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Ausgabe:

Juli/August/2006

Spalte:

892 f

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Kuropka, Joachim [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Geistliche und Gestapo. Klerus zwischen Staatsallmacht und kirchlicher Hierarchie.

Verlag:

Münster: LIT 2004. 307 S. m. Abb. gr.8° = Anpassung ­ Selbstbehauptung ­ Widerstand, 23. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-8258-8115-6.

Rezensent:

Martin Greschat

Die Leitfrage des Herausgebers zielt auf das Thema des christlichen Widerstandes. Einleitend entfaltet er seine Position in der kritischen Abgrenzung gegenüber breiten Teilen der allgemeinen Historiographie, die nur mit Vorbehalten von einem christlichen Widerstand zu reden pflegt (7­44.45­65). Dagegen verweist Kuropka auf das Faktum, dass das nationalsozialistische Regime die Kirchen, insbesondere die katholische Kirche, als »durchaus reale und aktive Bedrohung angesehen« habe (55). Das sei insofern folgerichtig, als sich der Nationalsozialismus als »Glaubenshaltung« mit Absolutheitsanspruch verstand, wodurch der prinzipielle Gegensatz zum Christentum gegeben war. Aufrufe »zu aktivem politischen Widerstand« könne man allerdings von ihm nicht erwarten. Ob im Christentum trotzdem »die einzige Chance für eine erfolgreichen Widerstand« lag (60), wird man bezweifeln dürfen.

Im Rahmen dieses weit gespannten Verständnisses von Widerstand bietet das Buch acht Spezialstudien, davon sechs zu einzelnen Persönlichkeiten. Durchweg wird dazu ein charakteristisches Dokument abgedruckt. Wolfgang Dierker fasst die Ergebnisse seiner Dissertation über die speziell gegen die katholische Kirche gerichtete Arbeit des Sicherheitsdienstes der SS zusammen (67­92); Thomas Fandel orientiert über die Haltung katholischer und evangelischer Pfarrer in der Pfalz (93­112): Die konfessionellen Spannungen in der Region wurden durch die Hinwendung vieler Protestanten zum Nationalsozialismus einerseits und dessen breite Ablehnung durch den katholischen Klerus andererseits vertieft. Fandel votiert dafür, dieses Verhalten, in Anlehnung an Martin Broszat, als »Resistenz« zu bezeichnen, weil es sich dabei niemals um eine »Aufkündigung der politischen Loyalität« handelte (106). Klemens-August Recker bietet einen Überblick über Auseinandersetzungen der Geistlichkeit mit der Gestapo im Bistum Osnabrück (113­139). Dabei wird deutlich, wie die ernsthafte Wahrnehmung der pastoralen Verantwortung zu Spannungen und dann auch zu Konflikten mit dem Regime führte. Ein analoges Bild zeichnet Reinhard Rittner im Blick auf die Haltung des evangelischen Kirchenrates Hermann Buck (141­168). Er trat mit Zivilcourage entschieden für »christliche Wert- und Normenvorstellungen« ein (165). Anschauliche Beispiele für ähnliche Verhaltensweisen bieten die Darstellungen von Maria Anna Zumholz über Gottfried Engels in Peheim (169­200) und Rudolf Willenborg über Franz Sommer in Bösel (201­229). Hier wie da begegnen wir selbstbewussten Persönlichkeiten, die bereits vor dem Auftreten des Nationalsozialismus in ihren Gemeinden einen integralen Katholizismus durchzusetzen versuchten: offenbar auch erfolgreich, denn nach 1933 bot dieses Milieu ihnen Schutz. Joachim Kuropka »entmythologisiert« das widerständige Verhalten des 1936 im Kampf um die Kreuze in den Schulen Südoldenburgs hervorgetretenen Johannes Görken (231­254). Rainer-Maria Groothuis schließlich würdigt den Einsatz des Dominikaners Aurelius Arkenau für Verfolgte (255­283). Besonders instruktiv erscheint dabei sein ausdrücklicher Hinweis, dass das »Hauptmotiv« für sein Handeln »nicht ein unmittelbar religiöses, sondern ein menschliches« war (264). Er leistete konkrete und für einen Priester sehr unkonventionelle Hilfen (z. B. durch die Unterstützung von Passfälschungen) aus einem zutiefst humanen Empfinden heraus.

Nur bedingt belegen diese Studien das Konzept eines umfassenden Widerstands gegen den Nationalsozialismus auf Grund des christlichen Glaubens. Aber sie bieten Materialien und Anregungen für die keineswegs abgeschlossene Frage nach der Eigenart des »christlichen Widerstands«.