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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

405–407

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Alexander, Kimberly Ervin

Titel/Untertitel:

Pentecostal Healing. Models in Theology and Practice.

Verlag:

Blandford Forum: Deo Publishing 2006. XI, 258 S. gr.8° = Journal of Pentecostal Theology Supplement Series. Kart. £ 19,95. ISBN 90-5854-031-6.

Rezensent:

Klaus Schäfer

Die pentekostale Variante des Christlichen ist längst keine kirchengeschichtliche Randerscheinung mehr. In manchen Ländern der Welt scheint sie sogar auf dem Wege, die dominante Form des Christentums zu werden. Noch immer aber steht das Gespräch mit der pentekostalen Theologie erst in den Anfängen.
Die Arbeit von Kimberly Ervin Alexander über »Pentecostal Heal­ing« kann als Angebot für ein solches Gespräch verstanden werden. A., selbst der pentekostalen Tradition verpflichtet und als Assistenz-Professorin für historische Theologie am Church of God Theological Seminary in Cleveland (Tennessee) tätig, greift in ihrer Untersuchung einen zentralen Aspekt der frühen pentekostalen Theologie in Nordamerika auf. Ihre theologiegeschichtlich orientierte Arbeit dokumentiert die wichtige Rolle, die das Anliegen der »Heilung« von Krankheiten und körperlichen und seelischen Leiden in der pentekostalen Theologie und Praxis einnimmt. Zugleich zeigt sie auf, dass es bereits in der frühen Phase der Pfingstbewegung auch innerhalb der pentekostalen Bewegung sehr unterschiedliche theologische Profile gegeben hat, die A. in Stärken und Schwächen miteinander und mit anderen kirchlich-theologischen Traditionen ins Gespräch zu bringen versucht.
Entsprechend dem Diktum von Walter Hollenweger, wonach die Anfangszeit der pentekostalen Bewegung im Hinblick auf ihre Theologie das »Herz« und nicht das »Kindheitsstadium« des Pentekostalismus repräsentiert, konzentriert sich A. auf den Zeitraum der frühen pentekostalen Bewegung in den USA, das heißt die Zeit von 1906 bis 1923. Da es systematisch-theologische Abhandlungen der pentekostalen Bewegung aus dieser Zeit nicht gibt, zieht A. als Grundlage für ihre Rekonstruktion der verschiedenen Heilungstheologien vor allem Zeitschriften von pentekostalen Gemeinden, Netzwerken und Kirchen sowie auch Predigten und andere Gelegenheitsschriften heran.
In ihrer Analyse stellt A. zunächst als historischen Hintergrund der Pfingstbewegung die nordamerikanische christliche Heilungsbewegung des 19. Jh.s heraus, die sehr stark vom Methodismus John Wesleys inspiriert war und einen wichtigen Einfluss auf die von dieser Bewegung doch zu unterscheidende pentekostale Heilungsbewegung ausgeübt hatte. Im eigentlichen Hauptteil der Untersuchung wird dann die Theologie der Heilung in verschiedenen frühen pentekostalen Gruppierungen in unterschiedlichen Regionen Nordamerikas analysiert. A. geht dabei von einer spezifischen Identität der verschiedenen pentekostalen Gruppen aus. Beschreiben lässt sie sich etwa mit dem Bekenntnis zum sog. »fünffältigen Evangelium«, wonach Jesus in fünffacher Funktion als Retter, Heiligender, Geisttäufer, göttlicher Heiler und bald (wieder)kommender König gesehen wird. Eine andere Definition, die A. ebenfalls heranzieht, spricht von fünf theologischen Motiven, die im »Herzen« der Theologie der Bewegung stehen: 1. Rechtfertigung durch den Glauben an Christus; 2. Heiligung durch den Glauben als ein zweites definitives Werk der Gnade; 3. Heilung des Leibes, die durch das Sühnopfer Christi ermöglicht ist; 4. Prämillenianismus, wonach Christus vor der Aufrichtung des 1000-jährigen Reiches (wieder)kommen wird; 5. Taufe im Heiligen Geist, die durch das Reden in Zungen ausgewiesen wird (65).
In ihrer Rekonstruktion der frühen pentekostalen Heilungs­theo­logien geht A. unter anderem Fragen nach dem Ursprung der Krankheit, nach Gottes Antwort auf die Krankheit, der Rolle des Heiligen Geistes bei der Heilung, der Bedeutung von Zeichen und Wundern, der Bedeutung des Glaubens in der Heilungstheologie, den Mitteln für die Krankenheilung (Gebet, Handauflegung, Salbung etc.) und der eschatologischen Heilung nach. Trotz großer Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen identifiziert A. zwei grundsätzlich unterschiedene Modelle pentekostaler Heilungstheologie, die sie mit den Begriffen »Wesleyan-Pentecostal Stream« und »Finished Work Pentecostal Stream« umschreibt. Beide gehen von einem integralen Verständnis des Sühnopfers Christi (Atonement) aus, durch das den Menschen auch die Möglichkeit der Heilung körperlicher Krankheiten und Gebrechen eröffnet ist. Aber die eine Tradition sieht die Glaubenden in eine dynamische Bewegung hineingezogen, in der sie durch einen Prozess der Heiligung und der Ausrichtung auf die Kraft des von oben kommenden und den Menschen immer voraus seienden Geistes Heilung finden können. Das zweite Modell geht von einem – wie A. selbst es nennt – »extremen Christozentrismus« (210) aus: Im Sühnopfer Christi am Kreuz ist bereits die Erlösung und Heilung vollbracht. Jetzt kommt es nur darauf an, sich im Glauben fest darauf zu verlassen, dass der Glaubende in Jesus Christus ja bereits geheilt ist. Das dynamische Element und der transformative Prozess des Kampfes, den man in der Kraft des Geistes gegen die Krankheit zu führen hat, den die erste Tradition betont, ist hier in ein voluntaristisches Verständnis des Glaubens übergegangen, bei dem alles darauf ankommt, die in Christus bereits geschehene Heilung für sich »im Namen Jesu« zu reklamieren.
In den beiden Schlusskapiteln sucht A. die Ergebnisse ihrer Fallstudien zu systematisieren. Dabei geht es zunächst um eine Rekonstruktion der beiden Modelle, deren praktische Implikationen noch einmal in einem Vergleich der unterschiedlichen Reaktionen der Trägergruppen auf die große Grippe-Epidemie, von der Nordamerika im Jahre 1918 heimgesucht wurde, dargestellt werden. Das letzte Kapitel bietet schließlich eine Zusammenschau, die die Ergebnisse der Studie im Blick auf theologische Grundfragen zur Trinitätslehre, Pneumatologie, Christologie, Ekklesiologie und Eschatologie zu reflektieren sucht.
Das Verdienst A.s liegt darin, aus einer Innensicht heraus Einblick in die frühe Phase der pentekostalen Theologie zu geben und ein differenziertes Bild dieser von außen oft als monolithisch wahrgenommenen Bewegung zu zeichnen. Mehr am Rande der an der Darstellung der theologischen Diskurse orientierten Analyse geht A. auch auf historische, theologiegeschichtliche und sozio-kulturelle Aspekte ein. So ist interessant, dass das erste Modell sehr stark in den auch afro-amerikanisch geprägten pentekostalen Gemeindebildungen vorherrscht, während das zweite Modell – für das etwa die Assemblies of God ein Beispiel sind – eher in der weißen Mittelschicht beheimatet ist und in einer gewissen Kontinuität zur baptistischen Tradition steht. Mehr angedeutet als ausgeführt wird gelegentlich, dass manche der später mit der pentekostalen Bewegung assoziierten Phänomene – etwa Heilung als ein spezifisches Charisma einzelner Personen, die Rolle großer pentekostaler Wander- und Massenprediger, das »Health-and-Wealth-Gospel« – in der frühen Phase der Bewegung keine wirkliche Rolle gespielt haben.
Die theologische Diktion, die anhand der populären Texte der Pfingstbewegung erkennbar wird, wird manchen, die in der theologischen Tradition der Großkirchen zu Hause sind, fremd und gelegentlich sogar bizarr erscheinen; Letzteres gilt etwa von den Experimenten, die einzelne pentekostale Gruppen in Anlehnung an Mk 16,17 f. – einem Schlüsseltext in den pentekostalen Heilungstheologien – mit Schlangen unternommen haben. Gerade auf Grund ihrer Nähe zu den frühen populären Texten aber stellt A.s Untersuchung einen wichtigen Baustein für die Rekonstruktion der Geschichte und des theologischen Profils der pentekostalen Bewegung dar.