Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

851 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Lønning, Per

Titel/Untertitel:

Is Christ a Christian? On Inter-Religious Dialogue and Intra-Religious Horizon.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2002. 254 S. gr.8 = Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, 100. Geb. Euro 44,00. ISBN 3-525-56225-X.

Rezensent:

Michael Hüttenhoff

Als Teilnehmer an den Vollversammlungen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Nairobi 1975 und in Vancouver 1983 und als Mitglied des Zentralausschusses war Per Lønning zeitweilig direkt an der Diskussion über das Dialogprogramm des ÖRK beteiligt. In den 80er und 90er Jahren befasste sich L., der bis 1994 Bischof von Bergen (Norwegen) war, mehrfach wissenschaftlich mit dem interreligiösen Dialog. In "Is Christ a Christian?" hat er das Ergebnis seiner Studien vorgelegt.

Der Untertitel des Buches, "On Inter-Religious Dialogue and Intra-Religious Horizon", signalisiert, dass L. der Beziehung zwischen dem interreligiösen Dialog und der Verständigung innerhalb einer Religionsgemeinschaft über den Dialog, dem intrareligiösen "dialogue on dialogue" (49), besondere Aufmerksamkeit schenkt. Weil das Verständnis der eigenen religiösen Identität Konsequenzen für das Verständnis anderer Religionen hat und umgekehrt, fordert L. mit Recht, dass der interreligiöse und der intrareligiöse Dialog ständig aufeinander bezogen werden müssen.

L.s Übersicht über die im intrareligiösen Dialog vertretenen Positionen greift die verbreitete Einteilung "Pluralismus - Inklusivismus - Exklusivismus" auf. Doch er modifiziert diese Einteilung, indem er an die Stelle des Exklusivismus die "Christiano-Centric Approaches" (120) setzt. Diese Ansätze, denen auch L.s eigene Position zuzurechnen ist, wollen die christliche Identität im Dialog und beim Verstehen anderer Religionen unverfälscht zur Geltung bringen. Konstituiert wird diese Identität nach L. durch die unbedingte Loyalität gegenüber Jesus Christus als dem einen Retter der gesamten Menschheit (11). Aber nicht nur die christliche Identität, sondern auch die religiösen Identitäten der Dialogpartner sollen im Dialog authentisch zur Sprache kommen. Die wichtigste Voraussetzung für den interreligiösen Dialog ist nach L. Gleichheit: "equal right and duty for each of the partners to present their own identity as they themselves sense it, with corresponding acceptance of the same right/duty for the partner(s)" (231).

Im Unterschied zu Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus ist für L.s christianozentrischen Ansatz also nicht eine Theorie über das Verhältnis der Religionen entscheidend, sondern die Festlegung auf bestimmte Kriterien und Dialogregeln. Dennoch ist erkennbar, dass bei L. Sympathien für einen vorsichtigen Inklusivismus vorhanden sind (239.242) und dass er den Pluralismus ebenso wie den radikalen Exklusivismus ablehnt. Dem Pluralismus wirft er vor, er sei imperialistisch, paternalistisch und intolerant, weil er über die spezifische religiöse Identität der Menschen hinweggehe und deren Recht auf Selbstauslegung verletze (66.232-234).

Die unzulässige Relativierung der Bestimmtheit religiöser Identitäten und der bestehenden Unterschiede ist sicherlich eine Gefahr pluralistischer Ansätze. Dennoch ist L.s Kritik am Pluralismus unzulänglich. Schon sein Begriff des Pluralismus ist ungenau: Wenn er schreibt, die Pluralisten sähen "in principle ... all religions as equally true" (219) an, verfehlt er das Selbstverständnis führender Pluralisten. Der Pluralismus lässt differenziertere Urteile über religiöse Geltungsansprüche zu, als es nach L.s Darstellung den Anschein hat. Außerdem ist nicht einzusehen, warum eine pluralistische Deutung, die als Hypothese in den Dialog eingebracht wird, das Recht der Dialogpartner auf Selbstauslegung stärker beschneiden soll als die Bindung an eine traditionelle religiöse Identität, die explizit oder implizit die mit anderen religiösen Identitäten verbundenen Wahrheitsansprüche negiert.

L. schließt mit einer Antwort auf die Titelfrage "Is Christ a Christian?". Ist die Verbindung zwischen dem Christus, dem einen Retter der gesamten Menschheit, und dem Christentum so exklusiv, dass aus der Einzigartigkeit Christi die Einzigartigkeit des Christentums folgt und umgekehrt mit deren Preisgabe auch die Einzigartigkeit Christi hinfällig wird (11 f.)? L. beantwortet die Frage mit "Nein" (vgl. 241 f.). Dieses Nein ermöglicht, die unbedingte Loyalität gegenüber Christus mit einer kritischen Distanz gegenüber dem Christentum und mit Offenheit gegenüber anderen Religionen zu verbinden. Die Aufgabe, diese Verbindung theoretisch zu beschreiben, stellt L. zurück. Stattdessen verweist er auf den Ort, an dem sie realisiert werden kann: nämlich in einem Dialogprozess, in dem der intrareligiöse und der interreligiöse Dialog unterschieden und dennoch ständig aufeinander bezogen werden.