

Die typographifche Ausftattung der kleinen Schrift
ift mangelhafter als man es heutzutage auch von einer
befcheidenen Druckerei erwarten darf.

Leipzig. E. Schür er.

Baerwald, Dr. A., Josephus in Galiläa, fein Verhältnifs
zu den Parteien, insbefondere zu Juftus von Tiberias
und Agrippa II. Breslau 1877, Koebner. 63 S. gr. 8.)
M. 1. 20.

Die Monographie Baerwald's behandelt ihrem Umfange
nach genau denjenigen Zeitraum in dem Leben
des Jofephus, welchen er felbft in feiner Vita näher be-
fchrieben hat: die Zeit feiner kriegerifchen Rüftungen in
Galiläa im Winter 666y n. Chr. Eingehender ift dabei, wie
der Titel andeutet, das Verhältnifs zu Juftus von Tiberias
und Agrippa II in's Auge gefafst. Der Verf. geht von
der richtigen Anfchauung aus, dafs der Bericht des
Jofephus in manchen Punkten, namentlich was die Par-
teiverhältnifse und die Stellung des Jofephus zu ihnen
anlangt, ein wefentlich entftellter ift; und dafs dem
Hiftoriker fomit die Aufgabe erwächft, ihn mitteilt der
von ihm felbft berichteten Thatfachen zu rectificiren.
Leider wird man aber nicht behaupten können, dafs dem
Verf. die Löfung diefer Aufgabe gelungen fei. Er folgt
vielmehr dem Jofephus gerade da, wo er am entfehie-
denften entftellt hat, nämlich in der Charakteriftik des

I Juftus von Tiberias, den B. ganz im Anfchlufs an Jo-

! fephus als einen Eiferer für die Sache der Revolution
darfteilt (S. 24 f.), wobei es fich feltfam genug ausnimmt
, dafs B. von Denjenigen, welche an Jofephus Kritik
üben, behauptet, dafs fie den Angaben des Jofephus
,blindlings folgen' (S. 22). Seine eigenen Wege geht B.
in der Charakteriftik des Agrippa II. Diefer war

| nämlich nach B., auch nachdem er fich äufserlich den

j Römern angefchloffen und feine Truppen dem römifchen
Feldherrn zur Verfügung geftellt hatte, im Grunde feines
Herzens noch jüdifch gefinnt (S. 34 ff-), ja im Geheimen
für die Sache der jüdifchen Erhebung thätig, ,wic nur

I irgend Einer' (S. 60—63)!! Davon weifs nun freilich
Jofephus nichts; es ift aber auch ficher das Gegentheil
davon wahr. — Da es fich nicht lohnen würde, dem
Verf. im Einzelnen auf feinen Irrwegen zu folgen — es
finden fich auch fonft noch hie und da fchiefe Auffafs-
ungen und Incorrectheiten — fo möge es geblattet fein,
zur Begründung unferes obigen Urtheils die Parteiftell-

! ung des Juftus von Tiberias mit Hülfe des von Jofephus
gebotenen Materiales näher in's Auge zu faffen,
was bisher noch nicht in genügender Weife gefchchen ift.
Aus den Andeutungen der Vita erhellt zunächft dies,

! dafs Juftus von Tiberias in feiner Darfteilung der Kriegs-
ereignifse die Schuld an der revolutionären Haltung feiner
Vaterftadt dem Jofephus und ,den Galiläern' zuge-

[ fchrieben hatte. Nicht freiwillig, fondern gezwungen
habe fich Tiberias der Revolution angefchloffen {Vita
65, ed. Bekker 340, 10 sq. 341, 24. 31 sq.). Dem gegenüber
geht nun die Tendenz der Vita dahin, vielmehr
den Juftus als einen Hauptagitator für den Krieg dar-

| zuftellen. Wiederholt behauptet Jofephus, dafs gerade er,