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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

903–905

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Just, Patricia

Titel/Untertitel:

Imperator et Episcopus. Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischen dem 1. Konzil von Nicaea (325) und dem 1. Konzil von Konstantinopel (381).

Verlag:

Stuttgart: Steiner 2003. 251 S. gr.8 = Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge, 8. Kart. Euro 49,00. ISBN 3-515-08247-6.

Rezensent:

Albrecht Dihle

Die Vfn. dieser gründlichen, unter der Ägide Gunther Gottliebs entstandenen Dissertation versteht es, Neues auf einem Gebiet zu ermitteln, das gerade in jüngerer Zeit von hervorragenden Kennern wie Timothy Barnes, H. C. Brennecke, Richard Klein, Charles Piétri u. a. eingehend erforscht wurde. Ihr gelingt ein neuer Zugriff, indem sie sich ganz auf einzelne Personen und ihr- nicht immer leicht zu deutendes - Verhalten konzentriert, und zwar anhand der Frage, wie sich Bischöfe zu Kaisern und Kaiser zu Bischöfen verhalten haben. Die Geschichte des arianischen Streites wird damit unter einem Aspekt betrachtet, der zwar vieles ausblendet, aber ebenso neue Einsichten eröffnet. Die schematische Einteilung des Buches nach den beiden Perspektiven erleichtert die Vorlage des Materials, erfordert aber Rekapitulationen und zwingt zu einer ständig überspringenden Lektüre, um ein jeweils vollständiges Bild zu gewinnen. Wäre es nicht besser, z. B. die Beziehungen zwischen Constantinus II. und Lucifer von Calaris zusammenhängend statt auf den Seiten 94 f. und 180-183 darzustellen?

Das besondere Verdienst der Arbeit liegt zweifellos in der durch die neue Fragestellung ermöglichten Korrektur zahlreicher, von der opinio communis übernommener Urteile über einzelne Personen. So zeigt die Vfn. beispielsweise, dass weder für Eusebius von Caesarea (übrigens mit dem Beinamen Pamphilou nach seinem Lehrer, nicht Pamphilos, 31) noch für seinen Namensvetter Euseb von Nikomedien die Bezeichnung "Hofbischof" zutrifft. Beide stimmten zwar kirchlich und politisch - Eusebius von Nikomedien jedenfalls nach dem Ende des Licinius - mit Constantin I. bzw. Constantius II. überein, aber weder ein persönliches Nahverhältnis noch ein nachhaltiger gegenseitiger Einfluss zwischen Kaiser und Bischof lässt sich für sie nachweisen (20-31.136-143 bzw. 13-48.147-152 und 160-164). Auch die Rolle der beiden Antinicaener Valens und Ursacius wird im Gegensatz zu ihrem Bild in den vorwiegend pronicaenischen Quellen nüchtern und zutreffend bewertet (69-77.165-169). Sowohl für sie als auch für die Nicaener Ossius von Corduba und Papst Liberius, die sich beide zur Unterzeichnung ihnen nicht zusagender Glaubensformeln bereit fanden, wird der oft erhobene Vorwurf des Opportunismus in Frage gestellt (88-92.176-178 sowie 104-108.189-191) und die besondere Rolle des Hilarius von Poitiers findet eine verständnisvolle Würdigung (110 ff.). Es wird sich immer lohnen, dieses Buch zu konsultieren, wenn man sich für die Person eines der Akteure im arianischen Streit interessiert.

Etwas zu leicht macht es sich die Vfn. mit der Unterscheidung dogmatischer und politischer Motive. Gewiss wurde Athanasius von Constantius II. als Aufrührer, nicht als Häretiker verurteilt (Soz. Hist.eccl. 2,31). Schon Constantin I. griff ja um der öffentlichen Ordnung willen 312 n. Chr. in den Donatisten-Streit ein. Auch ist es richtig, dass Bischöfe nicht unweigerlich stets gegen den in ihren Augen häretischen Kaiser votierten und den orthodoxen Herrscher stützten (226 f.). Damals gab es wie heute situationsgebundene, taktische Entscheidungen. Aber aus der Sicht eines Kaisers im 4. Jh. war die Verknüpfung dogmatischer und politischer Probleme unauflöslich, unabhängig von seinem Interesse an theologischen Kontroversen. Constantin I. nannte sie für den Glauben unwesentlich. Aber sollte sich, wie es sein Wille war, die Einheit von Staatsvolk und Kultgemeinschaft - ein Grundsatz in allen vormodernen Staatsordnungen - im Christentum verwirklichen, wurde fortan die Einheit der Kirche zu einem vordringlichen Ziel kaiserlicher Politik. Die Einheit musste man, anders als in der paganen Religion, nicht nur im Vollzug des Kultes, sondern auch in der Glaubenslehre herstellen. Schon im 2. Jh. hieß das Christentum bei Anhängern und Gegnern Philosophie, was in jener Zeit die Anweisung zum rechten Leben auf Grund wohlbegründeter Lehren bedeutete. Das Ziel der Einheit der Kirche verfolgte ein Kaiser zwar mit den Mitteln der Politik, gesetzt wurde es aber durch eine Überzeugung, die aller Politik vorausging. Man denke nur an die von Constantius II. angeordnete Zwangstaufe aller Soldaten vor der Entscheidungsschlacht gegen Magnentius (Theodoret. Hist.eccl. 3,3,7). So ist die Bezeichnung "ausschließlich politisch" (176) wohl nur ausnahmsweise für kaiserliche Maßnahmen in kirchlichen Angelegenheiten unproblematisch. - Das von der Vfn. angenommene (128), durchweg "gespannte Verhältnis" zwischen Theodosius und Ambrosius scheint mir nicht recht plausibel. Auch verkennt sie (124) die von Rufin (hist.eccl. 11,11) und anderen bezeugte Sympathie Valentinians I., eines guten, theologisch gänzlich uninteressierten Christen, für Ambrosius, dessen Freimut er schätzte und dessen Erhebung zum Bischof er begrüßte.

Die Vfn. hat sich aus gutem Grund (204) auf Constantin I., dessen Söhne und Theodosius I. beschränkt. Das ist freilich insofern zu bedauern, als Ereignisse um Julians Restitution des Heidentums oder Valentinians I. Toleranzedikt (Cod.Theod. 9,16,9) eine an dem von der Vfn. vorgelegten Material erkennbare, von ihr aber nicht näher behandelte Entwicklung deutlicher werden lassen. Constantins I. religionspolitische Vorsicht wird gebührend erwähnt (141), kaum jedoch die erstaunliche Rigorosität, mit der seine ersten Nachfolger, besonders Constantius II., verfuhren, wenn es um die Kirche und ihre Einheit ging. Darum wurde die Kirche schon in der zweiten Jahrhunderthälfte zum unangefochtenen Bestandteil der römischen Staatsordnung und das Christentum trotz der julianischen Krise, des andauernden Streites um das Dogma und des Fortlebens antichristlicher Stimmungen im intellektuellen und aristokratischen Milieu zu ihrer festen religiösen Grundlage. Wenn gegen Ende des Jahrhunderts ein - freilich besonders tatkräftiger - Bischof einen energischen, im Dogma mit ihm einigen Kaiser der kirchlichen Disziplin zu unterwerfen vermochte, so deutet das zwar auf den künftigen Dualismus weltlicher und geistlicher Macht, der vor allem die Geschichte des lateinischen Westens bestimmen sollte. Das Ereignis als solches aber bezeugt, dass sich inzwischen ein Bewusstsein von der Einheit politischer und christlich-religiöser Ordnung im Römerreich gebildet hatte.

Ärgerlich an dieser verdienstvollen Arbeit ist leider oft die sprachliche Ausdrucksweise. Da gibt es Colloquialismen wie "in keinster Weise" oder "er lag richtig", modische, aber nicht immer glückliche Metaphern wie "festmachen", "Stellenwert", "Deckung ... mit den Vorstellungen" oder "zentrale Schnittstelle" sowie Verstöße gegen die Regeln deutscher Schriftsprache wie "Korrespondenz an", "nicht brauchen" mit Infinitiv ohne "zu", "subsummieren", "während" mit dem Dativ, "Reflexion über" u. v. a. Doch sollte man das weniger der Vfn. als dem Deutschunterricht an unseren Gymnasien anlasten.