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Ausgabe:

Juli/August/2006

Spalte:

884–886

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hasse, Hans-Peter, u. Günther Wartenberg [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Caspar Peucer (1525­1602). Wissenschaft, Glaube und Politik im konfessionellen Zeitalter.

Verlag:

Im Auftrag d. Stadt Bautzen hrsg. unter Mitarbeit v. A. Wieckowski. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2004. 381 S. m. Abb. gr.8°. Geb. Euro 28,00. ISBN 3-374-02106-9.

Rezensent:

Volker Gummelt

Immer wieder erfreulich ist es, wenn Jubiläen dazu genutzt werden, lang gehegte Forschungsvorhaben in Angriff zu nehmen. Die 1000-Jahr-Feier der Stadt Bautzen und der 400. Todestag von Caspar Peucer bildeten die äußeren Anlässe dafür, dass im September 2002 mit einem wissenschaftlichen Kolloquium in Bautzen einer der bedeutenden Söhne dieser Stadt gewürdigt wurde. Der nun vorliegende Band vereinigt die dort vorgetragenen Beiträge.

Caspar Peucer, Schwiegersohn Philipp Melanchthons und Verwalter seines Erbes, bedeutender Universalgelehrter, Leibarzt verschiedener deutscher Fürsten und der wohl prominenteste Vertreter der Gruppe der sog. »Kryptocalvinisten«, gehört zu den Gestalten des konfessionellen Zeitalters, die ­ wie oft beklagt ­ von der Forschung immer wieder vernachlässigt wurden. Zweifellos war die erst in unseren Tagen so intensiv betriebene und auch finanziell geförderte interdisziplinäre Zusammenarbeit eine entscheidende Voraussetzung dafür, sich umfassender als bisher dem wechselvollen Leben und breit gefächerten Schaffen Peucers zuzuwenden.

Der zu Beginn dieses Bandes stehende Beitrag von Günther Wartenberg (»Caspar Peucer ­ ein Humanist und Universalgelehrter im konfessionellen Zeitalter«, 19­31) führt übersichtlich und fundiert in Peucers Leben auf dem Hintergrund der damaligen landes- und reichspolitischen Situation ein. Die folgenden insgesamt 14 Aufsätze betrachten dann einzelne Bausteine der Biographie Peucers, seines Werkes und dessen Wirkung sowie die Hintergründe seiner Tätigkeit genauer.

Ulrike Ludwigs Ausführungen, überschrieben mit »Caspar Peucer als Professor an der Artistenfakultät der Universität Wittenberg« (33­49), gehen nicht nur auf diese vielfältige Tätigkeit Peucers ein (er hielt Vorlesungen u. a. zur Astronomie, Arithmetik, Geometrie, Optik und Kosmographie), sondern geben zugleich einen Überblick über seine Beziehung zur Wittenberger Universität seit dem Beginn des dortigen Studiums im Jahre 1540 bis zur Entlassung als Medizinprofessor im Jahre 1574. Martin Roebel, der seinerzeit über Peucers medizinische Deklamationen promoviert wurde, stellt »Caspar Peucer als Humanist und Mediziner« (51­73) vor. Bemerkenswert ist dabei Roebels Fazit, dass Peucer auch auf dem Gebiet der Medizin bestrebt war, das Erbe Melanchthons weiterzuführen. Wolf-Dieter Müller-Jahncke (»ðPaganerÐ Protestantismus? Astrologie und Mantik bei den Reformatoren«, 75­90) sowie Michael Weichenhan (»Caspar Peucers Astronomie zwischen christlichem Humanismus und Nicolaus Copernicus«, 91­110) ordnen Peucers Äußerungen zur Astrologie und Astronomie jeweils in einen interessanten geistesgeschichtlichen Zusammenhang ein.

Der gewiss nicht leicht verständlichen Materie des Abendmahlsverständnisses des »Laien« Peucers, das seinerzeit mit dem vernichtenden Urteil des »Kryptocalvinismus« belegt wurde, widmet sich Robert Kolb (111­134). Überzeugend kann er auch anhand bisher nicht beachteter handschriftlicher Aufzeichnungen nachweisen, dass Peucer »Hauptanliegen der Abendmahlslehre des späten Melanchthons bewahrt« hat. Jedoch hat Peucer ­ so Kolb weiter ­ vor allem wohl auf Grund der Lektüre antiker Autoren diese »in entscheidenden Punkten« zu einer »der Lehre Calvins und anderer Theologen des Genfer, Zürcher oder Heidelberger Einflussbereichs parallel laufenden Abendmahlslehre« umgeformt.

Hans-Peter Hasse betrachtet in seinem Aufsatz (135­155) sehr genau den Verlauf des gegen Peucer geführten Prozesses und seiner Haft in den Jahren 1574 bis 1586. Dies geschieht nicht nur mit Hilfe von Peucers eigener, später im Druck erschienenen Darstellung, der »Historia carcerum«, sondern auch auf der Grundlage zahlreichen, im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden aufbewahrten Materials. Dabei gibt Hasse aufschlussreiche Einblicke in die so wechselvolle Beziehung Peucers zu dem sächsischen Kurfürsten August. Jener Beziehung widmet sich auch Jens Bruning in seinem Beitrag (157­174), wobei er vor allem ­ wie im Untertitel formuliert ­ »Grundlinien kursächsischer Reichs- und Konfessionspolitik« in den Jahren 1555 bis 1586 aufzeigt.

Regionalgeschichtlich interessant sind die Studien von Uwe Koch (»Die Familie Peucker und Caspar Peucers Beziehungen nach Bautzen«, 175­187) sowie von Hagen Schulz (»Bautzen zwischen Reformation, Pönfall und Dreißigjährigem Krieg«, 189­236). Inhaltlich gesehen hätte sich nach diesen Ausführungen gewiss gut die Untersuchung von Rainer Kössling zu »ðIdyllium PatriaÐ ­ Caspers Peucers Lobgedicht auf die Oberlausitz« angeschlossen, die sich nun fast am Ende des Bandes findet (299­317). Ebenso ist bei dem Beitrag von Nicole Kuropka zur Beziehung von »Caspar Peucer und Philipp Melanchthon« (237­257) verwunderlich, dass dieser nicht in den vorderen Teil des Bandes gerückt wurde. Kuropkas Darstellung zeigt wieder einmal, welch eine Fülle an Informationen aus der fundierten Editionsarbeit des Melanchthon-Briefwechsels zu entnehmen ist. Der langjährige Hauptherausgeber dieses Briefwechsels, Heinz Scheible, stellt in diesem Band eine »Nebenfurcht« seiner Tätigkeit vor (259­272). Vier Briefe Peucers an den Prinzen bzw. Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz, die heute in einer Sammlung von Schreiben Melanchthons in der Biblioteca Apostolica Vaticana aufbewahrt werden, sind der Gegenstand seiner fachkundigen Ausführungen. Dabei kann Scheible dokumentieren, in welcher Weise Peucer versuchte, politisch-erzieherisch Einfluss zu nehmen. Eine ganz andersartige Einflussnahme Peucers untersucht Doris Teichmann in ihrem Aufsatz zu »Caspar Peucer und die Beziehungen der Wittenberger Reformatoren zu den Böhmischen Brüdern« (273­282). Die Beziehung zwischen Peucer und den Böhmen dürfte eine besondere gewesen sein, denn ­ wie Teichmann resümiert ­ Peucer war »die ethische Zusammengehörigkeit der Slawen, zu der auch seine sorbischen Landsleute gehörten, bewusst.« Joachim Castan hat wiederum sehr detailliert und auf dem Hintergrund der landespolitischen Situation »Caspar Peucers letzte Lebensperiode in Anhalt« ­ also die Jahre 1586 bis 1602 ­ erforscht (282­297). In einer Art Miszelle stellt Ophelia Rehor anhand von vier Abbildungen abschließend »Caspar Peucer im Porträt« vor (319­326). Eine Bibliographie der gedruckten Werke Caspar Peucers, die immerhin 251 Nummern umfasst (327­368) und von Jürgen Hamel und Martin Röbel zusammengestellt wurde, rundet diesen Band ab und wird ­ wie so mancher der hier vorgelegten Aufsätze ­ sicher zur Weiterarbeit anregen.

Hohe Anerkennung gebührt den Herausgebern für das gewiss nicht leichte Zustandekommen dieses nun sehr einheitlich gestalteten Bandes. Die in mehreren Beiträgen zu findende Anmerkung, man danke Hans-Peter Hasse, weist darauf hin, dass viele der hier abgedruckten Untersuchungen nur mit Hilfe seiner intensiven Begleitung zu Stande gekommen sind.