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Ausgabe:

Oktober/2004

Spalte:

1058–1060

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pirson, Ron

Titel/Untertitel:

The Lord of the Dreams. A Semantic and Literary Analysis of Genesis 37-50.

Verlag:

London-New York: Sheffield Academic Press 2002. XII, 168 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 355. Lw. £50,00. ISBN 0-8264-6209-X.

Rezensent:

Ludwig Schmidt

Das Buch ist die überarbeitete und erweiterte Fassung des zweiten Teils der unveröffentlichten Dissertation des Vf.s an der Universität Tilburg/NL. Er will mit einer synchronen Untersuchung von Gen 37-50 die Fragen beantworten, warum Josef außerhalb der Genesis kaum erwähnt wird, warum er keinen Anteil an dem seinen Vorfahren verheißenen Land erhielt und wie er seine besondere Position an Juda verlor (3). Nach einer methodischen Grundlegung in Kap. 1 (5-18) analysiert P. in Kap. 2-7 (19-142) die Abschnitte des Komplexes unter verschiedenen thematischen Gesichtspunkten. Im Folgenden können nur die wesentlichen Ergebnisse referiert werden.

Für Juda wird nach P. eine Entwicklung beschrieben. Er unterscheide sich in 37,18 ff. von Ruben, der sich mit seinem autoritären Verhalten gegen die Brüder stelle, weil er sich seiner brüderlichen Beziehungen zu Josef und den anderen Brüdern bewusst sei (69). Nicht die Brüder, sondern Midianiter hätten Josef verkauft (37,28 f.). Das lasse sich mit den Worten Josefs in 45,4 f., wonach ihn die Brüder nach Ägypten verkauften, vereinbaren (69-79). In Gen 38 lerne Juda durch Tamar, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft seiner Familie zu sichern (85). Diese Verantwortung praktiziere er mit der Bürgschaft für Benjamin, die der Grund für seine Rede an Josef in 44,18 ff. sei. Damit habe er sich gegenüber 37,26 f. "gradual" geändert (109). Aber das Verhalten der Brüder zu Josef wandle sich nicht, wie ihr Misstrauen ihm gegenüber in 50,15 ff. bestätige (112 f.). Josef werde ambivalent dargestellt. Er führe zwar in 45,5-11; 50,20 sein Geschick auf Gott zurück. Aber er praktiziere mit seinem Becher Wahrsagerei (44,5.15), die nach Lev 19,26; Dtn 18,10 den Israeliten verboten sei. Auf Grund dieser Perspektive "of Joseph and the divine" gewinne seine Bezeichnung durch die Brüder als "der Herr der Träume" (37,19) eine neue Bedeutung. Da sich in seinen Träumen die Garben und Himmelskörper vor ihm verneigten, nehme er in ihnen die Rolle Gottes bzw. eines Gottes ein. Das gelte auch für seine Traumdeutungen in 40,5 ff.; 41, da nach seinen Worten in 40,8 die Auslegung von Träumen Gott zukomme. So präsentiere sich Josef gelegentlich als ein Mann, der göttliches Wissen habe oder der für sich zu beanspruchen scheine, was Gott oder Göttern vorbehalten sei (116 f.). Für den Leser würden mit der Darstellung in Gen 37 ff. die Aussagen über Juda und Josef in dem Jakobsegen (Gen 49) vorbereitet (122 ff.). Nach ihm werde Juda die führende Stellung unter seinen Brüdern erlangen (49,8-12). Dagegen werde Josef außerhalb des verheißenen Landes sein. Das schließt P. aus der Formulierung am Ende von 49,26, die meist mit "der Geweihte (nzyr) unter seinen Brüdern" übersetzt wird. Nach P. hat sie dagegen die Bedeutung "apart from his brothers" (133). In einem Epilog (143-148) hält es P. für möglich, dass in Gen 37 ff. eine Josefsgeschichte mit einem ausschließlich positiven Josefbild später so überarbeitet wurde, dass Josef kein Vorbild mehr war und Juda hervorgehoben wurde. Das Buch enthält außerdem ein Literatur-, Stellen- und Autorenverzeichnis (149-168).

Die Untersuchung kann m. E. nicht überzeugen. Die Kritik, die nach P. an Josef geübt wird, beruht auf einem Missverständnis der Texte. So nimmt Josef z. B. in seinen Träumen keineswegs für sich göttliche Verehrung in Anspruch. Die Brüder verneigen sich vor ihm bei ihren beiden Reisen nach Ägypten (42,6; 43,26). Damit erweisen sie ihm nicht göttliche Verehrung, sondern sie huldigen einem mächtigen Menschen. In seinen Traumdeutungen (40,5 ff.41) beansprucht Josef für sich nicht göttliches Wissen. Vielmehr erweist er sich als ein Mann, dem Gott die Gabe, Träume auszulegen, verliehen hat. Deshalb hält ihn der Pharao für einen Mann, in dem der Geist Gottes ist (41,38). Dieses Urteil ist für den Leser richtig, weil im Folgenden die Ereignisse eintreten, die Gott nach den Worten Josefs dem Pharao in den Träumen ankündigte (41,16.25). Man hätte zwar Josef in nachexilischer Zeit kaum sagen lassen, dass er seinen Becher zur Wahrsagerei benutzt. Das zeigt aber nur, dass die literarisch komplexe Erzählung teilweise vorexilisch ist. Später dürfte man sich diese Aussage so zurechtgelegt haben, dass Josef den Brüdern damals noch als mächtiger Ägypter entgegentrat, dem man Wahrsagerei zuschreiben konnte. Jedenfalls lässt der Text nicht erkennen, dass Josef für diese Worte kritisiert wird. Es gibt auch keinen Hinweis, dass Josef von dem verheißenen Land ausgeschlossen sein wird. Der Spruch 49,22-26 beschreibt deutlich seine Stellung in diesem Land. In 49,26 ist somit an der Übersetzung von nzyr mit "Geweihter" festzuhalten. Wie schon diese Beispiele zeigen, wird P. in seiner Untersuchung den Texten nicht gerecht. Das ist dadurch bedingt, dass er Fragen an sie stellt, die sie nicht beantworten wollen. Das sollte auch eine an dem Leser orientierte Interpretation, die P. vertritt, beachten.