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Ausgabe:

Januar/1998

Spalte:

22 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Cornehl, Peter]

Titel/Untertitel:

Kulte, Kulturen, Gottesdienste. Öffentliche Inszenierung des Lebens. Hrsg. von P. Stolt, W. Grünberg, u. U. Suhr.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996. 286 S. 8°. Kart. DM 48,­. ISBN 3-525-60393-2.

Rezensent:

Christian Grethlein

Bei dieser Gabe zu Peter Cornehls 60. Geburtstag kann man nur wünschen, daß sie nicht in den Bibliotheken unter der Rubrik "Festschrift" verschwindet. Denn die Mehrzahl der Beiträge nehmen das vom Jubilar seit nunmehr gut zwei Jahrzehnten immer wieder durch scharfsinnige Beobachtungen, anregende Analysen und weiterführende Hinweise vorangetriebene Gespräch zwischen Praktischer Theologie und allgemeiner Kultur auf. Dabei verhindert der liturgische Forschungsschwerpunkt das im Gespräch mit der (post-)modernen Kultur naheliegende Entschwinden aus dem theologischen Diskurs. Im Sinne der Problemanzeige und zugleich Horizonterweiterung praktisch-theologischer Theoriebildung am wichtigsten sind die Beiträge in der ersten Hälfte der Festschrift, "Kulte und Kulturen der Gegenwart ­ Befragungen und Befunde" (15-129) überschrieben. Man könnte diesen Teil auch ­ gleichsam als Prolegomena zu einer Praktischen Theologie ­ mit "Entgrenzungen" bezeichnen. Denn hier werden in teilweise atemberaubender Weise Orte und Situation heutiger Kultur aufgesucht und auf ihre praktisch-theologische, meist liturgische Relevanz hin befragt.

Nach z.T. skizzenhaften Vorbemerkungen von H. Schröer ("Der Kult mit der Kultur", 15-25) geraten folgende Bereiche ins Blickfeld: die Stadtmitte bei W. Grünberg "Inszenierung städtischer Identität und die Aufgaben der Kirche" (26-36); das Theater bei U. Suhr "Das Handwerk des Theaters und die Kunst der Liturgie. Ein theologischer Versuch über den Regisseur Peter Brock" (37-49); das Kino bei I. Kirsner, "Film, Fragment, Fraktal. Eine kleine Kino-Apokalypse" (50-62); der Fußballplatz bei R. Mokrosch "Fußball- und Gottesdienstrituale. Zufällige oder konstitutive Analogien?" (63-69); Mahnmale bei P. Reichel "Über das Totengedenken nach Auschwitz. Vom politischen Totenkult zur politischen Erinnerungskultur" (70-80); die Heimatfeste bei M. Josuttis ",Worin noch niemand war’. Zum protestantischen Umgang mit Heimatfesten" (81-91); die DDR-Festkultur bei W. Ratzmann "Fremde Feste. Zum ostdeutschen Festkalender nach der Wiedervereinigung" (92-105); die Bayreuther Festspiele bei U. Bermbach "Bayreuther und andere Festspiele. Zu einer säkularisierten Form des Gemeinschaftslebens" (106-114).

Während sich alle diese Artikel durch eine manchmal gewagt anmutende Offenheit gegenüber den kulturellen Phänomenen auszeichnen und eher deren besondere Herausforderungen und auch Chancen als die ­ freilich meist nicht ausgeblendeten ­ Gefahren hervorheben, akzentuiert der letzte Beitrag dieses ersten Teils deutlich anders. K.-H. Bieritz beschreibt mit schneidender Kritik "Kult-Marketing. Eine neue Religion und ihre Götter" (115-129). Vielleicht markiert er dabei mit seiner ostdeutschen Perspektive eine gewisse Grenze der vorhergehenden Öffnungen dahingehend, daß ihre Verwurzelung in der westdeutschen Diskurskultur und den volkskirchlichen Verhältnissen aufscheint. Schon der Beitrag von W. Ratzmann enthält entsprechende Hinweise.

Vielleicht das Spannendste an der Festschrift ist jedoch, daß im zweiten, "Kulturen des Gottesdienstes ­ Annäherung und Ansichten" überschriebenen Teil (133-277), der auch einige eher festschrifttypische Beiträge wie exegetische Überlegungen, allgemeinere Abhandlungen, Andachten und Predigten enthält, W. Gräb mit seinem Beitrag "Neuer Raum für Gottesdienste ­ Raum für neue Gottesdienste?" (172-184) gewissermaßen Bieritz antwortet und unter dem Untertitel "Die zeitgenössische Konsum- und Erlebniskultur als Herausforderung an die Ästhetik gottesdienstlicher Räume" Vorschläge für einen konstruktiven praktisch-theologischen Umgang mit dem "Kult-Marketing" gibt. Seinen Hinweis auf die zeitgenössische bildende Kunst, die er dem Design entgegensetzt (eine interessante, wenn auch noch auszuarbeitende Unterscheidung), nimmt auf seine Weise R. Volp auf: "Zwischen Tourismus und Totengedenken. Eine Grenzwertbestimmung des Gottesdienstes als Gedächtsniskult" (243-255) erklärt er anhand seiner Bemühungen um eine praktisch-theologisch verantwortete Konzeption des Wieder- (oder besser Neu-?)aufbaus der Dresdener Frauenkirche.

Die Festschrift wird abgerundet durch eine Bibliographie des Jubilars, die auf ihre Weise noch einmal seine Offenheit gegenüber der zeitgenössischen Kultur dokumentiert.