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Ausgabe:

Oktober/2005

Spalte:

1118 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Peters, Ted

Titel/Untertitel:

Science, Theology, and Ethics.

Verlag:

Aldershot: Ashgate 2003. X, 347 S. gr.8 = Ashgate Science and Religion Series. Kart. £ 17,99. ISBN 0-7546-0825-5.

Rezensent:

Michael Plathow

1. Das traditionell, vor allem im 19. Jh., schwer belastete Verhältnis von naturwissenschaftlichem Erklären und theologischem Verstehen mit seinen Konfliktmustern hat sich bei einem Teil hervorragender Wissenschaftler gewandelt, die sich nun in einen Kohärenzrahmen hineinstellen, in dem die Notwendigkeit und die Möglichkeit des offenen Dialogs anerkannt wird. Zu ihnen gehört Ted Peters, Systematischer Theologe und Leiter des "Science and Religion Course Program" am "Center for Theology and the Natural Sciences at the Graduate Theological Union" in Berkeley. Außerhalb des Kohärenzrahmens verbleiben Naturwissenschaftler, die sich über das physio-morphe Denken ihrer Spezialbereiche hinaus nicht sozio- oder theo-morphem Denken öffnen, oder Naturforscher, die ihren Erkenntnissen global geltende, d. h. verabsolutierte oder ideologisierte Bedeutung beimessen, sei sie materialistischer, kausalmechanischer, idealistischer oder tychistischer Provenienz. Innerhalb des Kohärenzrahmens vertreten über die Kompatibilität naturwissenschaftlichen Erklärens und theologischen Verstehens hinaus etwa Carl Friedrich von Weizsäcker, William G. Pollard, John C. Polkinghorne das Komplementaritätsmuster und etwa Arthur R. Peacock das Integrationsmuster.

Theologischerseits lässt sich eine gewisse Parallelität zu diesen naturwissenschaftlichen Gesprächsmustern feststellen. Karl Barth und Paul Althaus gehen - bei einer Diastase von wissenschaftlicher Naturerkenntnis und theologischem Schöpfungsgeschehen - von ihrer Nicht-Synthetisierung aus. Eine komplementäre Zuordnung wird etwa bei Edmund Schlink, Jürgen Hübner, Christian Link, Alexander Ganoczy deutlich und ein mehr integratives Verhältnis etwa bei Thomas F. Torrance, Wolfhart Pannenberg, Jürgen Moltmann. P. ist dem Letzteren zuzuordnen. Sein interaktives Dialogmodell will eine gemeinsame Plattform bieten für die disparaten Stimmen unter Theologen, Naturwissenschaftlern und Vertretern der Weltreligionen mit dem Potential, Impulse für die gegenwärtigen Debatten über ein ganzheitliches Wirklichkeitsverständnis zu geben. Die Naturwissenschaften fordern den Glauben zu einem tieferen Verständnis heraus; der Glaube fordert die Naturwissenschaften heraus zur gesellschaftlichen und ethischen Verantwortung.

2. P. entwickelt sein Dialogmodell unter Aufnahme hermeneutischer Leitgedanken von Paul Tillich, Langdon Gilkey, Wolfhart Pannenberg, Mircea Eliade, Paul Ricur und im Gespräch mit Thomas F. Torrance, Arthur Peacock, John Polkinghorne, Robert J. Russell, Philip Hefner (25 ff.) aus christlicher Perspektive im interreligiösen Kontext in Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung und für die Zukunft der Menschheit (53 f.).

"Science, Theology, and Ethics" ist ein Sammelband mit Aufsätzen aus den letzten acht Jahren, zusammengestellt unter fünf thematischen Gesichtspunkten: I. "From conflict to consonance", II. "Physics, cosmology, and creation", III. "Genetics, ethics, and our evolutionary future", IV. "Nuclear waste and earth ethics", V. "The human body: a theological prognosis"; ein detailliertes Person- und Sachregister bildet den Schluss.

Der Kosmos wird als Schöpfung auf Grund der Prolepse des Heilswirkens des dreieinen Gottes erkannt (69), so dass Gottes Handeln sich als Quelle kosmischer Kreativität erweist (81). Den Überlegungen zur Exotheologie, zur Frage außerterrestrischen Lebens (121 ff.), widerfährt in diesem Zusammenhang besonderes Interesse.

Im Kontext der Herausforderungen der Lebenswissenschaften findet die von Philip Hefner aufgenommene These vom Menschen, mit Menschenwürde begabt, als "geschaffenem Mitschöpfer" (created co-creator, 158.213) ihre Relevanz für die Ethik des Forschens und des Heilens, für die Verantwortung in Ökologie und Gesundheit (158.187); genetische Forschung, auch Stammzellenforschung, wird grundsätzlich positiv bewertet (174.187) um der Minderung von Leid willen im Blick auf eine evolutionäre Zukunft (198.213 ff.243). Die argumentativen Schritte ethischer Urteilsbildung in einer zukunftsorientierten Theologie zeigt P. auf S. 221 ff.259 ff. auf; sie ist ausgerichtet auf den Horizont des Reiches Gottes, das als das allgemeine Gute sich im individuellen Guten konkretisiert, so dass das individuelle Gute vom allgemeinen Guten abhängt (265). Eine ganzheitliche Sicht- um sie geht es P. - zeichnet er auch in die durch die Denkform der Prolepse gedeutete Gesundheitsbewegung ein; individuelles Wohlergehen versteht er mit Offb 21,5 im Sinn der Partizipation an und Abhängigkeit von der "neuen Schöpfung" (290 f.). Was die "neue Schöpfung" für den christlichen Glauben an die "Auferstehung des Leibes" bedeutet, wägt P. im Diskurs mit dem Buch des Physikers Frank Tipler, "The Physics of Immortality", behutsam ab.

3. Die Aufsätze, geschrieben aus einem zukunftsfrohen Engagement, wie es viele amerikanische Forscher kennzeichnet, sind es wert, im europäischen und deutschen Kontext zur Kenntnis genommen zu werden. Manche Vorbehalte, gegründet in der Kreuzestheologie, die die Sünde, das Leid und den Tod im Vorletzten ganz ernst nimmt sowie die Unterscheidung ohne Trennung von Gottes Handeln und menschlichem Tun, von fragmentarischem Vorletzten und ganzheitlichem Letzten, werden gegenüber dem Forschungsoptimismus und dem holistischen Weltbild P.s auch Differenzen signalisieren. Die heutigen Herausforderungen durch Kosmologie, Ökologie, Lebenswissenschaften wie Gesundheitswissenschaft, Genetik, Stammzellenforschung aber sollten im Diskurs mit P. noch einmal in umfassender Weise diskutiert werden im interaktiven Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften.