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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

206–208

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Gerhards, Albert, u. Benedikt Kranemann

Titel/Untertitel:

Einführung in die Liturgiewissenschaft.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2006. 256 S. gr.8° = Einführung Theologie. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-534-15742-6.

Rezensent:

Jörg Neijenhuis

Die hier vorgelegte Einführung in die Liturgiewissenschaft trägt ihren Titel zu Recht – in der gebotenen Konzentration wird in die verschiedenen Felder der Liturgiewissenschaft fundiert und zu­gleich überblicksartig eingeführt. Für Studierende wird dieses Buch sicher ein hilfreiches Werk darstellen. Doch dafür ist es notwendig, das Vorwort der beiden Verfasser genau zu lesen und sich nicht auf die Buchrückseite zu verlassen: Dort wird vom Verlag angepriesen, dass dieses Werk »konsequent ökumenisch« sei; die beiden Verfasser selbst schreiben aber im Vorwort, dass ihr Werk eine konfessionelle Begrenzung hat und aus der Perspektive der katholischen Tradition verfasst wurde. Natürlich beachten beide Verfasser Wissensbestände anderer Konfessionen, aber wegen der Kürze habe man sich auf die eigene Tradition beschränken müssen, obwohl sich beide einer ökumenischen Liturgiewissenschaft verpflichtet wissen. So wendet sich das Werk an theologisch und kulturwissenschaftlich Interessierte, macht sie mit Geschichte und Theologie der Liturgie vertraut; Fragen der Liturgiepastoral bleiben dagegen im Hintergrund.
Bemerkenswert – und darin ist eine theologische Perspektive erkennbar, mit der die Liturgiewissenschaft verstanden und ent­wickelt wird – ist das erste Kapitel: Liturgie im gesellschaftlichen Umfeld. Eröffnet wird mit der Feststellung der Vielfalt der Liturgiefeiern. Damit sind die kirchlich agendarischen Gottesdienste, aber auch jene aus gesellschaftlichem Anlass gemeint. Zur Vielfalt gehören auch die unterschiedlichsten Deutungen der Liturgie hinzu, was die Verfasser am Beispiel der Taufe exemplifizieren: Zum einen gibt es die theologische Deutung, die sich an Tod und Auferstehung Jesu Christi orientiert, zum anderen aber deuten die Familien die Säuglingstaufe als ein die Familie selbst bestätigendes und sakralisierendes Ritual. So gilt es neben der Formen- auch eine Deutungsvielfalt zu bedenken, die angesichts des Pluralismus der Moderne von Relevanz ist. In diesen Kontext gehört auch die Neuentdeckung der Ritualdimension der Liturgie. Damit ist das differenzierte Feld der Liturgie das Thema der Liturgiewissenschaft.
Im zweiten Kapitel geht es um Geschichte, Profil und Methoden der Liturgiewissenschaft, wobei diese Darstellung sich an der historischen Genese orientiert. Es endet mit der Frage, wie man Liturgie interpretiert. Die Verfasser stellen fest, dass Liturgiewissenschaft hermeneutisch arbeitet, wobei nicht allein schriftliche Texte in Frage kommen, sondern: »Eigentliches Untersuchungsobjekt ist letztlich die Performanz des gottesdienstlichen Geschehens.« (53)
Das dritte Kapitel widmet sich der geschichtlichen Skizze der römischen Liturgie von ihren jüdischen Wurzeln bis hin zu den Auswirkungen des II. Vatikanums. Ein Abschnitt behandelt auch die Liturgiereform der Abendmahlsliturgie durch die Reformatoren.
Erfreulich ist das vierte Kapitel, das die Theologie der Liturgie zum Inhalt hat. Die meisten Einführungen, die ja auch nicht in die Liturgiewissenschaft, sondern in die Liturgik einführen wollen und sich deshalb als monumentale Handbücher ausnehmen (müssen), nehmen dieses Themenfeld kaum oder oftmals nur am Rande auf. Die unterschiedlichen Gewichtungen einer liturgischen Theologie, die die Theologie aus der Liturgie entwickelt, und einer Theo­logie der Liturgie, die mit Vorgaben aus der Systematischen Theo­logie eine Theologie der Liturgie entwickelt, wurden schon im zweiten Kapitel unter den Methodenfragen erörtert. Hier wird eine Einführung gegeben, die anthropologische und theologische Aspekte einander zuordnet. Es wird begonnen mit der Liturgie als Versammlung vor Gott, die sowohl anthropologisch zu verstehen ist als auch als eine von Gott gerufene Versammlung. Im Abschnitt Theologie wird das darin erkannte dynamische Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch erörtert, dann die Liturgie als Feier des Pascha-Mysteriums Christi (Christologie) und als geistgewirktes Geschehen (Pneumatologie) verstanden. Anschließend geht es um die Relation von Liturgie und Heilsökonomie und jene von irdischer und himmlischer Liturgie. Da Liturgie Verherrlichung Gottes und zugleich Heiligung des Menschen ist, kommen zum Schluss des Kapitels das Menschenbild und die christliche Lebenspraxis in Bezug zur Liturgie zur Sprache.
Das fünfte und letzte Kapitel behandelt die Gestalten und Ausdrucksformen des Gottesdienstes: die Heilige Schrift, das Gebet (und die wichtigsten Gebetsformen), die Sprache (und ihre Übersetzungsproblematik wie auch die Frage nach Latein und Muttersprache), Gesang und Musik, Zeichen und Zeichenhaftigkeit (und ihr Verständnis in der Semiotik, dann der Raum, die liturgischen Orte wie Altar etc., Gefäße, Geräte, Gewänder und Textilien).
In einem Anhang werden Übersichten gegeben: die Rubriken zur Taufe und ein Taufwasserweihgebet, dann die Rubriken der Eucharistiefeier und der Text des 2. Hochgebets sowie eine Übersicht über die Entwicklung der Bücher zur Messfeier im römischen Ritus. Es folgen die Rubriken der Horen der Tagzeitenliturgie. Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils wird in ihrem Aufbau und Inhalt dargelegt. Als ein Text aus der jüdischen Tradition folgt die Amida in Seder Raw Amram. Daran schließen sich ein ausführliches und systematisch angelegtes Literaturverzeichnis mit 493 Titeln und ein Register für Personen und für Sachen an.
Der Leser erhält eine fundierte Einführung in die (katholische) Liturgiewissenschaft und in ihre Fragestellungen, ohne dass er dabei in eine kaum zu überblickende Materialdichte geführt wird. Spezialfragen und Sonderthemen bleiben ebenso außen vor wie eine Beurteilung. Aber diese Bereiche einer Liturgiewissenschaft kann der Leser sich selbst erarbeiten, wenn er sich in den hier vorgelegten Grundfragen auskennt und sich in die Literatur eingearbeitet hat. Das Rüstzeug dafür hat er erhalten. Damit ist schon viel gelungen!