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Ausgabe:

November/2005

Spalte:

1169–1172

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Marsman, Hennie J.

Titel/Untertitel:

Women in Ugarit and Israel. Their Social and Religious Position in the Context of the Ancient Near East.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2003. X, 781 S. gr.8° = Oudtestamentische Studiën, 49. Lw. Euro 139,00. ISBN 90-04-11732-6.

Rezensent:

Jutta Krispenz

Hennie J. Marsman ist mit dem vorliegenden Buch in Kampen promoviert worden, betreut wurde die Arbeit von J. C. de Moor. Das Buch hat einen imposanten Umfang von 781 Seiten, was Misstrauen wecken könnte ­ die umfangreichsten Dissertationen sind nicht immer die besten. Andererseits verspricht der Titel dem Leser eine Abhandlung, die nicht weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Ugarit und Israel behandelt (der Untertitel »Their Social and Religious Position in the Context of the Ancient Near East« schränkt das Feld nicht ein), was auf weniger Raum kaum möglich sein dürfte.

Das Werk ist in fünf Kapitel eingeteilt: 1. »Introduction«, 2. »The Social Position of Women«, 3. »The Religious Position of Women«, 4. »A Check on Reliability« und 5. »Summary and Conclusions«. Innerhalb der Kapitel 2 und 3 bietet jeder einzelne Abschnitt zum jeweils behandelten Thema einen Überblick über die Verhältnisse im Alten Orient (A), in dem M. Forschungsergebnisse aus Ägyptologie und Altorientalistik zusammenträgt. Daraufhin untersucht sie die ugaritischen literarischen Texte (B), um sich am Ende den Texten des Alten Testaments zuzuwenden (C). Jeder Abschnitt endet mit einer Zusammenfassung (D). Diese strenge Gliederung kommt dem Leser des umfangreichen Werkes zugute, der keine Mühe hat, sich in dem Buch zu orientieren und schnell zu gesuchten Informationen zu gelangen. Eine weitere Tugend des Buches ist die sorgfältige Bereitstellung von Literaturhinweisen, die es dem Leser ermöglichen, M.s Darstellung jederzeit in verschiedene Richtungen zu vertiefen oder auch zu überprüfen.

Das erste Kapitel positioniert die Untersuchung in einem weiteren methodologischen Kontext: M. gibt zuerst einen konzisen Überblick über frühe feministisch-theologische Ansätze und deren Umgang mit der Bibel. M.s Motivation zur Beschäftigung mit diesem Thema fußt in der Beobachtung, dass weibliche Unterordnung unter Verweis auf biblische Vorbilder eingefordert wurde und wird. Diese Position versuchte die feministische Exegese zunächst mit Hilfe synchroner Textuntersuchungen zu erschüttern. Dies gelang jedoch nicht: Die Texte des Alten Testaments entstanden in einer patriarchalen Gesellschaft und tragen deren Gepräge.

M.s Fragestellung vor diesem forschungsgeschichtlichen Hin- tergrund lautet: »Š I want to know whether extra-biblical evidence, in particular epigraphical material, indicates whether the social and religious position of Israelite women was worse, equal or better than that of other women in the ancient Near East« (32).

Für ihre Untersuchung schränkt M. den kulturellen Kontext, den sie heranziehen möchte, zunächst auf Ugarit ein. Diese Einschränkung gilt allerdings nur für ihre eigene Bearbeitung von Primärquellen. In der Untersuchung selber trägt M. reiche Hintergrundinformationen zu den altorientalischen Nachbarkulturen Israels, Mesopotamien und Ägypten zusammen (wobei der Leser nur selten über kleine Ungereimtheiten stolpert).

Kapitel 2 umfasst mit über 400 Seiten mehr als die Hälfte der Untersuchung und beschreibt »The Social Position of Women«. Die große Zahl der sozialen Rollen und Positionen gliedert M. weiter in »Women in Family« und »Women in Society«. Innerhalb des ersten Bereiches behandelt M. die sozialen Möglichkeiten von Frauen als Ehefrau, Mutter, Tochter, Witwe und Waise. Dabei ist der Abschnitt über die Rolle der Ehefrau in sich noch weiter untergliedert: »The Choice of a Partner«, »Courtship«, »Marriage«, »The Legal Basis of Marriage«, »Was Marriage a Religious Institution?«, »Married Life«, »Husband and Wife«, »A Wife¹s own World« und »The Dissolution of Marriage« lauten die Überschriften der Abschnitte.

Die zweite Gruppe sozialer Positionen von Frauen (»Women in Society«) unterscheidet »Women of the Court« (»Queen«, »Queen Mother«, »Royal Wives and Concubines« sowie »Princess«) von »Non-royal Women« (»Legal Ownership of Immovable Property«, »Business«, »Professions and Domestic Activities« und »Slavery«).

Das Kapitel 2 schließt mit »General Conclusions«. Die Texte aus Israel und Ugarit zeigen für die soziale Stellung von Frauen in beiden Gesellschaften kaum Unterschiede an. Lediglich die Bevorzugung endogamer Ehen ist in Ugarit weniger deutlich ausgeprägt als in den verwendeten Quellen zur Gesellschaft Israels, die biblischen Texte sind auf der anderen Seite weniger explizit in der Beschreibung von Sexualität. Der Vergleich der sozialen Stellung von Frauen in Ugarit und Israel wird, so M., erschwert durch den Umstand, dass die literarischen ugaritischen Quellen zu manchen Zusammenhängen keine Informationen liefern oder dass die Darstellungen in den jeweiligen Quellen aus so unterschiedlicher Perspektive erfolgen, dass ein Vergleich nicht mehr möglich ist. Dort, wo verglichen werden kann, zeigen sich weitreichende Ähnlichkeiten. M. gelangt in ihrer Zusammenfassung letztlich zu zwei möglichen Differenzen: Kinderlosigkeit der Frau spielt im Alten Testament eine größere Rolle als in Ugarit und die judäische Königsmutter spielt in den biblischen Texten eine Rolle, die sich in Ugarit in dieser Gestalt nicht rekonstruieren lässt.

Das dritte Kapitel widmet sich der »Religious Position of Women«. In der längeren Einleitung zu diesem Kapitel referiert und diskutiert M. die Unterscheidung zwischen persönlicher Religion und Staatskult und beschließt, diese ihrer Untersuchung nicht zu Grunde zu legen, um nicht von vornherein eine Trennung in eine weibliche (häusliche) und eine männliche (öffentliche) Religionssphäre zu präjudizieren.

Auch die Frage, ob Frauen eher als Trägerinnen des Kultes einer weiblichen Gottheit in Frage kommen und wieweit ein solcher Kult unanstößig war, wird am Beginn des Kapitels behandelt. M. schätzt grundsätzlich das Argument der überlieferten theophoren Namen als überzeugend ein und verbindet es mit der Wahrnehmung der Inschriften von Kuntillet ŒAgrud und ˜Hirbet el-Qom. Die Namen, die eher den Stand der persönlichen Frömmigkeit spiegeln, belegen eine durchgängige Verehrung von JHWH bzw. El, es gibt keine Asera-Namen. Dagegen finden sich religiöse Überlieferungen, in denen Asera eine Rolle spielt und diese würden dann die offizielle Religion spiegeln. Allerdings stellt M. fest, sind die Dinge nicht ganz so einfach, denn auch in Ugarit gibt es kaum theophore Namen, die auf eine Göttin bezogen wären. M. kommt zu dem Schluss, »Š that Asherah was venerated, in some form at least, during some periods of the monarchy. Not only at the level of popular/family religion, but also at the level of state religion, Asherah played a distinct role« (483).

Kapitel 3 ist insgesamt erheblich kürzer als Kapitel 2 und es ist auch weniger stark untergliedert: »Women as Religious Specialists« und »Women as Worshippers« lauten die Überschriften der beiden Abschnitte, die wiederum in »General Conclusions« zusammengefasst werden.

Von den bekannten kultischen Funktionen ist die Rolle der Priesterin bzw. königlicher Frauen als Offiziantinnen im Kult in Israel nicht belegt. Für Musik und Tanz im Kult sind weibliche Akteure bekannt, ebenso in der Totenklage und auf dem Gebiet der Hexerei. Letztere wurde wahrscheinlich als bevorzugt weibliche Tätigkeit gesehen. Während die Totenbeschwörung in Ugarit eine rein männliche Tätigkeit war, ist im Alten Testament die Totenbeschwörerin von En-Dor weniger negativ dargestellt als die generelle Ablehnung der Totenbeschwörung nahe legen würde. Prophetie ist im alten Orient von Männern wie von Frauen belegt, allerdings nicht aus Ugarit. Gebete von Frauen sind wohl im Alten Testament, nicht aber in Ugarit belegt. Auch eine auf weibliche Vorfahren bezogene Ahnenverehrung scheint es nur in Israel, nicht in Ugarit gegeben zu haben. Diese und noch einige weitere Unterschiede trägt M. zusammen, gibt abschließend jedoch zu bedenken, dass dieses Bild auch durch die ungleiche Überlieferungssituation in Israel und Ugarit beeinflusst sein kann.

Als Kontrolle schließt M. darum noch einen »Check on Reliability« (Kapitel 4) an. Hierfür zieht sie das verfügbare epigraphische Material heran, das bekanntlich aus Israel nur in geringer Menge vorliegt. Das Kapitel behandelt »Letters«, »Seals and Bullae«, »Legal Texts« und »Administrative Texts« jeweils aus Ugarit, Israel und Elephantine. Der Leser findet hier nicht zuletzt eine Zusammenstellung von Material geordnet nach Textsorten, die sicher für einer ganze Reihe von Fragestellungen ­ über die des Buches hinaus ­ nützlich sein wird. Hinsichtlich der Verlässlichkeit der Ergebnisse aus den literarischen Texten kommt M. zu dem Schluss: »The information which the non-literary texts of Ugarit offer on the social and religious position of women generally correspond to the data in the literary texts. thus it may be said that the literary texts of Ugarit are a fairly reliable source of information on the religious and social position of women in that society« (693). Das Kapitel schließt mit einer Auflistung der Gebiete, auf denen es Frauen in Israel im Vergleich zu Frauen in Ugarit besser, schlechter bzw. gleich gut ging.

Mit dem fünfte Kapitel »Summary and Conclusions« endet das Buch. Das Kapitel bietet eine kurze Übersicht über alle in Kapitel 2 und 3 erarbeiteten Themen unter Berücksichtigung des in Kapitel 4 gesichteten Materials, es stellt eine Art »Epitome« des ganzen Buches dar, mit deren Hilfe der Leser sich zu bestimmten Bereichen rasch einen Eindruck verschaffen kann über das, was M. in den drei Hauptkapiteln beschreibt.

Am Schluss beantwortet M. ihre Ausgangsfrage nach der Stellung der Frau im alten Israel in zwei thesenartigen Reihen. Der Rezensentin schien dies eine nicht sehr überzeugende Seite des Buches zu sein, was allerdings weniger an der Antwort liegen dürfte, die M. gibt, als an der Frage, die sie stellt. Das Vergleichsraster »besser ­ gleich gut ­ schlechter« ist zu wenig differenziert und sein wertender Charakter ist letztlich zu stark den Werten moderner Europäer verpflichtet ­ ist es denn z. B. ausgemacht, dass eine arrangierte Ehe für die Partner (oder auch nur den weiblichen Partner) stets »schlechter« ist als eine Ehe, die auf freier gegenseitiger Wahl basiert? Gegenseitige Liebe als Grundlage für eine Ehe ist ein ziemlich moderner Gedanke und es sieht nicht so aus, als würde dieses Konzept die Beteiligten immer schon glücklich machen. Ähnliche Anfragen ließen sich zu anderen Punkten formulieren.

Der Nützlichkeit des gut lesbaren Buches tut das keinen Eintrag, denn die beruht nicht auf den Wertungen, sondern auf einer gründlichen und systematischen Sichtung des Materials zu einem weiten Gebiet, auf einer Analyse der Quellen aus Ugarit und nicht zuletzt darauf, dass M. dem Leser ihre eigene Sicht anbietet, aber nicht aufnötigt: Stets kann man sich mit Hilfe der Quellen und Literaturhinweise einen eigenen Überblick verschaffen.

Drei Register (Autoren-, Sach- und Stellenregister) runden den Band ab.