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Ausgabe:

Juli/August/2006

Spalte:

941 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Ritzer, Georg

Titel/Untertitel:

Reli oder Kaffeehaus. Eine empirische Spurensuche nach Einflussfaktoren zur Beteiligung am und Abmeldung vom Religionsunterricht bei über 1500 SchülerInnen. M. e. Handreichung zur Evaluierung der Einflussfaktoren an Schulen.

Verlag:

Thaur-Wien-München: Druck- & Verlagshaus Thaur 2003. 218 S. m. Tab. 8°. Kart. Euro 17,40. ISBN 3-85400-125-8.

Rezensent:

Martin Rothgangel

Ausgangspunkt der Studie ist die religionsdidaktisch aufschlussreiche Frage, warum sich Schüler und Schülerinnen vom Religionsunterricht abmelden bzw. welche Faktoren abgemeldete Schüler wieder zur Teilnahme bewegen können. Zielgruppe dieser Untersuchung des promovierten Religionslehrers Georg Ritzer waren Schüler und Schülerinnen im Bundesland Salzburg. Insgesamt nahmen 1536 Schüler im Alter von 14 bis 22 Jahren an der Befragung teil, wobei die Verteilung der Stichprobe im Wesentlichen den verschiedenen Schultypen entspricht. Da gleichfalls abgemeldete Schüler zu befragen waren, wurde die Befragung nicht im Religionsunterricht, sondern in einem Fach durchgeführt, an dem alle Schüler teilnehmen.

Der Aufbau dieser Publikation ist konkludent und besteht aus insgesamt acht Kapiteln. Im ersten Kapitel (12­33) legt R. Problemstellung, qualitative Vorarbeiten und theoretische Überlegungen dar. Bemerkenswert ist die qualitative Vorstudie, welche auf Schreibgesprächen beruht zum Impuls »Religionsunterricht Pro ­ Contra. Überzeuge deinen Mitschüler/deine Mitschülerin, dass deine Entscheidung, am RU teilzunehmen bzw. dich davon abzumelden, die Richtige ist.« (21) Etwas weniger überzeugend sind dagegen die theoretischen Vorüberlegungen zu »guter RU«, »Schulklima«, »Religiosität« und »kognitive Dissonanz«. R. räumt selbst ein, dass in seinen Ausführungen zum guten Religionsunterricht »zentrale Inhalte eher unsystematisch skizziert werden« (23). Einer nachvollziehbaren Herleitung von Items ist dies jedoch abträglich.

Positiv hervorzuheben ist die Erarbeitung eines theoretischen Grundkonzepts mit entsprechenden Hypothesen. Insbesondere wird angenommen, dass sich die subjektive Wichtigkeit und Beliebtheit des Religionsunterrichts auf das Abmeldeverhalten auswirken (32). Soziodemographische Faktoren, die Qualität des Religionsunterrichts, die Wertschätzung des Religionsunterrichts, die Religiosität der Schüler und schulische Rahmenbedingungen werden als weitere Faktoren angenommen, welche sich sowohl auf die Einstellung bezüglich Wichtigkeit und Beliebtheit des Religionsunterrichts als auch direkt auf das Abmeldeverhalten auswirken.

In den Kapiteln 2 und 3 legt R. Fragebogen, Anlage und Stichprobe der Untersuchung (33­41) sowie einen Überblick über die Dimensionen der Untersuchung (41­45) dar. Im vierten Kapitel (45­60) folgt mit der Erörterung der Veränderungstendenzen sowie der Beliebtheit und Wichtigkeit des Religionsunterrichts die Analyse der abhängigen Variablen. Dabei zeigt sich u. a., dass der Religionsunterricht bei Schülern zwar sehr beliebt, aber nicht sonderlich wichtig ist. Auch lassen sich Schüler, die sich selbst vom Religionsunterricht abmelden können, nur schwer wieder umstimmen. ­ Die Vorstellung der unabhängigen Variablen wie Qualität des Religionsunterrichts, Schulklima, Zeitgewinn durch Abmeldung, religiöse Sozialisation und Spiritualität folgt im fünften Kapitel (60­143).

In diesem Zusammenhang finden sich zum einen wenig überraschende Ergebnisse (religiös sozialisierte Schüler und Schülerinnen melden sich seltener vom Religionsunterricht ab, 88; je spiritueller sich Schüler einschätzen, »desto positiver beurteilen sie auch den RU«, 123), zum anderen jedoch auch bemerkenswerte Befunde: Ein gutes Schulklima hängt positiv mit der Akzeptanz des Religionsunterrichts zusammen (84); interessant ist gleichfalls, dass an Schulen mit dem Angebot von Ethikunterricht deutlich mehr Schüler am Religionsunterrichts partizipieren als in Schulen, an denen kein Ethikunterricht angeboten wird (143). Abgesehen vom ersten Jahr der Einführung von Ethikunterricht stärkt dieser den Religionsunterricht. Dies ist wahrscheinlich dadurch bedingt, dass Schüler durch eine Abmeldung vom Religionsunterricht keinen Zeitgewinn erzielen (136).

Auch wenn die Ergebnisse in der Regel vorhersehbar sind, ist es wichtig, dass R. im sechsten Kapitel mit Hilfe multivarianter Verfahren Einflussfaktoren auf das Abmeldeverhalten sowie die Akzeptanz des Religionsunterrichts analysiert (144­172). Das siebte Kapitel »Zwei Schulen im Vergleich« (173­176) verdient in Verbindung mit dem im Anhang beigefügten Fragebogen beachtet zu werden, weil auf dieser Grundlage die gleichfalls notwendige Fokussierung auf konkrete Schüler, Klassen oder Schulen ermöglicht wird. Eine Diskussion der methodischen Vorgehensweise sowie Schlussfolgerungen aus den empirischen Ergebnissen runden die vorliegende Studie im letzten Kapitel ab (177­193), deren empirische Vorgehensweise valide ist. Allein in den Schlussfolgerungen wünschte man sich vergleichbar zu den theoretischen Vorüberlegungen eine noch tiefgreifendere Auseinandersetzung. Ernüchternd ist das Fazit: »Es ist leichter SchülerInnen vom RU zu verlieren, als sie, wenn sie erst einmal abgemeldet sind, wieder für den RU zu begeistern.« (191)