Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

203 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Mohr, Till Arend

Titel/Untertitel:

Kehret zurück, ihr Menschenkinder! Grundlegung der christlichen Reinkarnationslehre.

Verlag:

Grafing: Aquamarin 2004. 648 S. 8°. Kart. € 19,95. ISBN 3-89427-275-9.

Rezensent:

Werner Thiede

Der Autor dieses opulenten Werkes ist promovierter Theologe mit esoterisch-gnostisch geprägter Perspektive, weshalb das Buch denn auch in einem esoterischen Verlag erschienen ist. Dass er »der christlichen Reinkarnationslehre« überhaupt erst einmal eine »Grundlegung« zu verschaffen sucht, wie der Untertitel zum Ausdruck bringt, macht von vornherein die Absurdität seines Unternehmens offenbar. Nach seiner Sicht freilich ist die Lehre von den wiederholten Erdenleben in der biblischen Überlieferung erhalten und insbesondere von Jesus selbst gelehrt worden. Demgemäß sei sie auch in der Alten Kirche zwar vom Dogmatismus bedrängt, aber bis zur Verurteilung der Präexistenzlehre des Origenes auf dem V. Ökumenischen Konzil im Jahre 553 immer wieder vertreten worden.
Wie schief, wie im Großen und Ganzen unwissenschaftlich diese aus häretischen Zirkeln wohlbekannte Sichtweise, ja, wie peinlich das Argumentieren auf ihrer Linie angesichts der gesamten Forschungslage ist, scheint M. nicht zu bemerken. Gewiss war der Reinkarnationsgedanke zur Zeit Jesu philosophisch und religiös kein absoluter Fremdkörper; gewiss gab es in der spätantiken Gnosis, beim jüngeren Origenes und später sogar bei dem spiritualisierenden Zwingli Sympathien mit ihm. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass der programmatische Versuch, ihn in diversen Bibelstellen positiv ausgedrückt wiederfinden zu wollen, an den wissenschaftlich-exegetischen Kommentaren scheitert. Nachgerade der im Buchtitel zitierte Aufruf aus Ps 90 »Kehret zurück, ihr Menschenkinder« hat mit Seelenwanderung nichts, aber auch gar nichts zu tun.
M. steht selbstredend in der Tradition der abendländischen Variante des Reinkarnationskonzepts, weist also der Seelenwanderung eine positive spiritualistische Funktion zu. Systematisch argumentiert er vor allem damit, dass die von Gott erwartete Heiligung der Christen nicht in einem einzigen Leben erreichbar sei. An dieser Stelle erblickt sogar der von M. nicht einmal zitierte Jesuiten-Dogmatiker Karl Rahner so etwas wie eine Verwandtschaft zwischen Fegfeuer- und Reinkarnationslehre, und gerade einige protestantische Systematiker haben sich hier als merkwürdig anfällig für das der Bibel doch so fremde Konzept erwiesen. Dabei müsste protestantischen Denkern zuallererst bewusst sein, dass das Subjekt der Heiligung eben nicht die menschliche »Seele« als solche, sondern der Geist Gottes in ihr ist – ob vor oder nach dem Tode.
Erwartungsgemäß schlägt der esoterische Theologe M. die Präexistenz Christi der menschlichen statt der göttlichen Natur des Gottessohnes zu. Dessen Heilswerk ermögliche es Christen, in »die unter Christi Herrschaft stehenden Aufstiegsstufen« einzutreten und insofern »von oben« wiedergeboren zu werden. Die Chance zur Wiederverkörperung hält M. – wie so manche christliche Sekte (man denke z. B. ans »Universelle Leben«) – für eine »Gnade Gottes« (624). Die »wahre Kirche Christi« (618) bejahe die Reinkarnation. Namentlich der Umstand, dass Pfarrer M. sich am Ende zu der These versteigt: »Nur der Gottlose glaubt nicht an wiederholte Erdenleben!« (619), veranlasst eindeutig zur Einordnung des Werkes in die Rubrik »Sektiererische Literatur«. Daran ändern auch gelegentliche Fußnoten nichts; die Auseinandersetzung mit theologischen Kritikern erfolgt eher randständig und selektiv.