Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2004

Spalte:

897 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Mödl, Ludwig]

Titel/Untertitel:

Sonntäglich. Zugänge zum Verständnis von Sonntag, Sonntagskultur und Sonntagspredigt.

Verlag:

Festgabe für Ludwig Mödl zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. U. Roth, H.-G. Schöttler u. G. Ulrich. München: Don Bosco 2003. 383 S. m. Abb. u. Tab. gr.8 = Ökumenische Studien zur Predigt, 4. Kart. Euro 22,50. ISBN 3-7698-1454-1.

Rezensent:

Christian Grethlein

Die ökumenische "Arbeitsgemeinschaft für Homiletik e. V." ehrt ihren langjährigen Vorsitzenden Ludwig Mödl mit dem vorliegenden Band. Er geht auf die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft im September 2002 zurück, ist aber durch weitere Beiträge erweitert und stellt so einen gewichtigen Beitrag zu einem aktuellen praktisch-theologischen Thema dar, nämlich die Veränderungen im Umgang mit dem Sonntag und die daraus folgenden liturgischen und homiletischen Konsequenzen.

Der Band gliedert sich in fünf Teile. Im 1. Teil wird den biblischen Wurzeln und dem historischen Wandel des Sonntags nachgegangen. Klaus Bieberstein schafft hier mit seinem Beitrag "Vom Sabbat und Siebten Tag zum Sabbat am Siebten Tag. Zur Vorgeschichte des christlichen Sonntags" (15-29) ein gutes Fundament, indem er informativ die wichtigsten Erkenntnisse der alttestamentlichen Exegese präsentiert und durch die Hinweise auf die Veränderungen des Sabbats zugleich Spielraum für pastorale Überlegungen hinsichtlich des heutigen Sonntags schafft. Ferdinand Hahn gibt - gewohnt souverän - einen Überblick über die neutestamentlichen Befunde (30-34). Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Entwicklungen anschaulich an konkreten Exempla demonstrierenden Ausführungen von Andreas Holzem "Katholischer Sonntag - Skizzen zur Kulturgeschichte der dies dominica" (35-76) und die systematisch pointierten Ausführungen von Thomas Bergholz "Der Sonntag: Tag der Heiligung oder Tag der Arbeitsruhe? Die Wendepunkte in der Kulturgeschichte des Sonntags im 16., 19. und an der Schwelle des 21. Jahrhunderts am Beispiel der badischen Kirchenzuchtordnung von 1564" (77-90) erweitern den Horizont noch. Dabei verdient praktisch-theologisch die These von Bergholz besonderes Interesse, die geregelte Arbeitsruhe am Sonntag sei ein Produkt der Industrialisierung und gehe folgerichtig auch nach dem Ende des Industriezeitalters ihrem Ende entgegen.

Kann dieser erste Teil für Studierende gut als Kompendium der wichtigsten exegetischen und historischen Einsichten zum Sonntag empfohlen werden, richtet der zweite Teil "Sonntagskultur der Gegenwart" den Blick auf die gegenwärtige Situation. Besonderes Interesse verdienen hier die Ausführungen von Irmgard Herrmann-Stojanov: "Die Entwicklung des Sonntags. Ein Blick auf die sozialwissenschaftliche Diskussion um die Zeitinstitutionen Sonntag, Samstag und Wochenende als Bestandteile kollektiven Zeitwohlstandes" (116-133). Wird hier die These vertreten, dass im Zuge des Endes der Normalbiographie der Menschen sich auch die Mikro-Zeitstrukturen ändern, also für manche Menschen gleichsam der Mittwoch zum Sonntag wird, plädiert - bei ähnlicher analytischer Basis - der folgende Beitrag von Uwe Becker und Jürgen P. Rinderspacher für das Gegenteil, nämlich "Die Sonntagskirche" (134-147), also eine Konzentration der kirchlichen Arbeit über den engeren liturgischen Bereich hinaus auf den Sonntag. Dass damit erhebliche Strukturveränderungen verbunden wären, ist den Autoren bewusst.

Der dritte Teil "Sonntagsgottesdienst" weitet das Thema auf den liturgischen Bereich aus. Dabei treten - leider - die zeittheoretischen Einsichten der vorhergehenden Beiträge zurück, eher grundsätzlich liturgische Fragen herrschen hier vor. Albert Gerhards bedenkt: "Deuten und Bedeuten - zum Wechselspiel von Predigt und sonntäglicher Eucharistiefeier" (159-168), Hans-Günter Heimbrock den "Sonntagsgottesdienst vor dem Hintergrund der Eventkultur des Wochenendes" (169-186), Thomas Stahl geht anhand von Interviewmaterial der Gottesdienstrezeption nach: "Sonntags in der Kirche" (187-207), Fulbert Steffensky hält - von den empirischen Befunden der ersten beiden Teile unberührt - ein "Plädoyer für eine heilige Zeit" (208- 214).

Der vierte, "Sonntagspredigt" überschriebene Teil bringt sechs homiletische Beiträge, bei denen vor allem Kristian Fechtner: "Zeitgemäßer Gottesdienst? Sonntagspredigt im Kirchenjahr" (295-305) sich den in den ersten beiden Teilen entfalteten Veränderungen und Herausforderungen stellt. Michael Meyer-Blanck: "Unsere Sonntagspredigt - eine kulturelle Gelegenheit" (262-282) steuert einige interessante Ergebnisse einer kleinen Umfrage zur Sonntagskultur bei.

Den Abschluss bildet der Teil "Sonntagspraxis", in dem Berichte aus der Gemeinschaft Sant' Egidio und deren Gestaltung des Sonntags, kommentierte Predigten und - jetzt im Bereich üblicher Festschriften angekommen - vier Kabarett-Nummern stehen.

Insgesamt lohnt sich der Band, vor allem in seinen beiden ersten Teilen, für alle, die sich den tief greifenden Veränderungen im Zeit-Rhythmus stellen wollen (bzw. in der pastoralen Praxis müssen). Der dritte und der vierte Teil dagegen geben eher Einblick in gegenwärtig diskutierte homiletische und liturgische Einzelprobleme. Man darf auf die weitere Arbeit der "Arbeitsgemeinschaft für Homiletik" gespannt sein.