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Ausgabe:

1877

Spalte:

218-223

Autor/Hrsg.:

Uhrig, Adam Jos.

Titel/Untertitel:

Bedenken gegen die Aechtheit der mittelalterlichen Sage von der Entthronung des Merovingischen Königshauses durch den Papst Zacharias 1877

Rezensent:

Zoepffel, Richard

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er.

Erfcheint preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 9.

28. April 1877.

2. Jahrgang.

Zahn, Das Gefetz Gottes nach der Lehre und
der Erfahrung des Apoftel Paulus (Wold.
Schmidt).

Uhrig, Bedenken gegen die Aechtheit der mittelalterlichen
Sage von der Entthronung des
Merovingifchen Königshaufes durch den Papst
Zacharias (Zoepffel).

Lorenz, Drei Bücher Gefchichte und Politik
(Zoepffel).

Luther's Sämmtliche Werke 16. Bd. [Ver-
mifchte Predigten 1. Bd.] 2. Aufl. (Plitt).

Mezger, Gefchichte der deutfchen Bibelüher-
fetzungen in der fclnveizerifch-reformirten
Kirche (Stähelin).

Welch, Faith and Modern Thought (Kaftan).

Göring, Lieber die menfchliche Freiheit und
Zurechnungsfälligkeit (Herrmann).

Portig, Religiöfe Reden über die Grundwahrheiten
des Chriftenthums (Pünjer).

Zur Literatur der innern Miflion (Lehmann).

Zahn, Dompred. D. Adph,, Das Gesetz Gottes nach der
Lehre und der Erfahrung des Apoftel Paulus. Halle
1876, Mühlmann. (106 S. gr. 8.) M. 2. —

Wie fchon im Titel angedeutet ift, zerfällt vorliegende
Schrift in zwei Abfchnitte. Der erfte (S. 8—81) entwickelt
Pauli Lehre, der zweite (S. 82—106) fchildert Pauli
Lebenserfahrung vom Gefetz. Dort läfst's der Verfaffer
feine Aufgabe fein, nach einigen einleitenden Bemerkungen
über Name, Umfang und Wefen des Gefetzcs vornehmlich
den Zweck diefes letzteren darzulegen. Er erkennt
ihn darin, dafs dasfelbc nicht blofs der Ausdruck des
vollendeten Willens Gottes, fondern auch die auf
Chriftum vorbereitende Hcilsanftalt ift. Sofern aber
thatfächlich der Forderung Gottes nicht des Menfchen
Eciftung entfpricht, geht er im Folgenden auf das Ver

wenig begründet ift, was S. 31—33 über den ein-
fchlagenden Lehrgehalt des Ephefer- und Colofferbriefes
und befonders S. 80 fg. über den der Paftoralbriefe an-
gefchloffen wird. Umgekehrt reicht der Verf. fchnell
der ,negativften Kritik' (Pfleidcrer, Paulinismus S. 241 ff.)
die Hand, wenn es (S. 64 ff.) gilt, Rom. 9 u. 10
in altreformirt-prädeftinatianifchem Sinne zu erklären.
Nur dankbar können wir ihm fein, dafs er nicht
auch den Hebräerbrief, deffen paulinifcher Urfprung
ihm feft fteht, in feine Arbeit hereingezogen hat. —■
Schneller als in feinem erften Abfchnitt kommt
D. Zahn in feinem zweiten zum Ziele. Aus Pauli Lehre
macht er hier vor Allem einen Rückfchlufs auf den
Vorgang der Bekehrung. Weil die Rom. 5 und Gal. 3
gefchilderten Wege der Menfchheit keine anderen als die
des Apoftels waren, ftehen in deffen Leben, fo folgert
hältnifisdes vopog zur Fleifchesnatur des Menfchen ein, 1 er, Jerufalem und Damaskus fo fcharf von einander

um von da aus die Stellung Chrifti zum Gcfetze, fowie
die in Chrifto gewirkte Gerechtigkeit zu zeichnen; und
weil diefe letztere nur gefchenkt und zugerechnet wird,
ficht er fich weiter auf das Verhältnifs der Gnade zum
Gefetz geführt, näher auf die Wirkfamkcit des Geiftes
am Menfchen, welche es zum Glauben, eo ipso zur
Rechtfertigung bringt. Zuletzt zeigt er, wie das Gefetz
als bleibende Norm des chriftlichen Wandels zu gelten
hat, d. h. wie der Chrift, wenn auch nicht unter dem
Gefetz, doch durch die Leitung des Geiftes im Gefetz
ift. Schon diefer Ueberblick beweift, dafs der Verfaffer,
deffen ablehnende Stellung zur modernen Schriftkritik
bekannt ift, auf relativ engem Räume ein grofses, reiches
Material zu umfpannen fucht. Er thut dies von der
richtigen Erkenntnifs geleitet, dafs die paulinifche Wahrheit
eine und fo fcftgefchloffen ift, dafs in jedem ihrer
Grundbegriffe alle anderen mitliegen. Eben deshalb
fcheut er fich, einen Begriff rafch mit einer theologifchen
Formel zu faffen. .Worte, die aus innerem Leben her-
vorfpringen, werden', wie er treffend fagt, ,mit der
Sprache der Schule nicht bezwungen'. Gerade diefes
Streben, den inneren Motiven paulinifcher Lehre nachzugehen
, verleiht der Darfteilung des Verf.'s eine wohl-
thuende Frifche und läfst feine Schrift angenehm lesbar
werden. Der exegetifche Apparat ift freilich mehr bei
Seite geblieben, als einer Begründung der ausgefprochenen
Urtheile günftig ift. Was S. 39 über Yl uoti^iov (Rom.
3,25) als Gnadenftuhl oder S. 46 über Rom. 7 als Ausdruck
der Erfahrungen des Wiedergeborenen gefagt wird,
mufs als exegetifcher Machtfpruch gelten, viel weniger
als gefichertes Refultat einer vor den Augen des Lefers
planvoll fich vollziehenden Schrifterklärung. Auch war
auf den Stand der neueren Kritik noch forgfältiger
Rückficht zu nehmen. Zwar werden die beftrittenen
fpäteren Briefe des Apoftels nicht mit den unzweifelhaft
echten zufammengeftellt; aber fchr aphoriftifch und zu

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gefchieden, wie Gefetz und Gnade. Seine Bekehrung
ift dem Apoftel ,einc ganz plötzliche Gottesthat an feinem
Herzen', weder durch die Schule des Gefetzes, noch
durch innere Anbahnungen des chriftlichen Glaubens
vermittelt. Aus dem nachfolgenden Leben des Apoftels
aber greift Zahn mit Recht die bekannte Begegnung
mit Petrus in Antiochien und Pauli Polemik gegen ,das
andere Evangelium in Galatien' heraus, um nach beidem
deffen innere Stellung zum Gefetze zu bemeffen, und
fchliefst mit einem Hinweis auf deffen .Praxis der Liebe',
welche Schwache geduldig zu tragen und den Juden
ein Jude zu werden verftand, um Juden zu gewinnen.
Trotz feiner fkizzenhaften Form erfcheint uns diefer
zweite Abfchnitt als der beffere Theil der Schrift.

Leipzig. Wold. Schmidt.

Uhrig, Prof. Dr. Adam Jof., Bedenken gegen die Aechtheit
der mittelalterlichen Sage von der Entthronung des
Merovingischen Königshauses durch den Papst Zacharias.

Leipzig 1875, Veit & Co. (VIII, 81 S. gr. 8.) M. 2. —

Die Abficht vorliegender Arbeit geht dahin, die Gefchichte
von einer angeblich in fich .widcrfpruchsvollen,
innerlich morfchen und das Wohl des Staates wie das
Anfehen der Kirche auf gleiche Weife gefährdenden
Sage' (S. 75) zu befreien. Zu feinem Refultat, dafs eben
nur die Sage zu berichten wiffe von dem an die Ge-
fandten des Majordomus Pippin ertheilten Rathfchlag
des Papftes Zacharias, den Merovingern, da fie doch die
königliche Macht eingebüfst, auch den königlichen Titel
zu nehmen, und diefen dem Pippin beizulegen, zu diefem
Refultat behauptet der Verfaffer ,auf völlig unparthei-
ifchem und rein hiftorifchem Wege' gekommen zu fein
(p. VII). Ob Uhrig in der That ein Recht hat, fein
Urtheil ein parteilofes, feine Methode eine rein hiftonfehe

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