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Ausgabe:

Februar/2006

Spalte:

171 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Loader, William

Titel/Untertitel:

The Septuagint, Sexuality, and the New Testament. Case Studies on the Impact of the LXX in Philo and the New Testament.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2004. X, 163 S. gr.8°. Kart. US$ 20,00. ISBN 0-8028-2756-X.

Rezensent:

Eckart Reinmuth

Zu den Wurzeln aktueller sexualethischer Debatten gehören die komplexen Beziehungen zwischen Judentum und Hellenismus in der Antike. William Loader, Neutestamentler im westaustralischen Perth, hat nun eine eindrucksvolle Studie zur biblischen Sexualethik vorgelegt, mit der sich an ausgewählten Texten grundlegende Entwicklungen verfolgen lassen. Seine Untersuchung geht auf Vorarbeiten zur Tagung der SNTS 2001 in Montreal zurück (Gruppe Septuaginta und Neues Testament) und soll in Kürze durch die Studie ›Sexuality and the Jesus Tradition‹ flankiert werden (ix).
Im Zentrum stehen thematische Schlüsseltexte des Pentateuch (Dekalog [Ex 20,2–17; Dtn 5,6–21]; Schöpfungserzählungen [vor allem Gen 1,26–28; 2,18–25; 3,16–19 sowie 5,1–3]; Vorschriften zur Ehescheidung [Dtn 24,1–4]), die für die frühjüdische und -christliche sexualethische Reflexion prominente Bedeutung hatten. Auf die Analyse der LXX-Texte vor ihrem hebräischen Hintergrund folgt regelmäßig eine Sichtung der philonischen Rezeption(en) sowie der Blick auf das Neue Testament. Auf diese Weise können unterschiedliche Wirkungen der LXX miteinander verglichen werden. Das Interesse L.s richtet sich auf die Transformationsprozesse, die sich an den Differenzen zwischen hebräischer und griechischer Bibel, so dann aber auch zwischen Philo bzw. dem Neuen Testament und der LXX ausmachen lassen. Bereits mit der Übertragung in die griechische Sprache stellen sich entscheidende Veränderungen ein, die zum Teil auf platonischen Einfluss – man denke nur an den Dialog Timaios und seine Bedeutung für die Wiedergabe des Schöpfungsberichtes – zu rückzuführen sind. L. begreift Sexualität als wesentliches Identitätsmerkmal des antiken Judentums, das sich vor allem den intensiven Kontakten und Auseinandersetzungen mit dem Hellenismus verdankt und sich in den Übertragungsleistungen der LXX bereits abbildet. Im Blick auf den Dekalog ist die Umstellung von Mord- und Ehebruchsverbot, die dazu führte, dass das Verbot des Ehebruchs an die Spitze der zweiten Tafel geriet, äußerst folgenreich gewesen. Auch andere Indizien unterstreichen den Eindruck eines sich wandelnden ethischen Profils, das zu einer stärkeren Betonung sexualethischer Akzente führte. Autoren wie Josephus oder Paulus (vgl. Röm 1,18 ff.) zeigen deutlich, dass moralische Missstände sich für sie zunächst und vor allem auf sexualethischem Gebiet bemerkbar machen. Im Blick auf Philo kommt der Einfluss stoischen Denkens hinzu (Abwertung erotischer Leidenschaft, Selbstbeherrschung, Bindung der Sexualität an die Fortpflanzungsaufgabe [vgl. in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der lex Iulia für das philonische Verständnis von Dtn 24,1–4; dazu 77 f.]). Das ›Begehren‹ erhält verstärkt sexuelle Bedeutung; Sexualität wird zur Hauptquelle moralischer Gefährdung.
Hervorzuheben sind die übersichtliche Textgestaltung sowie die konsequent zwei- oder dreisprachige Anordnung der biblischen Originaltexte (vgl. auch die Appendizes, 130–145); Textabschnitte aus Philo werden in englischer Übersetzung mit eingestreuten griechischen Elementen geboten. Literaturverzeichnis (147–155), Autoren- (156–158) und Quellenindex (159–163) schließen das Werk ab. – Das Interesse an der LXX und ihren Wirkungen wird sich mit dem Fortschreiten des Projektes der LXX-Übersetzung ins Deutsche steigern. L.s Arbeit bildet auch vor diesem Hintergrund einen richtungweisenden Vorstoß. Sie deckt die Genese einer wesentlichen Wurzel der diskursiven Konstellationen moderner Sexualethik auf.