Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2006

Spalte:

534–536

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Vogüé, Adalbert de

Titel/Untertitel:

Histoire littéraire du mouvement monastique dans l¹antiquité

Verlag:

Première Partie: Le monachisme latin. L¹essor de la littérature lérinienne et les écrits contemporains (410­500). Paris: Cerf 2003. 475 S. gr.8° = Patrimoines christianisme. Kart. Euro 55,00. ISBN 2-204-07015-7.

Rezensent:

Heinrich Holze

Mit dem vorliegenden Band setzt Adalbert de Vogüé, Abt von La-Pierre-qui-Vire und Nestor der französischen Aszetik, das große Projekt einer Geschichte der monastischen Literatur in der Antike, dessen erster Teil das lateinische Schrifttum umfasst, fort. Die bereits vorliegenden Bände 1­6 behandeln Texte von der Mitte des 4. bis zum Anfang des 5. Jh.s, einsetzend mit dem Tod des Antonius und der Pilgerreise der Egeria über Hieronymus, Augustin und Rufin bis hin zu Johannes Cassian. Im Mittelpunkt des 7. Bandes steht das Inselkloster Lérins, wo das geistliche Leben unter dem Einfluss Augustins, aber auch in Auseinandersetzung mit seiner Gnadenlehre eine Blüte erlebt.

Kapitel 1 nimmt seinen Ausgangspunkt am Lebensende Augustins und beleuchtet die zwischen Gallien und Afrika bestehenden Verbindungen, die in der Gestalt des aus Gallien stammenden Mönchs Leporius sichtbar werden. Weitere Themen sind die Reform des Klosters von Hippo; die durch eine Schrift Augustins im Kloster Hadrumetum entstandenen Turbulenzen; die Anfänge theologischer Kontroversen in der Provence um Augustins Gnadenlehre; die Briefe Augustins an eine adelige Persönlichkeit, die Enthaltsamkeit gelobt, diese aber wieder aufgegeben hatte.

Kapitel 2 beleuchtet die Anfänge des Mönchtums von Lérins, die in der »Zweite(n) Regel der Väter« ihren Ausdruck gefunden haben. Der Vf. untersucht die Beziehung dieser Regel zur augustinischen Tradition, insbesondere zur »Regel der Vier Väter« und zur »Regel des Makarius«. Er entfaltet den geistlichen Gehalt, die Bedeutung von Liebe und Gehorsam und beschreibt die Praxis des Stundengebetes sowie die Disziplinarordnung. Das Mönchtum von Lérins hat, obwohl von seinen Ursprüngen könobitisch, die Dimension des Alleinlebens nicht außer Acht gelassen: Die Zellen der Eremiten umgeben das gemeinschaftliche Gebäude. Die »Zweite Regel« ist ein Zeugnis für diese Tradition des großen Inselklosters.

Kapitel 3/4 behandeln Werke des Eucherius von Lyon. Am Anfang steht die Analyse von »De laude eremi«, eine Eloge auf das klösterliche Leben. Sie verdankt ihre Entstehung einem Mönch, der zunächst dem Ruf des Bischofs von Arles gefolgt, dann aber auf die Insel von Lérins zurückgekehrt war. Eucherius nimmt das zum Anlass, eine Schrift zum Lobe der Wüste, die zum Bild für das monastische Leben wird, zu verfassen. Auch Gestalten der Bibel werden in monastischer Perspektive interpretiert. Die Schrift endet mit einer Hommage des klösterlichen Lebens auf Lérins. Die Rückkehr des Hilarius auf die Insel beschließt das Kapitel. Sodann gibt der Vf. eine Analyse von »De contemptu mundi«, worin Eucherius den künftigen Bischof von Cimiez auffordert, die Welt zu verlassen. Die Schrift bietet in ihrem ersten Teil Reflexionen zum Geist als Bild Gottes und zum irdischen Leben als Wegbereitung des ewigen Lebens; im zweiten Teil folgen Erwägungen zum Wirken Gottes und zu den seiner Liebe entsprechenden Tugenden.

Kapitel 5 hat das Leben des Honoratus, Gründer des Klosters von Lérins, wie es von Hilarius von Arles dargestellt wird, zum Gegenstand. Nach der »Vita Martini« des Sulpicius Severus handelt es sich um die zweite Lebensbeschreibung eines abendländischen Mönchs. Sie beschreibt nach einer panegyrischen Einleitung die Bekehrung des Honoratus, seine Askese und Hinwendung zum Orient, die Gründung des Inselklosters von Lérins, die Leitung der Mönchsgemeinschaft und deren weite Ausstrahlung. Es folgt als Einschub die Bekehrung des Hilarius. Den Abschluss bilden das bischöfliche Wirken und das Lebensende des Honoratus in Arles. Im Unterschied zur Vita Martini ist die Darstellung ganz auf das monastische Leben konzentriert.

Kapitel 6 nimmt die monastische Literatur Südgalliens zur Zeit der Völkerwanderung in der ersten Hälfte des 5. Jh.s in den Blick. Das Epigramm des Paulinus von Périgueux bietet, indem es die moralischen Ursachen des Wandaleneinfalls benennt, ein satirisches Kontrastbild der christlichen Gesellschaft. Die gleiche Ausgangssituation ist für die Schrift »Carmen de providentia divina« Anlass, in einem Gedicht das Unglück der Zeit und die Lehren, die daraus zu ziehen sind, zu meditieren. Zu den weiteren Schriften gehören der Brief von Papst Coelestin I. an die Bischöfe von Narbonne und Vienne, der an die Adresse Cassians gerichtete »Liber contra collatorem« des Prosper von Aquitanien, das Commonitorium des Vinzenz von Lérins sowie verschiedene Werke des Salvien von Marseilles, u. a. die Schrift »De gubernatione Dei«, worin der christliche Gottesglauben angesichts der Schrecken der Völkerwanderung verteidigt wird.

Kapitel 7/8 sind Faustus von Riez, dem dritten Abt von Lérins, gewidmet. Zunächst werden seine panegyrischen Schriften, die Elogen auf die Lériner Äbte Honoratus und Maximus, vorgestellt, die neben einer biographischen Würdigung auch Informationen über die Regeln von Lérins und das geistliche Leben im Inselkloster enthalten. Sodann werden die Predigten an die Mönche auf ihre theologischen und spirituellen Aussagen hin analysiert. Mit ihren Aussagen zu Gehorsam und Demut, zum gemeinschaftlichen Leben in der Einsamkeit und zur täglichen Buße geben sie einen tiefen Einblick in den Geist dieses Mönchtums.

Kapitel 9 behandelt drei verschiedene Schriften. Zunächst werden die Beschlüsse einer Synode von Arles analysiert. Hintergrund sind Spannungen zwischen dem Abt von Lérins und dem zuständigen Bischof über die Leitung der Inselklöster. Im Synodendekret werden die Rechte und Pflichten der Klostergemeinschaft gegenüber dem Bischof festgeschrieben. Erstmals wird damit das strittige Verhältnis zueinander geklärt. Sodann werden die Viten zweier bedeutender gallischer Bischöfe, die das monastische Leben wesentlich gefördert haben, Hilarius von Arles und Germanus von Auxerre, analysiert.

Kapitel 10 behandelt das Werk des Sidonius Apollinaris, der einer vornehmen Lyoner Familie entstammt und als Bischof von Arverna zahlreiche, kulturgeschichtlich wichtige Briefe und Gedichte entworfen hat. Zu seinen Adressaten gehört auch Faustus, Abt von Lérins und späterer Bischof von Riez. Die Korrespondenz zwischen beiden geht auf verschiedene Themen des monastischen Lebens ein. Aus ihr sind die »Predigten an die Mönche von Lérins« des Faustus hervorgegangen.

Kapitel 11 behandelt Werke aus dem Umfeld des Lériner Abtes Porcarius, Nachfolger des Faustus von Riez. Von ihm selbst stammen die »Monita«, die ein wichtiges Zeugnis des geistlichen Denkens in den Inselklöstern sind und den Einfluss Cassians sowie der »Regel der Vier Väter« erkennen lassen. Vermutlich stammt auch die »Regula Macarii«, welche anknüpfend an Hieronymus und Pachomius den Mönchen geistliche Wegweisung gibt, aus seiner Feder. Die »Admonitio ad filium spiritalem« wird unter der Autorschaft des Basilius überliefert, hat aber wohl Faustus als Verfasser.

In seinem Nachwort zieht der Vf. ein Resümee. Die als Überschrift gewählte Formulierung »Das Jahrhundert von Lérins« fasst das Ergebnis prägnant zusammen. Sie unterstreicht die überragende Bedeutung des Inselklosters von Lérins für das monastische Leben Südgalliens und weit darüber hinaus. Der Vf., der aus einer souveränen Kenntnis der Texte heraus geschrieben hat, lässt wie in den vorangegangenen Bänden auch in Band 7 nicht nur die Vielfalt und den Facettenreichtum des monastischen Schrifttums, sondern auch die zahlreichen Querverbindungen, die zwischen den Texten, Personen und Traditionen bestehen, deutlich werden. Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung dieses großen Werkes, das den Reichtum antiker monastischer Literatur erschließt.