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Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

527–528

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Eusebius von Caesarea

Titel/Untertitel:

De Vita Constantini. Über das Leben Konstantins. Eingel. v. B. Bleckmann. Übers. u. kommentiert v. H. Schneider.

Verlag:

Turnhout: Brepols 2007. 548 S. 8° = Fontes Christiani, 83. Kart. EUR 40,09. ISBN 978-2-503-52560-0.

Rezensent:

Gert Haendler

Zum Thema »Konstantinische Wende« hatten die Fontes Christiani 2003 die Schrift »De morte persecutorum« von Laktanz vorgelegt (ThLZ 129 [2004], 1207–1209). Nun folgt Eusebs Vita Constantini. Der Herausgeber B. Bleckmann ist durch neue Arbeiten zur Thematik ausgewiesen. Er nennt zu Beginn als wichtigste Grundlage die »ausgezeichnete Ausgabe des Textes« von Friedhelm Winkelmann 1975 in der Reihe Griechische Christliche Schriftsteller (2. Auflage 1991). Die Verfasserschaft Eusebs wurde oft bezweifelt. Die Vita Constantini bringt Nachrichten, die in Eusebs Kirchengeschichte nicht stehen. Hieronymus nannte Euseb und seine Werke, aber nicht seine Vita Constantini. Henri Grégoire behauptete 1938, Euseb sei nicht der Verfasser der Vita Constantini in der jetzigen Form. Dazu erklärt B., alle diese Zweifel könnten »seit den 60er Jahren definitiv als erledigt gelten« (12). Dafür hatten sich u. a. Hans Lietzmann, Kurt Aland und Heinz Kraft eingesetzt, die jetzt nicht einmal mehr im Literaturverzeichnis genannt werden. Für Jakob Burck­hardts Verdikt von 1890 ist Platz (8)!
Der Band ist nach dem bewährten Schema der Reihe Fontes Christiani aufgebaut: Die deutsche Übersetzung von Horst Schneider lehnt sich eng an den griechischen Text an, so dass Vergleiche leicht möglich sind. Vor 400 Seiten Text und Übersetzung gibt es 100 Seiten Einleitung mit Verweisen auf den Text. Hier stehen Informationen über Euseb, der auf dem Konzil von Nicäa und zur Dreißigjahrfeier der Regierung Konstantins in Erscheinung trat. Zwar war für Euseb »nicht die gleiche exklusive Nähe zum Kaiser gegeben, die man für andere regelrecht zu theologischen Hofberatern aufgestiegene Bi-schöfe konstatieren kann«, aber er gehörte »zu den zentralen Figuren im neuen vom Kaiser errichteten reichskirchlichen Verband« (14). Euseb war ein innovativer Autor, dessen Kirchengeschichte mit eingelegten Originaldokumenten zwar Parallelen hat, jedoch »in Konzeption und Methodik ... als Neuschöpfung gelten kann« (33). Es handelt sich um »ein ge­schichtstheologisches Werk, durch das der Bischof Euseb der von ihm erlebten Zeitgeschichte gewaltige heilsgeschichtliche Dimensionen gegeben hat« (38).
Aus dem zentralen Kapitel 6 »Das Bild Konstantins in der Vita Constantini« seien einige Punkte genannt. Bei Konstantins Vision vermutet B., »dass Euseb tatsächlich einen Bericht dieser Art vom Kaiser vernommen haben dürfte, am ehesten im Zusammenhang der Feierlichkeiten zum 30. Regierungsjubiläum des Kaisers ... In diesem Fall kann der Visionsbericht nicht als intimer Bericht über eine persönliche Bekehrung gelten, sondern es handelt sich um die offizielle Version der spätkonstantinischen Zeit« (55). Für Kaiser Konstantin war diese Vision »nur einer von vielen Beweisen einer unmittelbaren Beziehung zwischen ihm und seinem militärisch wirksamen Schutzgott« (61).
Die Religionspolitik Konstantins nach der Machtübernahme im Osten zeigt ein Rundschreiben 324 mit dem »Kern der Konstantin selbst zuzuschreibenden Vorstellungen von seiner Mission als Beauftragter Gottes« (75). Aber der Kaiser versucht, »auch auf die Heiden Rücksicht zu nehmen und die Gräben zwischen Christen und Nichtchristen nicht allzu groß werden zu lassen« (77). B. weist auf Buch II,56 hin, wo Konstantin Toleranz äußert: »In gleicher Weise wie die Gläubigen sollen auch die Irrenden freudig den Genuss von Frieden und Ruhe empfangen. Denn diese Süße der Gemeinschaft wird auch jene wiederaufrichten und auf den geraden Weg führen können. Keiner soll dem anderen Schwierigkeiten machen. Ein jeder soll das festhalten, das gebrauchen, was die Seele will«. Gewiss werden nur Christen ein heiliges und reines Leben führen, weil Gott sie dazu anruft. Aber auch die Heiden »sollen, wie sie es wollen, die Haine ihrer falschen Lehre haben ...« (285).
Zu Konstantins Kirchenbaupolitik formuliert B. unter Hinweis auf einen Brief des Kaisers an den Bischof von Jerusalem: »Theologisch fallen bei Euseb und Konstantin die Bedeutung des Grabes, das Schauplatz der Auferstehung Christi ist, und des Kreuzes, das als Zeichen des Sieges über den Tod verstanden wird, fallen also Karfreitag und Ostern zusammen. Die Auffindung der Stätte des heiligen Kreuzes ist nur der entscheidende Fingerzeig Gottes, der Konstantin in seiner Regierungszeit die Authentizität des Platzes bestätigt und ihn daher in besonderer Weise mit dem Ort der Auferstehung und des Sieges Christi verbindet« (83). Zum Konzil von Nicäa 325 sagt B.: »Dieses Konzil feiert die neu geschaffene Einheit von Kaisertum und Kirche. Die theologischen Kontroversen werden – mit Ausnahme der Frage des Ostertermins – inhaltlich nicht vorgestellt, sondern es wird nur gezeigt, wie der Kaiser ist«. Der Kaiser handelt »wie ein überirdisches Wesen«, um die Harmonie unter den Bischöfen herzustellen (87).
Bei der »politischen Theologie« Eusebs hält B. es für fraglich, ob Eusebs »panegyrische Überhöhung Konstantins dazu geführt hat, dass er seine theologischen Positionen gewissermaßen staatlichen Bedürfnissen angepasst habe« (97). Konstantin wird in der Vita oft mit Mose in eine Reihe gestellt (101–104). »Unausgesprochen bleibt in der Vita Constantini dagegen der durch die typologische Argumentationsform fast nahe liegende Vergleich mit einem Dritten, nämlich mit Christus« (104). Eusebs Schrift ist jedoch »ganz vom Erleben der Unvergleichbarkeit der Persönlichkeit Konstantins ge­prägt ... In ähnlicher Weise wie der Logos Christus nur an einem bestimmten Moment in der Weltgeschichte Mensch geworden ist, hat Konstantin als Werkzeug des Logos in einem unwiederholbaren Moment der Weltgeschichte die Kirche zum definitiven Sieg geführt« (106).
Der Band bietet für Laien einen informativen Überblick, und auch für Spezialisten kann diese Aufarbeitung der Probleme hilfreich sein. Herzlichen Glückwunsch für die Reihe Fontes Christiani!