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Ausgabe:

Juni/2006

Spalte:

808 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Klein, Dieter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Jehova se nami nami. Die Tagebücher der Johanna Diehl. Missionarin in Deutsch-Neuguinea 1907­1913.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 2005. XX, 249 S. u. 12 S. m. Abb. gr.8° = Quellen und Forschungen zur Südsee. Reihe A: Quellen, 1. Kart. Euro 8,00. ISBN 3-447-05078-0.

Rezensent:

Theodor Ahrens

Als ersten Band einer neuen Reihe zu Quellen und Forschungen der Südsee, die sich insbesondere mit »der Perspektive der Frau im kolonialen Alltag Deutsch-Neuguineas« befassen wird, veröffentlicht der Herausgeber die Tagebücher der Johanna Diehl. Johanna Diehl war die zweite Ehefrau Wilhelm Diehls, der als Vertreter der Barmer Mission Stationsmissionar in Bogadjim, Astrolabe Bay, in Nordostneuguinea, und Nachfolger von Albert Hoffmann, dem späteren Missionsinspektor in Wuppertal, war. Johanna Diehl reist, aus einem bäuerlich-erwecklichen Milieu im Sauerland kommend, nach einer damals immer noch praktizierten Missionsverlobung auf Grund der Vermittlung von Missionsfreunden, ohne ihren künftigen Mann zu kennen, 1907 nach Neuguinea und heiratet dort den verwitweten Wilhelm Diehl. In ihren gewiss nicht für eine Veröffentlichung gedachten Tagebüchern berichtet sie nüchtern und schmucklos über ihr Wirken und Wirtschaften auf der Missionsstation Bogadjim, über Kontakte zwischen den Missionarsfamilien und Angehörigen der Neuguinea Kompanie.

Missionsstationen waren, wie der Herausgeber der Reihe Hermann Hiery einleitend zu Recht notiert, ökonomisch und symbolisch gesehen wichtige Zentren gesellschaftlichen Umbruchs in Melanesien. Wer freilich erwartet, Johanna Diehls Tagebuchnotizen würden den Blick einer Frau auf melanesische Kultur und Gesellschaft erschließen, wird weitgehend enttäuscht. Johanna Diehl bleibt orientiert an Haus und Garten, wo sie ­ ähnlich wie eine Bäuerin auf einem kleinen sauerländischen Bauernhof ­ als Hausfrau und Herrin über Hausangestellte schaltet und waltet. Von dort aus öffnet sie sehr gelegentliche Blicke auf das benachbarte Dorf Bogadjim. Erstaunlich ist, wie wenig sie über ihre Interaktionen mit und ihre Beziehungen zur lokalen Bevölkerung schreibt. Die Tochter, häufig kränkelnd oder krank, bleibt eine durchgehende Sorge der Mutter. Berichtet wird von kleiner und großer Wäsche, Versorgung vieler Gäste, die kommen und gehen, vom Warten auf Post. Mit im Hause lebt »der Bruder Eiffert«. Dessen Kommen und Gehen in die benachbarten Dörfer und entfernte Regionen wird von ihr regelmäßig und teilweise auf die Stunde genau registriert. Beispielsweise erzählt sie, dass »Bruder Eiffert« am 31. August »morgens nach Bongu« reitet, »am 1. September« ­ einziger Eintrag ­ »kommt Eiffert nachmittags zurück«. Das Leben unter den klimatischen und logistischen Verhältnissen unter einem Dach mit einem einquartierten Kollegen des Mannes, der wie ein Pensionsgast versorgt wurde, und der damit gegebene Mangel an Privatheit waren vermutlich nicht einfach. Von ihren Emotionen erfahren wir wenig, mit Ausnahme der Notizen zu Anfang, als sie ihrem Verlobten das erste Mal begegnen soll. Selten äußert sie Befremden, Ärger oder Urteile über Kollegen ihres Mannes oder deren Ehefrauen.

Der Wert dieser Veröffentlichung wird sich deutlicher herausschälen, wenn die Aufzeichnungen anderer Frauen, die damals im kolonialen Milieu des Bismarck-Archipels lebten und schrieben, veröffentlicht sein werden und für eine vergleichende Analyse zur Verfügung stehen.