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Ausgabe:

Mai/2004

Spalte:

535–537

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lang, Uwe Michael

Titel/Untertitel:

John Philoponus and the Controversies over Chalcedon in the Sixth Century. A Study and Translation of the Arbiter.

Verlag:

Leuven: Peeters 2001. XI, 261 S. gr.8 = Spicilegium Sacrum Lovaniense. Études et Documents, 47. Kart. Euro 65,00. ISBN 90-429-1024-0.

Rezensent:

Beate Regina Suchla

Johannes Philoponus, ein in Alexandrien lebender christlicher Denker des 6. Jh.s, der neben Dionysius Areopagita und Johannes von Skythopolis der bedeutendste Denker des 6. Jh.s war und mit seinem Werk die byzantinische und arabische Philosophie sowie das naturwissenschaftliche Denken von Mittelalter und früher Neuzeit beeinflusste, war Verfasser grammatischer Schriften zur Akzentlehre, von Kommentaren zu aristotelischen Werken, von Arithmetica sowie von theologisch-systematischen Traktaten. In seinen philosophischen Werken zeigt er sich als Kritiker neuplatonischen Denkens; so richtete er seine Traktate Contra Aristotelem und De aeternitate mundi contra Proclum gegen die unter anderem durch Aristoteles und Proclus vertretene Lehre von der Ewigkeit des Kosmos. In seinen theologischen Werken war er Gegner des päpstlichen Primats, monophysitischer Tritheist und Begründer einer Auferstehungslehre, die 680/681 als Häresie verurteilt wurde.

Sein Hauptwerk ist das nur fragmentarisch überlieferte, in syrischer Übersetzung vollständig erhaltene Hauptwerk Diaetetes oder Arbiter, in dem er für einige seiner Zeitgenossen einen mit aristotelischer Logik vorgetragenen Tritheismus vertrat. Dieser wurde von den Bischöfen Conon von Tarsus und Eugenius von Seleukia verteidigt, während etwa Anastasios I., zwischen 559 und 570 sowie zwischen 593 und 599 Patriarch von Antiocheia, ein Werk gegen seinen Tritheismus schrieb, aus dem noch Maximus Confessor zitierte. Hier nun setzt das vorliegende Buch an: Trotz seiner theologischen Bedeutung gibt es nur wenige ausführliche Untersuchungen zur Theologie und insbesondere zur Christologie des Johannes Philoponus (3-13). Durch Untersuchung seiner christologischen Traktate soll daher seine Christologie erschlossen werden, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung auf seinem Hauptwerk, dem Arbiter, liegt (10-15).

Das Buch unterteilt sich in zwei Abschnitte: Teil I untersucht die Christologie des Johannes (3-169), Teil II bietet eine Übersetzung des Arbiter ins Englische sowie die Edition einiger Philoponus-Fragmente (insgesamt vierzehn) in der Bezeugung durch Nicetas Choniates (173-230). Es folgen eine ausführliche Bibliographie der Primär- und Sekundärquellen sowie Indices (Bibelstellen, Personenregister, Sachregister, 231-261).

Teil II stellt die Textgrundlage für Teil I dar: Die Übersetzung ist kompetent und sprachlich gelungen (173-217), die Edition folgt strengen textkritischen Kriterien (217-230). Teil I führt den Leser mit Hilfe von acht Kapiteln in die Christologie des Johannes Philoponus ein: Einer Einführung in die Thematik und den Forschungsstand (3-15) folgt ein Einblick in die handschriftliche Überlieferung der christologischen Traktate und Fragmente des Johannes (15-22). Es gibt zwar nur eine Handschrift, die die ursprünglich griechisch verfassten christologischen Traktate in toto überliefert, das ist der syrische Codex Vaticanus Syriacus 144, doch tradieren sieben weitere Handschriften einzelne Traktate oder Auszüge daraus. Fünf davon liegen heute in London, eine in Rom und eine weitere in Harvard. Die nahe liegende Frage der Chronologie und der historischen Folie der christologischen Traktate beantwortet Kapitel 3 (22- 41). Während Sanda und Chadwick den Brief an Justinian auf die Zeit nach Abfassung des Arbiter, d. h. um 560 herum, datieren, datiert ihn L. auf die Zeit vor Abfassung des Arbiter, d. h. um 551/2 herum. Kapitel 4 erläutert die christologische Position des Arbiter (41-88). Sie ist miaphysitisch; es gibt nur eine Hypostase, nur eine Natur, nur einen Christus. Es folgt in Kapitel 5 eine Erörterung jener kleineren Traktate, in denen Johannes Philoponus seine im Arbiter dargelegte christologische Position verteidigt und die Formel Chalcedons von der einen Hypostase und den zwei Naturen entschieden verwirft (88-101). Als zentrales Argument bezieht er sich auf das bis auf das 3. Jh. zurückgehende anthropologische Paradigma, nach dem die Einheit von Seele und Körper des inkarnierten Logos als Modell der Einheit von Gottheit und Menschheit in der Person Jesu Christi gedacht werden kann. L. prüft in Kapitel 6, wie sich Johannes auf dieses Paradigma bezieht (101-134), bevor er in Kapitel 7 die diesbezügliche Argumentation des Philoponus einer kritischen Analyse unterzieht (135-157). Hauptkritikpunkt ist das mangelnde Analogieverständnis des Johannes Philoponus (157). Kapitel 8 zieht das Resümee (157-169): Johannes Philoponus gelingt es nicht, eine logisch kohärente, theo- logisch durchdachte Alternative zur Definition des Konzils von Chalcedon zu formulieren. Doch auch das Konzil von Chalcedon bietet keine ausformulierte, abgeschlossene Christologie, sondern nur solide Kriterien für eine gründliche Reflexion über Person und Wirken Jesu Christi auf theologischer Basis. An diesen Kriterien sollte des Philoponus Verteidigung seiner mía-ph'ysis-s'ynthetos-Christologie gemessen werden (169).

Das Buch hat nur wenige Schwächen. So vermisse ich etwa beim Hinweis auf das mangelnde Analogieverständnis des Johannes Philoponus (157) einen Rückgriff auf die Geschichte, denn das Analogieproblem war bereits lange vor Johannes Philoponus erkannt und diskutiert worden. Dionysius Areopagita zum Beispiel betont bei seiner Suche nach einem Gottesbegriff überzeugend und wiederholt das Problem der Analogia Entis (vgl. Beate Regina Suchla, Wahrheit über jeder Wahrheit. Zur philosophischen Absicht der Schrift "De divinis nominibus" des Dionysius Areopagita, in: Theologische Quartalschrift 176, 1996, 209 f.).

Dennoch: Das Buch ist ohne jede Einschränkung empfehlenswert; es bietet reichen Gewinn für jeden, den das spätantike Christentum und insbesondere das 6. Jh. interessieren.