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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

41–43

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Weiss, Andrea L.

Titel/Untertitel:

Figurative Language in Biblical Prose Narrative. Metaphor in the Book of Samuel.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2006. XII, 252 S. gr.8° = Supplements to Vetus Testamentum, 107. Lw. EUR 95,00. ISBN 90-04-14837-X.

Rezensent:

Alexander A. Fischer

Die Studie, die am Hebrew Union College-Jewish Institute of Religion in New York entstanden ist, verbindet ein theoretisches Interesse an der Funktionsweise von Metaphern mit dem praktischen Anliegen, die Diskussion für die Auslegung biblischer Texte fruchtbar zu machen. Die Abhandlung gliedert sich in sieben Kapitel und bezieht sich fallweise auf 1Sam 25; 2Sam 16,16–17,14 sowie 1Sam 24.
Im Inhaltsverzeichnis sind leider nur die Kapitelüberschriften angegeben. Wer sich über Themen und Verlauf der Untersuchung vorab orientieren möchte, muss die Haupt- und Zwischenüberschriften im Text selbst nachschlagen. Von Kapitel 1 »An Introduction to the Study of Metaphor« (1–34) seien hier lediglich die Überschriften der ersten Gliederungsebene genannt: I. Introduction, II. Aristotle’s Treatment of Metaphor and Its Implications, III. Histor­i­cal Survey of the Study of Metaphor, IV. A Review of the Research on Metaphor in the Bible, V. The Contours of the Present Study.
Wie sich der Gliederung entnehmen lässt, informiert W. zu­nächst über Entwicklung und gegenwärtigen Stand der Metaphernforschung und bestimmt sodann ihren eigenen Beitrag, in dem sie 1. der Textinterpretation und damit der praktischen An­wendung eine zentrale Rolle zuweist, 2. an Stelle einer vornehmlich auf die hebräische Poesie bezogenen Diskussion biblische Prosatexte zu ihrem Untersuchungsfeld macht und 3. gegenüber einer isolierten Auswahl einiger Metaphern den (über die Satzgrenzen hinausgehenden) Kontext einbezieht und dementsprechend alle vorkommenden Metaphern in einem abgegrenzten Textstück un­tersucht.
Die Erörterung beginnt in Kapitel 2 (35–84) mit einer selten ge­stellten, aber durchaus berechtigten Frage: Wie lassen sich Metaphern in einem Text identifizieren? Das Problem verdeutlicht W. an einem einfachen Satz: »Smith is a plumber.« Dass es sich hier beim Klempner um eine Metapher handeln soll, erschließt sich erst durch den Kontext: »Don’t let Smith perform such a delicate surgical procedure. Smith is a plumber. His last two patients died.« (45) Durch Bildung sog. »conversion sentences«, in denen einander entsprechende Wörter ausgetauscht werden, möchte W. die semantischen Anomalien aufdecken und dadurch die Textsegmente als Metaphern identifizieren: Im angeführten Fall erweist der Um­wandlungssatz die Zuordnung von »plumber« und »surgical procedure« als semantische Anomalie. Das beschriebene Verfahren wird anschließend auf die biblische Erzählung 1Sam 25 angewandt und an acht Fallbeispielen durchgespielt (25,16.14.29b α.29bβ.31.37bα. 37bβ.). Kapitel 3 (85–120) ergänzt die beschriebene Technik zum Auffinden von Metaphern um einen weiteren, der Interpretation dienenden Aspekt. Im Anschluss an Roger White (The Structure of Metaphor, Oxford 1996) führt W. aus, dass sich Metaphern durch eine Analogie zwischen zwei Situationen erschließen: »The actual situation addressed in the metaphor and the hypothetical situation to which it is being compared« (93). Am Beispiel von 1Sam 25,14 »He swooped down on them« wird dazu ein Verfahren in drei Schritten erprobt. 1. werden beide Situationen erhoben: Nabal behandelt Davids Boten schroff (actual situation) bzw. ein Raubvogel stößt herab auf seine Beute (hypothetical situation), 2. werden die einzelnen Wörter der einen bzw. der anderen Situation zugeordnet: »He x them« (primary vocabulary) bzw. »Y swooped down on z« (second­ary vocabulary), 3. wird der Versuch unternommen, die Variabeln passend zu ersetzen (creating a primary sentence) und dadurch die Analogie zwischen beiden Situationen aufzudecken. Dabei problematisiert W., dass das Verfahren im vorliegenden Fall nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, weil die Raubvogel-Metapher die »actual situation« verschieden nuancieren kann: Nabal handelt überraschend, verhält sich ag­gressiv, verletzt durch seine Rede. Die weiteren Fallbeispiele – sie werden in der Reihenfolge von Kapitel 2 behandelt – bereiten ähnliche Schwierigkeiten. Gleichwohl empfiehlt W. den eingeschlagenen Weg als ein heuristisches Verfahren, das den Interpreten eng an den Text heranzuführen vermag und zu einem tieferen Verständnis der zu Grunde liegenden Analogie(n) anleitet. Auch in Kapitel 4 (121–132) bleibt W. bei ihrem Bezugstext 1Sam 25 und untersucht die rhetorischen und dramatischen Effekte in der Verwendung von Metaphern. Im Anschluss an die Unterscheidung zwischen informativen und performativen Aspekten metaphorischer Rede werden nun auch die Wechselwirkungen 1. innerhalb der Erzählung und 2. zwischen dem Text und seinen Rezipienten in die Betrachtung einbezogen. An fünf Beispielen in direkter Rede wird gezeigt, dass sog. »multiple metaphors« ihre rhetorische Kraft dadurch entfalten, dass sie in der Wahrnehmung der »actual situation« die Imaginationskraft der Rezipienten beanspruchen. W. spricht dabei von einer Ökonomie der Metaphern, die es den Sprechern erlaubt »to convey nuanced, multifaceted mes­sages through a single, vivid utterance« (131 f.).
Bereits in Kapitel 3 wurde das Problem angesprochen, dass se­man­tische Anomalien zwar helfen, Metaphern aufzufinden, aber diese nicht definieren. Was unterscheidet sie von anderen Formen bildlicher Rede wie beispielsweise Metonymie und Analogie? Dieser Frage widmet sich Kapitel 5 (133–182), während Kapitel 6 (183–215) dem »concept of dead metaphors« nachgeht und die damit verbundene Klassifizierung in tote und lebendige Metaphern als nicht sachgemäß zurückweist. Beide Kapitel lesen sich als ergänzende und vertiefende Studien, die das Untersuchungsfeld der Samuelbücher mit 2Sam 16,16–17,14 bzw. 2Sam 24 ausweiten. Schließlich bietet Kapitel 7 (216–224) eine knappe Zusammenfassung mit weiterführenden Hinweisen zur Übersetzung und Eigenart von Metaphern.
Der Durchgang durch die Untersuchung zeigt, dass es sich bei ihr in erster Linie um eine Fallstudie zum Metapherngebrauch handelt, zu der die Samuelbücher lediglich die narrativen Beispieltexte liefern. Dabei lässt sich durchaus nachvollziehen, dass sich W. am synchronen Textzusammenhang orientiert und dabei literarhistorische Fragen ausblendet. Warum aber die Analyse zwingend ein »close reading« erfordere (223), ist nicht einzusehen, zumal die Frage, in welcher Weise die Metaphern den Werdegang eines Textes bestimmen, noch einmal eine reizvolle und erhellende Perspektive eröffnen könnte. Ferner wundert man sich, dass die Erzählung 1Sam 25 zwar über die Hälfte des Buches füllt, aber die exegetische Debatte dazu nur in einem schmalen Ausschnitt berücksichtigt wird. Wer darum in diesem Buch eine Hilfe zur Auslegung der Samueltexte sucht, wird es zur Kenntnis nehmen. Wer sich dagegen für die Funktionsweise von Metaphern interessiert und die heuristischen Wege mitzugehen bereit ist, wird es mit Gewinn lesen und darin manche Anregung finden. Literaturverzeichnis, Bibelstellen-, Sach- und Autorenregister beschließen den Band.