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Ausgabe:

März/2006

Spalte:

243–258

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Hartmut Kreß

Titel/Untertitel:

Modernes Religionsrecht im Licht der Säkularisierung und des Grundrechts auf Religionsfreiheit
Ist das »Böckenförde-Diktum« heute noch tragfähig?

1. Säkularisierung und Pluralismus:
Kultureller Rahmen für das heutige Religionsrecht


Seit mehreren Jahren rücken das Thema der Religionsfreiheit, die Beziehung zwischen Staat und Religionen sowie das Staatskirchenrecht bzw. präziser gesagt das Religionsverfassungsrecht wieder ins Licht. Gegenüber den Grundrechts- und Grundwertedebatten, die im letzten Drittel des 20. Jh.s stattfanden, stellt dies ein Novum dar. Die Ursache bilden gesellschaftlich-kulturelle Verschiebungen, die so tief greifend sind, dass sie auch auf die Rechtsordnung, namentlich auf das Religionsrecht ausstrahlen. Die Säkularisierung europäischer Gesellschaften hat sich strukturell verfestigt; die kulturellen Orientierungs- sowie politischen Steuerungskrisen der modernen Staaten westlicher Prägung haben sich verschärft. Letzteres zeigte sich an den Kontroversen über den Gottesbezug in der EU-Verfassung oder am Scheitern des EU-Verfassungsvertrags in den französischen und niederländischen Volksabstimmungen im Mai und Juni 2005.
Im Blick auf das Religionsrecht ist trotz der ablehnenden Volksabstimmungen zum Verfassungsvertrag der Fortgang des europäischen Einigungsprozesses zu beachten. In manchen Ländern Osteuropas kehrt eine Symbiose der Religion, namentlich des katholischen oder des orthodoxen Christentums mit der Nation und dem Nationalstaat zurück, die die säkularen Gesellschaften Mittel- und Westeuropas hinter sich gelassen haben. Es sind sogar Bestrebungen vorhanden – etwa in Bulgarien –, eine solche Restauration mit Hilfe der Religionsgesetzgebung ab zustützen.1 Die Diskussion über gesamteuropäische Perspektiven des Religionsrechts wird sich zweifellos verstärken müssen.2 Da von abgesehen hat in Mittel- und Westeuropa die religiös-weltanschauliche Pluralisierung vor allem auf Grund der migrationsbedingten Zunahme islamischer Bevölkerungsanteile ein kulturell ganz unvertrautes Maß angenommen.3 Dies geht mit einer Säkularisierung in Form von Entkirchlichung einher. In der Bundesrepublik Deutschland lässt die Bindungskraft der großen Kirchen erheblich nach.4 Zugleich entsteht quer durch die Religionen und die Konfessionen ein Fundamentalismus, der sich seinerseits als indirekte, nämlich als antizyklische Folge der Säkularisierung deuten lässt und zugespitzt als »Revanche de Dieu« bezeichnet worden ist.5 Weil politische Theologien an Ausstrahlungskraft zurückgewonnen haben, wird heute sogar die extreme Alternative diskutiert, ob der Staat aus religiöser Perspektive als »Gottesstaat« oder als »Staat ohne Gott« zu deuten sei.
Die Thematik eines theokratischen Staatsbegriffs betrifft vor allem das Selbstverständnis des Islam. Dessen Sprecher äußern sich hierzu allerdings in differenzierter Form. Für Angehörige des Islam, die in westlichen pluralistischen Staaten leben, sei ihre Religion mit der Demokratie durchaus vereinbar, selbst wenn der Islam an Stelle der Volkssouveränität theologisch die Souveränität Gottes in den Vordergrund rücke: »Staatsrelevante Bereiche der Scharia haben für die Muslime in der Diaspora keinen Pflichtcharakter.«6
Für diese heterogenen, zum Teil sogar gegenläufigen Entwicklungen hat der Begriff »Säkularisierung« eine Schlüsselfunktion. Das spiegelt sich auch in der neueren theologischen, philosophischen, rechts- oder sozialwissenschaftlichen Literatur wider.

2. Theorieansätze zur Säkularisierung

Der moderne Säkularisierungsprozess ist unumkehrbar, allerdings auch unabgeschlossen. Schon allein deskriptiv geht es um ganz unterschiedliche Sachverhalte, darunter 1. gesellschaftspolitisch um die Ablösung weltlicher von religiösen Institutionen. Dieser Prozess kulminierte im 19. und 20. Jh. in der endgültigen Loslösung des Staates von kirchlichen Einbindungen. Weil in Deutschland seit 1919 »keine Staatskirche« mehr besteht (Art. 137 Weimarer Reichsverfassung), wird sogar die Auffassung vertreten, der Terminus »Staatskirchenrecht« sei nicht nur unzutreffend, sondern verfassungswidrig.7 2. Auf der Ebene des Alltagsethos bedeutet die Säkularisierung eine Reduktion der Selbstverständlichkeit, mit der Menschen ihre religiösen Überzeugungen bekunden oder religiös fundierte Verhaltensweisen alltäglich praktizieren. 3. Was die geistigen Rahmenbedingungen von Staat und Kultur anbelangt, so umschreibt der Säkularisierungsbegriff die Abkehr gesellschaftlich relevanter Weltdeutungen und Lebensanschauungen von religiösen Überlieferungen.
Führt man sich vor Augen, wie sehr sich solche Entwicklungen wechselseitig verstärken und überlagern, dann steht außer Frage, dass der »Vorgang der Säkularisation« (Ernst-Wolfgang Böckenförde) die europäische Gesellschaftsordnung in ihren Grundlagen bis heute erschüttert. In den modernen mittel- und westeuropäischen Gesellschaften ist Religion keineswegs zum bloßen Epiphänomen geworden;8 sie befindet sich aber im kulturellen Umbruch und in einem Transformationsprozess. Begriffsgeschichtlich lässt sich hierzu aufzeigen, dass in der Neuzeit frühere religiöse, transzendente Vorstellungen säkularisiert, d. h. in profane, immanente Auffassungen überführt worden sind. So erwuchs aus der Idee der Allmacht Gottes die Deutung des Staates als des weltlichen Gottes (Thomas Hobbes) oder aus dem theologischen Motiv der Unsichtbarkeit Gottes die Vorstellung einer die Wirtschaftsordnung regulierenden invisible hand (Adam Smith). Auf die These von Carl Schmitt, alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre seien säkularisierte theologische Begriffe, wird bis heute Bezug genommen.9 Eine Transformation religiöser in weltliche Vorstellungen er folgte im Übrigen auch in der Medizin, indem im 19. Jh. z. B. die kirchlichen Verurteilungen der Homosexualität oder des sog. Selbstmords als Sünde medikalisiert, d. h. durch die Deutung als Krankheit ersetzt wurden, bis diese medizinisch-pathologische Sicht im 20. Jh. von sachgemäßeren medizinischen Interpretationen abgelöst wurde.
Ebenso vielschichtig wie die begriffs- oder ideengeschichtlichen Analysen sind die gedanklichen Bewertungen der modernen Säkularisierung. Verfallstheorien beurteilen sie als Werteverlust, der für die öffentliche Kultur eine bedrohliche Sinnleere und für den säkularisierten Staat ein Legitimationsdefizit erzeuge. Einem anderen Interpretationsansatz gemäß wird die Idee der Säkularisierung begriffspolitisch genutzt, um als paradoxer Relevanzerweis des Religiösen zu dienen, so »dass die These einer säkularisierten Gesellschaft der verzweifelte Versuch sei, an der Zentralität der Religionsfrage für das Problem der gesellschaftlichen Ordnung festzuhalten – aber eben nur noch in Negativ-Fassung«.10 Wiederum anders gelagert: Emanzipationstheorien legen den Akzent darauf, dass die Ablösung des Staates und der Gesellschaft von der Religion und den Kirchen die Voraussetzung für kulturellen, rechtspolitischen und intellektuellen Fortschritt bilde.

3. Protestantisches und katholisches Christentum
im Kontext der Säkularisierung


Ideengeschichtliche Deutungen sowie gedankliche Bewertungen der Säkularisierung sind schon seit dem 19. und beginnenden 20. Jh. zum Thema der Philosophie, Theologie und Kulturwissenschaften geworden.11 Gewichtige Denkansätze konvergieren darin, diesen Prozess als geistesgeschichtlichen Fortschritt zu deuten, der vornehmlich auf protestantische Wurzeln zurück zuführen sei. Dem Vordenker des philosophischen Idealismus, Friedrich Hegel, erschien die Säkularisierung als geschichtlich notwendige Realisierung evangelisch-reformatorischer Ideen in der Welt. Es ging ihm namentlich um das reformatorische Freiheitsverständnis, da er die geschichtliche Evolution als Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit verstand. Auch der Soziologe Max Weber hielt den Protestantismus für eine geistige Basis der modernen Säkularisierung, die er als eine mit der Zunahme an Rationalität einhergehende Entzauberung der Welt begriff. Solche Denkmodelle enthalten die Einschätzung, der Protestantismus habe erhebliche Impulse zur modernen Säkularisierung beigesteuert, deren ideeller Gehalt rationaler Fortschritt, individuelle Selbstbestimmung und persönliche Freiheit seien.12 Der evangelische Theologe und Philosoph Ernst Troeltsch interpretierte das Verhältnis von Protestantismus und Säkularisierung zudem zirkulär: Der Protestantismus habe nicht nur die moderne Säkularisierung mit angestoßen, sondern sei durch diese seinerseits zu eigenem geistigen Fortschritt gelangt.13
Wenn man die Säkularisierung und den Protestantismus so nah aneinander rückt, lässt sich dies auch dahingehend auslegen, dass eine Emanation des Protestantismus in die säkulare Welt, eine protestantische Selbstsäkularisierung und insofern geradezu eine Selbstauflösung des Protestantismus in die moderne Gesellschaft stattgefunden habe. Führt man sich die Identitätskrise vor Augen, in die die institutionalisierten evangelischen Kirchen in der Gegenwart geraten sind, besitzt eine solche Deutung erheblichen Erklärungswert. Sie findet sich nicht nur in neuerer Literatur. Im Kern wurde sie bereits im 19. Jh. von Richard Rothe vorgetragen, der eine Auflösung der christlichen Kirchengeschichte in die »allgemeine Culturgeschichte« und in die »sittliche Gemeinschaft des Staats« vorhersagte.14
So eng der geistesgeschichtliche Zusammenhang zwischen dem modernen Säkularisierungsprozess und dem evangelischen Christentum ist, so geringe innere Verbindung besitzt er andererseits zum katholischen Christentum. Durchdenkt man das Verhältnis von Kirche, Staat und Kultur in der Moderne, ergibt sich idealtypisch ein Bild, demzufolge einerseits Protestantismus und Säkularisierung, andererseits Katholizismus und Laizität mit einander korrelieren. Laizität oder Laizismus lassen sich als gesellschaftliche und staatliche Gegenreaktion gegen geistiges oder weltliches Machtstreben der katholischen Kirche begreifen.15 Theologisch neigte die katholische Kirche seit dem 19. Jh. dazu, sich der Säkularisierung entgegenzustemmen und sich selbst in Antithese zur »modernen« Philosophie und Gesellschaft zu verstehen. Diese seien vom Werteverfall und von einer »Diktatur des Relativismus« – so Joseph Kardinal Ratzinger am 18. April 2005 – geprägt.16 Die Öffnung zur modernen Welt (aggiornamento), die das Zweite Vatikanische Konzil proklamierte, scheint lediglich ein Durchgangsstadium gewesen zu sein.
Die katholische These, derzufolge die säkularisierte Gesellschaft vom Werteverfall charakterisiert sei, vermag freilich weder ideengeschichtlich noch soziokulturell zu überzeugen. Sie verkennt, dass sich in der Gegenwart humane Werte, darunter die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, die ökologische Nachhaltigkeit oder die intergenerationelle Gerechtigkeit, verstärkt oder sich überhaupt neu ausgebildet haben. Darüber hinaus haben sich in der Moderne Normverschärfungen durchgesetzt. Hierfür bildet der Embryonenschutz ein Beispiel. Bis weit in das 19., ja in das 20. Jh. hinein hat die katholische Kirche so gar selbst die These der Spätbeseelung, der späten Menschwerdung und späten Schutzwürdigkeit des vorgeburtlichen Lebens (90. Tag) vertreten. Früher als das katholische Lehramt haben profane Rechtsdokumente – erstmals: das Preußische Allgemeine Land recht 1794 – die modernen medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über das vorgeburtliche Werden des Menschen ernst genommen und die traditionelle Sicht der späten Menschwerdung zu Gunsten eines früh einsetzenden Embryonenschutzes korrigiert.17 Weil in der Moderne solche Normenpräzisierungen erfolgten und weil sich neue humane Wertorientierungen durchgesetzt haben, sind einseitige Werteverfallstheorien unplausibel. Der neuzeitlich-moderne Säkularisierungsprozess entzieht sich jedem monokausalen Deutungsmodell – auch der auf katholischer Seite oft vertretenen These vom Werteverfall.
Ein Autor, der in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die Schlüsselrolle des Säkularisierungsbegriffs für das Verständnis von Staat und Religion aufgegriffen hat, ist der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde. Im Jahr 2004 hat er Beiträge zur katholischen Kirche, zu ihrer Naturrechtslehre und ihrer Lehre von der Religionsfreiheit sowie zum Verhältnis von Staat und Religion, die er in den Jahren 1957 bis 2002 verfasst hatte, in einer Aufsatzsammlung neu ediert und durch Erläuterungen aktualisiert.18 Angesichts des aktuellen Reflexionsbedarfs über Religionsfreiheit, über künftige Weichenstellungen im Religionsverfassungsrecht und über die Verhältnisbestimmung von säkularisiertem Staat, Kirchen und Religionen liegt es nahe, seine Gesichtspunkte genauer zu erörtern.

4. Religion im liberalen säkularen Verfassungsstaat: Das Böckenförde-Theorem

Noch heute wird Böckenfördes Satz aus dem Jahr 1964 (bzw. 1967) häufig zitiert: »Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann«.19 Dieser Satz wird mitunter das Böckenförde-Paradox genannt und ist emphatisch gar als das »berühmte Böckenförde-Diktum« bezeichnet worden, welches nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für die gesamte europäische Staatengemeinschaft gelte.20 Böckenförde geht zu Recht von der Unumkehrbarkeit des Säkularisierungsprozesses aus. Sein Satz nimmt zugleich eine Zuordnung von Staat und Religion vor, die der Moderne gerecht werden soll. Die Basis bildet ein kulturgeschichtlicher Rückblick. Böckenförde beschreibt die Ablösung der weltlichen Rechtsordnung und des Staates aus der Vorherrschaft von Kirchenrecht, kirchlichem politischem Herrschaftsstreben und kirchlicher Lehre seit dem Mittelalter; er erwähnt dabei die Rückschläge, die dieser Emanzipationsprozess erlitt. Hierzu gehörten die Restauration der Idee eines christlichen Staates, des Königtums von Gottes Gnaden und die Symbiose von Thron und Altar im 19. Jh. Sogar nach 1945 waren noch »ideologische Restaurationsversuche eines ›christlichen Staates‹« anzutreffen gewesen, die in damaligen westdeutschen Landesverfassungen ihren Niederschlag gefunden hatten.21 Schon in den 60er Jahren des 20. Jh.s ging es Böckenförde thematisch um das kulturelle Grundlagenproblem, welches seither immer stärker in das Zentrum sozialethischer und kulturphilosophischer Debatten gerückt ist: Dem modernen säkularisierten Staat scheint eine integrierende geistige Basis zu fehlen.
In der Auseinandersetzung mit dieser Problematik griff Böckenförde damals die Einwände auf, die Carl Schmitt gegen ethische »Werte« und gegen eine auf Werte gestützte Orientierung von Staat und Kultur erhoben hatte: Werte stünden in der Gefahr des Subjektivismus, des Positivismus und der Tyrannei, weil sie »je für sich objektive Geltung verlangend, die Freiheit eher zerstören als fundieren«.22 Nun liegt diesem Vorbehalt Carl Schmitts ein verkürzter, ja verzerrender Wertbegriff zu Grunde. Er marginalisiert die Chancen des rationalen Wertediskurses, die Notwendigkeit sowie die Möglichkeit, zwischen konkurrierenden Werten und Normen abzuwägen, Wertvorzugsregeln zu berücksichtigen und zivilgesellschaftlich sowie politisch stets neu ein angemessenes Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Werten herzustellen. Zudem wird beiseite geschoben, dass ethische Werte – darunter Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Nachhaltigkeit – für die vom Staat zu gewährleistenden Grundrechte eine konstitutive Funktion besitzen. Doch in unserem Zusammenhang kommt es darauf an, Böckenfördes An liegen ins Licht zu rücken. Ihm lag daran, zu beiden Konzeptionen, 1. zu einem vormodernen, auf einer religiösen Einheitsidee beruhenden Staatsverständnis (»christlicher Staat«) sowie 2. zu einem – in heutiger Begrifflichkeit gesagt – pluralistischen zivilgesellschaftlichen Wertediskurs eine Alternative vorzuschlagen. Diese sei darin zu sehen, dass der liberale, säkulare Staat auf einer geistigen Grundlage existiere, die, außerhalb seiner selbst angesiedelt, von ihm nicht generiert worden sei und von ihm auch nicht beeinflusst werden könne oder solle. Es sei »der religiöse Glaube seiner Bürger«, von dem eine funktionierende Staatsordnung zehre.23 Böckenförde scheint dies in doppelter Hinsicht gemeint zu haben: 1. deskriptiv, d. h. als Beschreibung moderner kultureller Gegebenheiten sowie 2. präskriptiv, als Leitbild und Sollensnorm, die der Gewährleistung von innerem Frieden und gesellschaftlicher Kohäsion im säkularisierten Staat zu Gute kommen soll. – Weil sein Diktum so häufig zitiert wird, ist nachfolgend nach seiner Überzeugungskraft zu fragen.

5. Ist das Böckenförde-Diktum für
das heutige Staatsverständnis noch tragfähig?


5.1 Soziologischer Wandel



Es mag in den 1960er Jahren im damaligen Westdeutschland soziokulturell noch plausibel gewesen sein, den religiösen Glauben– hiermit war der christliche, vor allem wohl der von der katholischen Kirche repräsentierte Glaube gemeint – als Sinnressource des Staates und der Gesamtgesellschaft zu deuten. Heutzutage greift dies, wie eingangs dargelegt wurde, schon allein soziologisch nicht mehr, da der Anteil der christlich-kirchlich geprägten Bevölkerung insbesondere im Osten und Norden der Bundesrepublik Deutschland abgenommen hat und ein neuer religiöser Pluralismus entstanden ist. Im gegenwärtigen Pluralismus und im weltanschaulich neutralen Staat sind die Auffassungen, die die Kirchen zu moralischen oder politischen Fragen vortragen, nach wie vor ein wichtiger Bestandteil, aber kein Fundament der kulturellen und politischen Meinungsbildung mehr. Von einer »homogenen« Gesellschaft, an der Böckenförde so viel lag,24 wird faktisch nicht mehr auszugehen sein.

5.2 Kirchliche Voten im Spannungsverhältnis zur zivilgesellschaftlichen Konsensfindung



Es kommt hinzu, dass kirchliche Positionen, die den christlichen »religiösen Glauben« wiedergeben sollen, bisweilen weder verallgemeinerungsfähig sind noch überhaupt auf gesellschaftliche Zustimmung angelegt sind. Aus evangelischer Sicht sprach Eberhard Jüngel insofern von »Zumutungen des Evangeliums an die politische Macht«.25 Vor allem die katholische Kirche hat in den zurückliegenden Jahrzehnten häufig Aussagen vorgetragen, die von vornherein nicht konsensfähig waren. Dies zeigte sich an ihren Voten zur Ehe- und Sexualmoral, zur Biomedizin oder auf internationaler Ebene zur Bevölkerungsplanung, zur Geburtenkontrolle und zum Umgang mit AIDS. Die katholische Kirche stellte sich dem Fortschritt biomedizinischer Forschung in der westlichen Welt oder der Geburtenkontrolle und Bevölkerungsplanung in südlichen Kontinenten so nachdrücklich in den Weg, dass dies in Wissenschaft, Publizistik und Politikberatung immer deutlicher kritisiert wird.26 Schon im vergangenen Jahrzehnt war zur Rolle der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland aus juristischer Perspektive die Bilanz gezogen worden: »Die durch die rechtsstaatliche Ordnung geschaffene Harmonie zwischen Staat und Kirche, zwischen staatlichem Geltungsanspruch und individuellem Gewissen ist historisch bedingt und damit nur tatsächlich-zufälliger, nicht prinzipieller Natur. Dieser geradezu glückliche Sachverhalt verdeckt indes, daß es auch Disharmonien, prinzipielle Unvereinbarkeiten geben kann, daß das Christentum im Kern vielleicht nicht fundamentalistisch ist, aber auf fundamentalen und nicht hinterfragbaren Glaubensaussagen beruht und die wesenseigene Potenz zu einem Fundamentaldissens in sich birgt.«27

5.3 Außer- und innerkirchlicher Pluralismus



Die Frage, welchen Beitrag »der religiöse Glaube« (Böckenförde) zur kulturellen Orientierungsfindung, zum gesellschaftlichen Konsens und zur staatlichen Kohäsion leistet, bedarf jedenfalls einer differenzierten Beantwortung. Das Gewicht, das nichtreligiös fundierten Ideen, zum Beispiel dem Verantwortungspostulat des »religiös unmusikalischen« Sozialwissenschaftlers Max Weber zukommt, darf nicht unterschätzt werden. Zugleich ist zu beachten, dass christliche Vorstellungen zu gesellschaftspolitischen Themen keineswegs einhellig ausfallen und keinen monolithischen Block darstellen, sondern ihrerseits plural sind, ja dass sie plural sein sollten. Eine hohe Wertschätzung der Meinungspluralität – zumal zu ethischen Fragen – ist herkömmlich im Protestantismus anzutreffen.28 Gegenläufig zur hierarchisch-lehramtlichen Binnenstruktur findet sie sich durchaus auch auf katholischer Seite. So hat der Mailänder Alterzbischof Kardinal Martini der Fundamentalkritik Kardinal Ratzingers an der »Diktatur des Relativismus«, die in der säkularisierten Gesellschaft herrsche, ausdrücklich widersprochen. Martini unterstrich die Legitimität eines »christlichen Relativismus« sogar innerhalb der Kirche selbst, so dass »wir zu leben lernen in der Verschiedenheit«. Er gehört dem Jesuitenorden an, dessen Angehörige die Notwendigkeit eines »katholischen Relativismus« – auch zu moralisch strittigen Themen wie der Embryonenforschung oder der Bewertung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften – wiederholt deutlich gemacht haben.29
So gesehen kehrt die Pluralität ethischer Wertorientierungen, die in der modernen Gesellschaft faktisch vorhanden ist, innerchristlich und innerkirchlich wieder. Weil ein solcher Pluralismus die Chance des konstruktiven argumentativen Dialogs eröffnet, ist dieser Sachverhalt keinesfalls negativ zu bewerten. In Böckenfördes Diktum, das noch das Vorhandensein einer »homogenen« Gesellschaft unterstellte, wird er viel zu wenig berücksichtigt. Jedenfalls wird man heutzutage nicht mehr ungebrochen davon ausgehen können – weder in soziologisch deskriptiver noch in normativer Hinsicht –, dass »der religiöse Glaube« als solcher, sei es das christliche Alltagsethos oder eine kirchliche Lehrmeinung, das geistig-sittliche Fundament der liberalen postreligiösen Staatsordnung gewährleisten könne. Daher kann es auch nicht überzeugen, das Böckenförde-Diktum apologetisch in Anspruch zu nehmen und es dahingehend auszulegen, der Kirche oder den Kirchen falle im säkularen Staat eine Legitimationsfunktion, Deutungskompetenz oder gesamtgesellschaftliche Garantenstellung zu, die derjenigen anderer Institutionen per se überlegen sei.

5.4 Die Gestaltungsverantwortung der Politik



Das christliche Ethos steht in der Pflicht, sich zu Gunsten des Gemeinwohls und des staatlich-gesellschaftlichen Zusammenhaltes aktiv zu engagieren. So sehr dies zu betonen ist, darf an dererseits nicht verkannt werden: Letztlich ist es die praktische Politik selbst, die für die Akzeptanz der staatlichen Ordnung bei den Bürgern Sorge zu tragen hat. Das Böckenförde-Diktum läuft Gefahr, diese Alltagsverantwortung konkreter Politik nicht genügend zu gewichten. Es könnte sogar dahingehend instrumentalisiert werden, dass die Politik ihre Verantwortlichkeit für Werte in der Gesellschaft auf Dritte, darunter die Kirchen, verlagert, um hierdurch zu überdecken, dass der politische Reformstau, die Brüchigkeit gesetzlicher Regelungen oder die Intransparenz bürokratischer oder politischer Entscheidungsprozesse die Ursache dafür sind, wenn zivilgesellschaftliche Wertorientierungen und das Vertrauen der Bürger in die Rechts- und Staatsordnung erodieren. Für die Stabilität der staatlichen Ordnung sind die vom Staat gewährleisteten Grundrechte, aber auch die Nachvollziehbarkeit der konkreten politischen Entscheidungen und die Zuverlässigkeit der staatlichen Institutionen30 ausschlaggebend. Falls das Vertrauen in den Staat und die Rechtsordnung erodiert, gilt: »Legitimation wächst der Rechtsordnung in diesem Falle nur von der Politik her wieder zu.«31 Es wäre kontra produktiv, wenn Theorien über »religiöse« Grundlagen, auf die der säkularisierte Staat sich »legitimatorisch« berufen solle,32 von der konkreten Alltags- und Werteverantwortung der Politik ablenken würden.
Durchdenkt man diese Gesichtspunkte, zeigt sich, dass die Verhältnisbestimmung von Staat und Religion, die das Böckenförde-Diktum vornahm, nicht mehr tragfähig ist. Seine Überlegungen sind jedoch noch in anderer Hinsicht zu beachten, nämlich als Interpretationshilfe zum Verständnis des modernen katholischen Christentums.

6. Religionsfreiheit in der katholischen Kirche in der Interpretation Böckenfördes

Böckenfördes Zuversicht, der religiöse Glaube besitze eine Sinn stiftende Dimension, die auch dem liberalen säkularen Staat zu gute kommen könne, entstammt dem Jahr 1964. Zeitgeschichtlich könnte sich dieser Optimismus aus der damaligen Umbruchsituation des katholischen Christentums erklären. Denn in den 1960er Jahren zeichnete sich im katholischen Christentum ein Positionswechsel zu Gunsten einer der Moderne zugewandteren Sicht ab. Böckenförde hatte schon vor dem Zweiten Vatikanum das herkömmliche, schroff antiliberale und antimoderne Selbstverständnis der katholischen Kirche und ihre Verurteilungen der individuellen Gewissens- und Religionsfreiheit kritisiert.33 Noch in den 1950er Jahren war die katholische Lehre nicht bereit gewesen, nichtkatholische Glaubensüberzeugungen zu tolerieren. Für sie war »Subjekt im Sinne des Rechts … nicht der Mensch als Person, sondern ›die Wahrheit‹, und damit ein abstrakter Begriff«. Für die objektive Wahrheit beanspruchte die Kirche ihrerseits die Definitionskompetenz und Interpretationshoheit. Über das vorkonziliare katholische Christentum fällt Böckenförde das kritische Urteil, dass es den Menschen »zum Objekt dieses Wahrheitsbegriffes erniedrigt. Recht kam nicht dem Menschen als Menschen zu, als Ausfluß seines personalen Seins und zur Sicherung seiner personalen Freiheit, sondern dem Menschen, sofern und soweit er in der religiösen und sittlichen Wahrheit steht. … Recht hatte also nur die Kirche und diejenigen, die ihr angehören.«34 Zugleich lehrte die vorkonziliare katholische Kirche noch in den 1950er Jahren einen Vorrang der kirchlichen vor der weltlichen Rechtslehre. Auf Grund der Theorie der potestas indirecta forderte sie vom Staat, er solle u.a. die kirchlichen Vorstellungen zur Eigentumsordnung, zum Erziehungswesen, zu Ehe, Familie, Geburtenbeschränkung, Sterilisation oder zur Abwehr von verderblichen Einflüssen der Medien umsetzen und die Vorordnung der Kirche beachten. Da »die Kirche weit unmittelbarer zu ihrem göttlichen Ursprung als der Staat« stehe, hätten »in Konfliktfällen … die Interessen der Kirche denen des Staates grundsätzlich vorzugehen«. Der Staat empfange von der Kirche »die obersten sittlichen Normen für sein politisches Handeln«.35
Böckenfördes Analysen zeigen auf, welch großen Einschnitt das Zweite Vatikanum mit sich brachte. Ungeachtet der Doppeldeutigkeit und Dehnbarkeit zahlreicher Konzilsdokumente hat die Kirche 1965 die Menschenrechte anerkannt und ihre Verurteilung der individuellen Gewissens- und Religionsfreiheit zurückgenommen. Die theologische Generalrevision bestand darin, an Stelle des alleinigen Rechtes der objektiven Wahrheit nun das Recht und die Würde der menschlichen Person in den Vordergrund zu rücken.36 Auf dieser Basis konnte die katholische Kirche die Gewissens- und Religionsfreiheit, die essentiell zum individuellen Personsein hinzugehört, jetzt als schutzwürdiges Grundrecht und als schutzbedürftiges Gut anerkennen.
So wegweisend dieser Schritt war – auch im Blick darauf, dass eine »Versöhnung« zwischen katholischer Kirche und moderner liberaler Staatsordnung stattfinden konnte: Die Schattenseiten und Grenzen des Konzils dürfen nicht übersehen werden. Böckenfördes durchgängig positive Bewertung der Konzilsentscheidungen wirft kritische Rückfragen auf.

7. Rückfragen an Böckenfördes Würdigung des Zweiten Vatikanischen Konzils

7.1 Inhaltliche Toleranz?



Trotz der Initiativen, die die katholische Kirche in den vergangenen Jahrzehnten zu Gunsten interkonfessioneller und interreligiöser Verständigung unternahm, fällt auf: Eine inhaltliche, materiale, der Wechselseitigkeit verpflichtete Toleranz, die zum Dialog mit anders Denkenden oder Andersgläubigen auf gleicher Augenhöhe bereit wäre, ist auch auf der Basis des Zweiten Vatikanums nicht entstanden. Böckenförde betont sogar selbst, dass die Konzilsdokumente darin traditionell blieben, dass sie die Pflicht des Menschen aufrecht erhielten, »den wahren« – katholischen – »Glauben zu suchen und anzunehmen«. Ihm zufolge besteht der Unterschied gegenüber der früheren katholischen Wahrheitsdoktrin lediglich darin, dass das Gebot, sich an die katholische Kirche zu halten, nicht mehr als Rechtspflicht, sondern »nur« noch als moralische Pflicht aufgefasst wird. Weil das Konzil zwischen äußeren und inneren, rechtlichen und moralischen Pflichten differenzierte, konnte es für die äußere Rechtsordnung das Grundrecht auf Religionsfreiheit akzeptieren und dem Staat konzedieren, die Religionsfreiheit aller Menschen zu achten. Davon abgesehen gilt aber unverändert fort, »daß der Irrtum kein Recht habe gegenüber der Wahrheit«.37 So erklärt es sich, dass die katholische Kirche ihr Verhältnis zu anderen Kirchen und Religionen bis heute hierarchisch, asymmetrisch bzw. in der Deutungslogik des Modells konzentrischer Kreise versteht, deren Mittelpunkt sie selbst sei, wohingegen andere »sich objektiv in einer schwer defizitären Situation« befänden.38

Dem Ideal einer dialogischen, inhaltlichen Toleranz und echter wechselseitiger Lernbereitschaft wird diese offizielle katholische Position nicht gerecht. Ein solches weitergehendes Anliegen war zum Beispiel im Jahr 1926 bei der Gründung der interreligiösen Zeitschrift »Die Kreatur« durch den Juden Martin Buber, den der Amtskirche entfemdeten Katholiken Joseph Wittig und den protestantischen Arzt Viktor von Weizsäcker leitend gewesen. Sie verwendeten nicht das Bild konzentrischer Kreise mit einer Konfession als Mitte, sondern sprachen perspektivisch von »Intentionen, die sich am Ziel begegnen werden«.39

7.2 Das Problem der geistesgeschichtlichen Verspätung



Böckenförde wertet es als Durchbruch des Konzils, dass es die Differenzierung zwischen Ethik und Recht, d. h. zwischen den vom einzelnen Menschen subjektiv, individuell zu verantwortenden moralischen Überzeugungen einerseits, der staatlich zu gewährleistenden äußeren Rechtsordnung andererseits vollzogen hat. Daher überwand das Konzil die ältere katholische Position, der Staat sei zur Durchsetzung des katholischen Glaubens verpflichtet. Dem Konzil zufolge gehört der Glaube zum forum internum, für das Staat und Rechtsordnung keine Kompetenz besitzen. Daher sollen auch die vom katholischen Glauben abweichenden religiösen Überzeugungen rechtlich, im Rahmen der staatlichen Ordnung geachtet und geschützt werden dürfen. Böckenförde ist zweifellos zuzustimmen: Mit der Einsicht, dass jede persönliche Glaubensüberzeugung rechtlich schutzwürdig ist, hat das Konzil innerhalb der katholischen Theologiegeschichte einen Durchbruch erzeugt.40
Andererseits ist nicht zu übersehen, wie verspätet und überfällig es war, dass die Kirche diese Unterscheidung zwischen der äußeren Rechtsordnung einerseits, den moralischen und religiösen Überzeugungen der einzelnen Menschen andererseits übernahm. Die »Verweltlichung der Gesellschaftslehre« war seit dem 17. Jh. von profanen Naturrechtslehrern, darunter Samuel Pufendorf, durchdacht worden.41 In der neuzeitlichen Naturrechts- und Aufklärungsphilosophie war es zum Gemeingut geworden, sog. vollkommene Pflichten, nämlich Rechtspflichten (officia ex iure) einerseits und sog. unvollkommene, d. h. moralische Pflichten bzw. Gewissenspflichten (officia humanitatis) andererseits voneinander abzuheben, um hinsichtlich Zuordnung, Rang und Verbindlichkeit jeweils Differenzierungen vorzunehmen. Mit Kant gesagt geht es um »Legalität« vs. »Moralität«. An Böckenfördes Interpretationen wird ersichtlich, mit welch großer geistesgeschichtlicher Verspätung die katholische Kirche diesen seit der frühen Neuzeit entwickelten »Gemeinplatz«42 des philosophischen Naturrechts rezipiert hat.
Ähnliches gilt für die kirchliche Anerkennung der individuellen Personwürde. Außerkirchlich hatten sich die Konzeption der Menschenwürde und die Idee der individuellen Menschen- und Freiheitsrechte zumindest seit der Aufklärungsphilosophie und den politisch-verfassungsrechtlichen Dokumenten des 18. und 19. Jh.s, der Virginia Bill of Rights (1776), der französischen Revolution (1789) oder der Paulskirchenverfassung (1849) durchgesetzt. Das Zweite Vatikanum hat grundlegende Einsichten der neueren Rechts- und Kulturgeschichte so spät nachvollzogen, dass heutzutage angesichts drängender Gegenwartsprobleme das Postulat der Beschleunigung die Konsequenz sein müsste. Die katholische Amtskirche vertritt zurzeit zu einer Vielzahl von Themen verhärtete Positionen, nicht nur dogmatisch bei der Verweigerung des gemeinsamen Abendmahls für gemischtkonfessionelle Ehen oder in der Ablehnung des Priesteramtes für Frauen, sondern ethisch bei der Verurteilung gleichgeschlechtlichen Verhaltens, in der Ehe- oder Sexualmoral, zur Bevölkerungsplanung oder in der Bioethik. Angesichts der Verbotsnormen, die die katholische Kirche gegenüber moderner biomedizinischer Forschung errichtet –auch mit der Folge von Forschungsblockaden in den USA oder Europa –, ist daher skeptisch angemerkt worden: »any formal change in the Church’s position is likely to come very slowly, as Galilio’s case once showed.«43

7.3 Bereitschaft zu einschneidenden dogmatischen und moraltheologischen Revisionen?



Böckenförde verlieh dem Kurswechsel, den die katholische Kirche 1965 hinsichtlich der Religionsfreiheit durchführte, noch einen grundsätzlichen ekklesiologischen Sinn: Er nahm ihn als exemplarischen Beleg dafür, dass auch tief verwurzelte, scheinbar unveränderliche Festlegungen der katholischen Kirche faktisch revidierbar seien und eine »Selbstkorrektur lehramtlicher Aussagen« vorstellbar sei. Dies gelte sogar für Lehräußerungen, denen eine sehr hohe Autoritäts- und amtliche Authentizitätsstufe zukomme, z. B. für eine Enzyklika.44

Lässt sich aus dieser These für die Gegenwart eine Perspektive ableiten, dass dogmatische oder moralische Festlegungen, wie sie soeben unter Punkt 7.2 erwähnt wurden, eventuell doch korrigiert werden könnten? Um seine Einschätzung zu belegen, listete Böckenförde Themen auf, zu denen die Epoche des Zweiten Vatikanums damals tatsächlich Korrekturen erbracht hat. Hierzu gehört die Modernisierung und sozialverträglichere Ausformung der Eigentums- und Mitbestimmungstheorie. Noch in den 1950er Jahren dominierte auch bei diesem Thema die Sache über die Person; d. h. das Eigentumsrecht überwog die Person des Beschäftigten, so dass Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern negiert wurden.45 Ferner ist an die Revision der Ehelehre durch das Zweite Vatikanum zu erinnern, auf Grund derer die frühere Vertragstheorie, die den Ehegatten ein Recht auf den Leib des anderen zwecks Zeugung von Nachkommen verlieh, durch ein personales Eheverständnis ersetzt wurde.46 Eine Revision kirchlicher Festlegungen zu dogmatischen oder moralischen Themen ist im Übrigen auch deshalb denkbar, weil die Interpretationsregeln des kanonischen Rechtes an die moderne profane Rechtshermeneutik und Methodenlehre anknüpfen. Dies bietet Ansatzpunkte, kirchliche Gesetze teleologisch zu interpretieren, so dass ihnen ein veränderter Sinn verliehen wird.47

Die katholische Theologie weist häufig darauf hin, dass die Kirche eine permanente lehramtliche Selbstinterpretation vollziehe, der gemäß die Wahrheit, die »als solche« »immer schon« gelehrt worden sei, jeweils vollständiger oder vollkommener dargebracht und zeitgemäßer vermittelt werde. Diese Sicht geht davon aus, dass dogmatische und moraltheologische Lehraussagen durchaus der Fortentwicklung bedürfen. Sie bleibt aber in sofern apologetisch, als sie die Möglichkeit des lehramtlichen Irrtums und die Notwendigkeit zur expliziten Selbstkorrektur überspielt. Böckenfördes Überlegungen sind deshalb interessant, weil sie einen Schritt weiter gehen: Das Zweite Vatikanum habe vorhergegangene Lehrmeinungen – konkret: die Verurteilung der Religionsfreiheit – substantiell korrigiert. Daraus sei zu folgern, derartige grundsätzliche Revisionen und der tatsächliche Bruch mit früheren Aussagen seien für das katholische kirchliche Lehramt realistische Optionen.
Im Licht des motu proprio »Ad tuendem fidem« aus dem Jahr 1998 sowie weiterer Texte aus dem Pontifikat Johannes Pauls II. erscheint diese Sicht gegenwärtig aber sehr zweifelhaft. Böckenförde hat die Verhärtung, die z.B. die Ergänzung des Codex Iuris Canonici im Jahr 1998 (can. 750 § 2) bedeutet,48 in seinem 2004 erschienenen Buch nicht kommentiert. Die Lehren der katholischen Kirche, die explizit als »endgültig« gelten, sind jetzt sogar noch ausgeweitet worden. Sie umfassen z. B. die Ablehnung des geistlichen Amtes für Frauen.49 Die These, fundamentale Revisionen in der Lehre seien vorstellbar, ist 1. auf Grund der Ausweitungen sowie 2. angesichts neuerer Bekräftigungen der Kontinuität, Beständigkeit und Endgültigkeit von Lehrentscheidungen weitgehend hinfällig geworden.

7.4 Innerkirchliche Freiheitsrechte?



Böckenförde befasst sich darüber hinaus mit der katholischen Naturrechtslehre. Seine Überlegungen problematisieren ein neoscholastisches ungeschichtliches Naturrechtsdenken und laufen – wie gesagt – darauf hinaus, einen unmittelbaren Autoritäts- und Geltungsanspruch des kirchlichen Naturrechts für die staatliche Rechtsordnung, also den früheren Integralismus, zu verabschieden. Hierfür beruft er sich letztlich auf Thomas von Aquin, der das naturrechtlich begründete Sittengesetz einerseits, das »menschliche Gesetz« bzw. das weltliche Recht andererseits für nicht deckungsgleich hielt. Vom weltlichen Regiment dürfe nicht erwartet werden, dass es die sittlichen Postulate des Naturrechts durchsetze: »Daher kann das menschliche Gesetz nicht alles verbieten, was das natürliche Gesetz verbietet.«50
Angesichts dessen, dass Böckenförde diese Rücknahme der außerkirchlichen Verbindlichkeit des Naturrechts so betont hat, fällt um so mehr auf, dass er noch 2004 bei der Neuedition seiner älteren Aufsätze den Standpunkt aufrecht erhielt, die lehramtliche Naturrechts- und Sittenlehre könne und solle innerkirchlich streng verbindlich bleiben. Den innerkatholischen Wahrheits- und Autoritätsanspruch, den Papst Johannes Paul II. erhob, akzeptierte er51 und ließ die nochmalige Verstärkung der Lehramtsautorität und die autoritative Verpflichtung der Gläubigen auf die Amtskirche, die 1998 kirchenrechtlich festgeschrieben wurde, unwidersprochen. Adressaten der Gehorsamspflicht sind nun nicht mehr nur die Geistlichen, sondern auch die theologischen Lehrer und alle Gläubigen.52 Was die Stellung katholischer Fakultäten an staatlichen Universitäten anbelangt, dürften hieraus sogar Grundrechtsprobleme resultieren.53 Jedenfalls werden die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Freiheitsrechte innerhalb der Kirche sehr eingeschränkt.
Die Probleme des innerkirchlichen Grundrechtsschutzes, die hieraus folgen,54 klammert Böckenfördes Buch völlig aus. So sehr seine Analysen die weltlich-rechtliche Dimension der Religionsfreiheit herausarbeiten und einschärfen, dass die katholische Kirche seit dem Zweiten Vatikanum die Religionsfreiheit als staatlich garantiertes Grundrecht bejaht, so wenig zieht er innerkirchliche Einschränkungen von Freiheitsrechten in Zweifel. Vielmehr befürwortet er Weisungsrechte des Lehramtes gegen über den Gläubigen. Ihm zufolge waren die vorkonziliaren »naturrechtlich-theologischen Prinzipien der traditionellen Lehre … nicht als solche verfehlt, sie waren es dadurch, dass sie vom moralischen Bereich, in dem der Irrtum in der Tat kein Recht gegenüber der Wahrheit hat, auf den äußeren rechtlichen Bereich erstreckt wurden.« Für die Gegenwart zieht er die Konsequenz: »Deshalb fällt die Lehrautorität und potestas indirecta der Kirche nicht einfach weg, sie mutiert zu einer potestas directa gegenüber den eigenen Gläubigen, die ihnen im Rahmen kirchlicher Kompetenz Orientierung und Antrieb gibt«. Auf dieser Basis sollen die Gläubigen die kirchlichen Normen im gesellschaftlichen Alltag eigenverantwortlich umsetzen. Mit Hilfe einer solchen Betrachtungsweise lasse sich verhindern, dass die Kirche ihre »Wahrheit … in Freiheit hinein verdampfen lässt«. Auch nach dem Konzil sei die »Autonomie der Sachbereiche« in der Welt lediglich »relativ«.55
Noch bevor unter dem Pontifikat Papst Johannes Pauls II. der innerkirchliche Autoritätsanspruch verstärkt wurde, hatte der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann die Schattenseiten solcher Tendenzen analysiert. Seinem Urteil zufolge wäre es »für die Zukunftsträchtigkeit des Christentums« wegweisend, wenn innerkirchlich »eine gewisse Autonomie gegenüber der kirchlichen Hierarchie« geduldet würde.56 Böckenfördes Reflexionen weisen in eine andere, konservative Richtung. Seine Befürwortung einer kirchlichen potestas directa gegenüber den Gläubigen wirkt auf die außerkatholische Wahrnehmung vormodern und letztlich antiliberal. Mit dem reformatorischen »allgemeinen Priestertum aller Gläubigen«, dem protestantischen Kirchen- oder Freiheitsverständnis oder mit philosophisch-ethischen Konzeptionen zur Freiheitsidee lässt sie sich nicht harmonisieren. – Anders verhält es sich mit seinem Verständnis der Religionsfreiheit als eines staatlich zu verbürgenden Grundrechtes. Hier sind Anknüpfungspunkte zu sehen, die die Ethik und das Religionsrecht aufgreifen sollten.

8. Religionsverfassungsrecht:
Individuelle Religionsfreiheit als Norm


Im Anschluss an die älteren Überlegungen Georg Jellineks hat Böckenförde unterstrichen, dass die individuelle Gewissens- und Glaubensfreiheit den historischen Ursprung und einen Kern der modernen Menschenrechtsidee darstellt.57 Heutzutage ist die Religionsfreiheit als »Grundstatus« für das Staatskirchenrecht bzw. – adäquater – für das Religionsverfassungsrecht zu erachten.58 In der evangelischen Theologie bildet die Reflexion kirchen- und religionsrechtlicher Themen bis heute ein Desiderat. Dies zeigt sich auch an der geringen Präsenz von Autoren aus der evangelischen Theologie im eigentlich interkonfessionell an gelegten Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht. Publikationen zum Religionsverfassungsrecht entstammen zumeist der juristischen Feder. Im Vergleich zu Schriften, die das deutsche Staatskirchenrecht vor allem apologetisch darstellen,59 fällt auf, dass in der Schweiz – dort gerade auch auf evangelischer Seite – Bemühungen um eine konstruktive Fortentwicklung der Staat-Kirche-Beziehungen und des Religionsverfassungsrechts anzutreffen sind. Sie orientieren sich am Grundrecht auf Religionsfreiheit. Im Geflecht individueller, kollektiver und korporativer Religionsfreiheit wird der Akzent auf die individuelle Religionsfreiheit gelegt. Staatliches Religionsrecht hat nicht »die Kirche als solche zum Maßstab zu nehmen, auch nicht deren Lehre, sondern den Menschen, der seinen Glauben lebt und deshalb der kirchlichen Gemeinschaft angehört.«60 Dieser Akzent entspricht ganz der protestantischen Verpflichtung auf die Gewissens- und Religionsfreiheit des Individuums61 sowie dem rechtswissenschaftlichen Verständnis individueller Grundrechte.62 Eine Arbeitsgruppe der evangelischen Kirchen in der Schweiz zog daraus die Konsequenz: »Das Selbstbestimmungsrecht ist einem Spannungsfeld von ›Institutionalität‹ und ›Personalität‹ ausgesetzt: Kirchliche Selbstbestimmung ist notwendig zur Verwirklichung der Glaubensfreiheit einzelner Menschen, kann aber gleichzeitig in (potenzielle) Gefährdung individueller Freiheit umschlagen.«63 Die Wahrung der individuellen Religionsfreiheit ist heutzutage zum Beispiel im Bereich der Schule64 oder im Gesundheitswesen relevant. In Kliniken oder Pflegeeinrichtungen können beträchtliche Konflikte aufbrechen, wenn die persönlichen Willensbekundungen von Patienten – etwa zum Abbruch künstlicher lebensverlängernder Maßnahmen – im Widerspruch zu den anders lautenden Leitbildern eines konfessionellen Trägers stehen. Eine Abwägung wird den individuellen Selbstbestimmungsrechten den Vorrang einräumen müssen.65 Blickt man über Europa hinaus, so ist bemerkenswert, dass der Schutz der individuellen Religionsfreiheit inzwischen auch in Israel – ungeachtet der Widerstände in den religiösen Parteien – höchstrichterlich zur Geltung gebracht wird.66
Zieht man aus den voranstehenden Gesichtspunkten ein Fazit, so ist festzuhalten: 1. Reflexionen über das Religionsverfassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa werden die neu entstandenen soziokulturellen Rahmenbedingungen, d. h. die Säkularisierung und Pluralisierung der modernen Gesellschaft als Kontext ernst zu nehmen und aufzuarbeiten haben.67 2. Als Basis und normatives Kriterium der Fortentwicklung des Religionsrechts sind die individuellen Grundrechte, namentlich das Grundrecht von Menschen auf Religionsfreiheit zu Grunde zu legen.68 In dieser letzteren Hinsicht lassen sich manche Impulse Böckenfördes auch heute noch rezipieren, selbst wenn das oft zitierte »Böckenförde-Diktum« insgesamt nicht mehr zu überzeugen vermag.

Summary

Because of the progressive secularisation and pluralisation of society, and as a result of the unification process of the European Union, questions of church-state law and religious constitutional law are becoming relevant once more. In determining the relationship between church and state, the »Böckenförde-Diktum« has long been cited. However, the analysis shows that Böckenförde’s formulation poses considerable problems. Future ethical, theological and judicial reflections on religious constitutional law should respect the transformed socio-cultural framework and view individual basic rights, particularly the basic right of religious freedom, as a normative core.

Fussnoten:

1) Vgl. Martin Illert, Die neuere Entwicklung im Verhältnis zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften in Bulgarien, in: Hartmut Kreß (Hrsg.), Religionsfreiheit als Leitbild. Staatskirchenrecht in Deutschland und Europa im Prozess der Reform, Münster 2004, 305–318.
2) Hierzu ein Buch mit instruktiven Einzelbeiträgen: Müller-Graff, Peter-Christian, u. Heinrich Schneider [Hrsg.]: Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Europäischen Union. Baden-Baden: Nomos 2003. 200 S. 8° = Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration e. V., 50. Kart. € 30,00. ISBN 3-7890-8363-1. – Zur Übersicht über verschiedene religionsrechtliche Systeme vgl. Christoph Winzeler, Zum Religionsverfassungsrecht anderer Länder – ein vergleichender Überblick, in: Friederich, Ueli, Campiche, Roland J., Pahud de Mortanges, René, u. Christoph Winzeler: Bundesstaat und Religionsgemeinschaften. Etat fédéral et communautés religieuses. Überlegungen und Vorschläge für ein zeitgemässes Religionsrecht in der schweizerischen Bundesverfassung. Réflexions et propositions pour un droit en màtiere de religion adapté à notre temps dans la Constitution fédérale suisse. Bern: Lang 2003. 214 S. 8° = Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht. Beiheft, 4. Kart. € 34,50. ISBN 3-03910-117-X; sowie: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht. Bd. 2: G–M. Hrsg. v. A. Frhr. von Campenhausen, I. Riedel-Spangenberger u. R. Sebott unter Mitarbeit v. M. Ganster u. H. Hallermann. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2002. X, 829 S. gr.8°. Geb. € 128,00. ISBN 3-506-75141-7: Art. Kirche und Staat, 414–460 (mit Informationen über zahlreiche europäische und einige außereuropäische Länder).
3) Vgl. Raoul Motika, Gedanken zum Islam in der Europäischen Union, in: P.-Ch. Müller-Graff/H. Schneider (Hrsg.), Kirchen und Religionsgemeinschaften, 49–57.
4) In Deutschland verminderte sich die Zahl der Mitglieder der katholischen Kirche von 1990 bis 2003 um 2,1 Millionen Menschen bzw. um 7,4 %; der Hauptfaktor für die rückläufige Entwicklung beruhte 2003 auf Kirchenaustritten. Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Katholische Kirche in Deutschland. Statistische Daten 2003, Bonn, März 2005, 6 f. Im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland erfolgte von 1990 bis 2002 ein Rückgang des evangelischen Bevölkerungsanteils um ca. 12 %, nämlich von 27,8 % auf 24,4 %; vgl. Evangelische Kirche im Rheinland, Statistik zur Synode, Heft B, Düsseldorf 2004, 3.
5) Vgl. Richard Potz, Der säkulare Rechtsstaat und die christlichen Kirchen in Ost und West, in: Lederhilger, Severin J. [Hrsg.]: Gottesstaat oder Staat ohne Gott. Politische Theologie in Judentum, Christentum und Islam. 4. Ökumenische Sommerakademie Kremsmünster 2002. Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2002. 171 S. 8° = Linzer Philosophisch-Theologische Beiträge, 8. Kart. € 39,00. ISBN 3-631-50389-X: 39–57, hier 45.
6) Nadeem Elyas, Der islamische Staat – Theologische Grundlage und politische Realität, in: S. J. Lederhilger (Hrsg.), Gottesstaat, 104–130, hier 117. Kritisch zu einem theokratischen Verständnis Israels: Daniel R. Schwartz, »Wo wohnt Gott?« Die Juden und ihr Gott zwischen Judenstaat, Diaspora und Himmel, ebd. 58–73.
7) So Peter Häberle; vgl. Dieter Wyduckel, Die Zukunft des Staatskirchentums in der Europäischen Union, in: P.-Ch. Müller-Graff/H. Schneider (Hrsg.), Kirchen und Religionsgemeinschaften, 169–185, hier 181.
8) Vgl. Rolf Schieder, Die Unterscheidung von Politik und Religion als Erbe des Christentums, in: S. J. Lederhilger (Hrsg.), Gottesstaat, 18–38, hier 25.31.
9) Vgl. D. Wyduckel, a. a. O., 172.
10) Niklas Luhmann, zit. nach R. Schieder, a. a. O., 27.
11) Vgl. R. Potz, a. a. O., 40 ff.
12) Ähnlich Ernst Troeltsch, der in seiner Schrift »Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt«, München-Berlin 1906, davon ausging, dass die moderne Freiheitsidee geistesgeschichtliche Wurzeln in der protestantischen Lehre vom innerlich befreiten Gewissen, d. h. in der reformatorischen Rechtfertigungslehre besitze.
13) Vgl. R. Potz, a. a .O., 41.
14) Richard Rothe, Vorlesungen über Kirchengeschichte und Geschichte des christlich-kirchlichen Lebens, Heidelberg 1873, 4.
15) Vgl. Roland J. Campiche, Die Religion: Distanznahme des Staates?, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 4, 19–32, hier 23.20.
16) Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Der Anfang. Papst Benedikt XVI. Joseph Ratzinger (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, 168), Bonn 2005, 14.
17) Vgl. Sabine Demel, Abtreibung zwischen Straffreiheit und Exkommunikation. Weltliches und kirchliches Strafrecht auf dem Prüfstand, Stuttgart 1995.
18) Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Kirche und christlicher Glaube in den Herausforderungen der Zeit. Beiträge zur politisch-theologischen Verfassungsgeschichte 1957–2002. Münster: LIT 2004. VIII, 444 S. gr.8° = Religion – Geschichte – Gesellschaft, 36. Geb. € 39,90. ISBN 3-8258-7554-7.
19) E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, a. a. O., 212–230, hier 229 (im Original kursiv).
20) Wolfgang Vögele, »... wie jede andere Weltgegend auch«? Die europäische Einigung als Thema der evangelischen Kirchen: Verkündigungsraum oder sozialethisches Projekt?, in: P.-Chr. Müller-Graff/H. Schneider (Hrsg.), Kirchen und Religionsgemeinschaften, 59–72, hier 70.
21) E.-W. Böckenförde, a. a. O., 227, Anm. 44.
22) E.-W. Böckenförde, a. a. O., 229.
23) E.-W. Böckenförde, a. a. O., 230.
24) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., 228.229.230.
25) Zit. nach W. Vögele, a. a. O., 68.
26) Zur Biomedizin vgl. z. B. Tony Reichardt, Studies of faith, in: nature Vol. 432, 9 December 2004, 666–669; zu bevölkerungspolitischen Themen vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Aufklärung ist ein Menschenrecht. Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung am 12. Mai 2004, Bonn 2004, 46.51.63.72.
27) Frank J. Hennecke, Rechtsprobleme religiöser Minderheiten im öffentlichen Schulwesen der Bundesrepublik Deutschland, in: Thomas Ellwein u. a. (Hrsg.), Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Band 8/1995, Baden-Baden 1996, 83–105, hier 96.
28) Vgl. Reiner Anselm, Die Kunst des Unterscheidens, in: Ders./ Ulrich H. J. Körtner (Hrsg.), Streitfall Biomedizin, Göttingen 2003, 47–69 (vgl. Rez. in ThLZ 129 [2004], 1346); Peter Dabrock/Lars Klinnert/ Stefanie Schardien, Menschenwürde und Lebensschutz. Herausforderungen theologischer Bioethik, Gütersloh 2004, 53 ff.
29) Zit. nach FAZ 10. Mai 2005, 7.
30) Vgl. z. B. die Problemhinweise des Zentralverbands des Deutschen Handwerks vom 12. Mai 2005, denen zufolge das am 1. Mai 2000 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen keine nennenswerte Verbesserung des Zahlungsverhaltens der Handwerkskunden auch bei staatlichen Institutionen als Auftraggeber und Zahlungspflichtigen bewirkt habe (Zentralverband des Deutschen Handwerks [Hrsg.], Zahlungsverhalten der Handwerkskunden. Ergebnisse einer Umfrage bei Handwerksbetrieben im 1. Quartal 2005, Berlin Mai 2005).
31) Frank J. Hennecke, Gewissen und Widerstand im demokratischen Rechtsstaat. Neue Erfahrungen eines alten Konfliktes, in: Herta Däubler-Gmelin u. a. (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit. FS für Ernst Gottfried Mahrenholz, Baden-Baden 1994, 187–206, hier 204.
32) Vgl. die unter Bezug auf Böckenförde vorgetragene Argumentation von Hermann Lübbe, Staat und Zivilreligion. Ein Aspekt politischer Legitimität, in: Heinz Kleger/Alois Müller (Hrsg.), Religion des Bürgers. Zivilreligion in Amerika und Europa, München 1986, 195–220, hier 205 ff.
33) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., 139.233.
34) E.-W. Böckenförde, a. a. O., 234, vgl. 43.201 ff.
35) J. Fellermeier, Abriss der Katholischen Gesellschaftslehre, Freiburg 1956, zit. nach Karl-Wilhelm Merks, Göttliches Recht, menschliches Recht, Menschenrechte. Die Menschlichkeit des »ius divinum«, in: Bijdra gen. International Journal in Philosophy and Theology 65/2004, 257–282, hier 265.
36) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., 235.
37) E.-W. Böckenförde, a. a. O., 237 f.
38) Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung DOMINUS IESUS. Über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, 6. August 2000 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, 148), Bonn, Nr. 22, vgl. Nr. 17.
39) Martin Buber/Joseph Wittig/Viktor von Weizsäcker, Geleitwort, in: Die Kreatur 1/1926/1927, 1.
40) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., 400 f.
41) Vgl. Bodo Geyer u. a. (Hrsg.), Samuel Pufendorf und seine Wirkungen bis auf die heutige Zeit, Baden-Baden 1996, 14.
42) Wolfgang Kersting, Pflichten, unvollkommene/vollkommene, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 7, Basel 1989, 433–439, hier 436.
43) T. Reichardt, a. a. O., 667.
44) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O. 194 f.243.
45) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., 281.285 ff., bes. 289.
46) Vgl. Klaus Lüdicke, Art. Ius in Corpus, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Bd. 2, 334.
47) Vgl. Richard Puza, Art. Gesetzeszweck, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Bd. 2, 116 f.
48) Vgl. Ilona Riedel-Spangenberger/Norbert Witsch, Art. Lehramt, kath., in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Bd. 2, 713–718, hier 715 f.
49) Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Kongregation für die Glaubenslehre, Lehramtliche Stellungnahmen zur »Professio fidei« (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, 144), Bonn 1998, 23 f.
50) Thomas von Aquin, Summa Theologiae I II q 96 art 2, zit. bei E.-W. Böckenförde, a. a. O., 414.
51) Vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., 313.
52) Vgl. Ludger Müller, Art. Gehorsam, kath., in: Lexikon des Kirchen- und Staatskirchenrechts Bd. 2, 17–19.
53) Vgl. Friedhelm Hufen, Wissenschaftsfreiheit und kirchliches Selbstbestimmungsrecht an theologischen Fakultäten staatlicher Hochschulen. Für eine grundrechtsorientierte Lösung eines alten Problems, in: Dieter Dörr u. a. (Hrsg.), Die Macht des Geistes. FS für Hartmut Schiedermair, Heidelberg 2001, 623–642.
54) Vgl. z. B. Konrad Hilpert, Art. Menschenrechte, in: Lexikon des Kirchen- und Staatskirchenrechts Bd. 2, 778–781, hier 781.
55) E.-W. Böckenförde, So ist Autonomie nicht gemeint (Besprechung zu: Rudolf Uertz, Vom Gottesrecht zum Menschenrecht, Paderborn 2005), in: FAZ 25. April 2005, 42.
56) Franz-Xaver Kaufmann, Kirche begreifen. Analysen und Thesen zur gesellschaftlichen Verfassung des Christentums, Freiburg i. Br. 1979, 105.
57) Vgl. E.-W. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, Frankfurt a. M. 1991 (stw 953), 204 f.
58) Friedhelm Hufen, Art. Religionsverfassungsrecht, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Bd. 3: N–Z. Hrsg. v. A. Freiherr v. Campenhausen, I. Riedl-Spangenberger u. R. Sebott unter Mitarbeit v. M. Ganster u. H. Hallermann. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2004. VIII, 920 S. gr.8°. Geb. € 128,00. ISBN 3-506-75142-5: 424–427, hier 426.
59) So Dirksen, Gesa: Das deutsche Staatskirchenrecht – Freiheitsordnung oder Fehlentwicklung? Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2003. 205 S. 8° = Schriften zum Staatskirchenrecht, 7. Kart. € 39,00. ISBN 3-631-39861-1.
60) Ueli Friedrich, Selbstbestimmungsrecht von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht Beiheft 4, 69–92, hier 78.
61) Angesichts dessen, dass die individuelle Glaubens- und Religionsfreiheit schon allein historisch einen Kern des Protestantismus bildet, überrascht es, dass sich im Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht unter dem Begriff »Religionsfreiheit« (Bd. 3, 408–410) ein staatlicher und ein katholischer, aber kein evangelischer Teilartikel findet.
62) Anger, Thorsten: Islam in der Schule. Rechtliche Wirkungen der Religionsfreiheit und der Gewissensfreiheit sowie des Staatskirchenrechts im öffentlichen Schulwesen. Berlin: Duncker & Humblot 2003. 446 S. 8° = Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft, 152. Kart. € 89,80. ISBN 3-428-11288-1: 92. Dieses Buch enthält in schlüssiger Form u. a. eine Stellungnahme zum »Streit um das Kopftuch«, die das Toleranzgebot berücksichtigt und auf die Wahrung individueller Grundrechte achtet (ebd. 299).
63) Expertengruppe »Religionsartikel« des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Folgerungen, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht Beiheft 4, 93–110, hier 99.
64) Vgl. die Monographie von Thorsten Anger.
65) Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Sterbehilfe und Sterbebegleitung, Bericht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz vom 23. April 2004, 113 ff.117 f.119 ff.
66) Vgl. Gundermann, Albrecht: Die Rolle des Obersten Gerichtshofs bei der Entwicklung der israelischen Verfassung. Baden-Baden: Nomos 2002. 295 S. 8° = Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit, 88. Kart. € 49,00. ISBN 3-7890-7801-8: 142.168 f.175 ff. Das Buch gibt in erhellender Weise vor allem die Rezeption des Menschenwürdebegriffs in Israel wieder.
67) Vgl. o. Abschnitt 1: »Säkularisierung und Pluralismus: Kultureller Rahmen für das heutige Religionsrecht«.
68) Zu Grenzziehungen, die auf dieser Grundlage dann als Anschlussfragestellung zu bedenken sind, vgl. E.-W. Böckenförde, Kirche und christlicher Glaube, 211; ausführlicher hierzu: Ralf B. Abel, Die Entwicklung der Rechtsprechung zu neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in den Jahren 2003 und 2004, in: NJW 2005, 114–119.