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Ausgabe:

Juni/1998

Spalte:

563–565

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Knierim, Rolf]

Titel/Untertitel:

Problems in Biblical Theology. Essays in Honor. Ed. by H. T. C. Sun and K. L. Eades with J. M. Robinson and G. I. Moller.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 1997. XVI, 403 S. gr.8. Pp. $ 49,-. ISBN 0-8028-3803-0.

Rezensent:

Horst Seebass

Diese für 1992 geplante Festschrift aus Anlaß der Emeritierung R. Knierims im Winter 1992/3 erschien wegen unvorhergesehener Schwierigkeiten erst jetzt (X). Die Beiträge sind auf dem Stande von 1991, was ihnen nicht zum Nachteil gereichen soll (bei ganz wenigen hätte man sich eine Auseinandersetzung mit späterer Literatur gewünscht). Der Band enthält "Way Stations" von Frau Knierim und vierundzwanzig Beiträge, die es kurz zu charakterisieren gilt.

Für R. Rendtorff, Approaches to Old Testament Theology (13-26), ordnen sich die Zugänge als Theologien vor und nach G. v. Rads klassisch gewordenem Werk. Ein gesichertes Konzept für eine AT-Theologie gebe es allerdings nicht. Bei Würdigung anderer Entwürfe, u. a. dem Knierims in HBT 1984 (The Task of the Old Testament Theology) will R. im Genus des Nacherzählens v. Rad folgen, nur von der Endfassung ausgehend.

K. Baltzer u. Th. Krüger, Die Erfahrung Hiobs. "Konnektive" und "distributive" Gerechtigkeit nach dem Hiob-Buch (27-37), wollen als Teil des Hauptkonflikts einen in vielfältigen Belegen erkennbaren sozialen Asperkt gewürdigt wissen.

D. C. Benjamin, Stories of Adam and Eve (38-58), grenzt Gen 2,4b-4,2 ab und deutet feministisch, daß die Stories nicht negativ eine Distanz der Menschen von Gott, sondern positiv das Opfer ewigen Lebens durch Eva zur Gewinnung von Geburten im Blick haben. Die Vfn. dispensiert sich weitgehend vom Text.

G. J. Brooke, The Qumran Scrolls and Old Testament Theology (58-77), ist der Meinung, daß die beginnende Auswertung der Qumran-Schriften neue Anforderungen an die alttestamentliche Theologie stellt. Aus dem dortigen Weiterleben alttestamentlicher Traditionen seien Rückschlüsse notwendig. B. greift meines Erachtens in eine unbekannte Zukunft aus, da zunächst die Disziplin "Frühjudentum" einen Berg von neuen Impulsen vor sich hat.

A. F. Campbell (SJ), Structure Analysis and the Art of Exegesis (1Samuel 16:14-18:30), beschreibt den Gewinn der Strukturanalysen K.s und liefert in eigenständiger Nachfolge eine Analyse des o. g. Textbereichs, den er aufgrund der internen Querbezüge abgrenzt (76-103).

S. J. de Vries, Festival Ideology in Chronicles (104-124), möchte herausarbeiten, daß die chr Festbeschreibungen nicht Vergangenheit nachzeichnen, sondern für Gegenwart und Zukunft vorschreiben sollten. Wegen der in nachexilischer Zeit bleibenden Gefahren, den Tempel als weltweites Zentrum zu entheiligen, habe Chr auf David und seine wichtigsten Nachfolger zurückgegriffen, um die Feste, vor allem das Passa, legitim zu feiern und so dem Volk einen Halt zu geben.

Einen Höhepunkt liefert M. H. Floyd, Cosmos and History in Zechariah’s View of the Restoration (Zechariah 1:7- 6:15), indem er nicht nur den Einzelstücken, sondern der jetzt vorliegenden Komposition ihren Sinn abzugewinnen sucht. Dabei weitet sich ihm der Blick über Juda hinaus zur Neuordnung des Kosmos, ausgehend von der in Jerusalem. Diesen Ansatz wünscht man sich näher entfaltet (125-144).

E. S. Gerstenberger, Der befreiende Gott: Zum Standort lateinamerikanischer Theologie (145-166), kritisiert den westlichen Theologiebetrieb als selbstbezogen und systemapologetisch angesichts der Dringlichkeit, mit den Basisgemeinden in Lateinamerika die Bibel als Botschaft der Befreiung lesen/hören.

K. C. Hanson, Sin, Purification, and Group Process (167-191), ergibt einen weiteren Höhepunkt. H. kontrastiert das westliche, vor allem in den USA ausgeprägte Bild individueller Autonomie mit ganz schwachem Bezug zur beheimatenden "Gruppe"/Gesamtheit einem dyadischen im Alten Testament, nach dem der Einzelne beides in sich vereint: Individualität und starkes Gruppenbewußtsein (angelehnt an Arbeiten von M. Douglas). H. führt dies einleuchtend näher und bis ins NT hinein an "Sin and Purification" aus.

R. L. Hubbard Jr., Ganzheitsdenken in the Book of Ruth (192-209), möchte im Nachgang zu seinem Ruth-Kommentar (NICOT) als erhellend herausstellen, wie die harmlos, ja konventionell wirkenden Wünsche in 1,8; 2,12; 3,10 sich durch Gottes hintergründiges Wirken erfüllen mit dem (für Rut nicht nachvollziehbaren) Höhepunkt, daß sie Davids Ahnin wurde.

Der wichtige Beitrag von K. Koch, The Language of Prophecy: Thoughts on the Macrosyntax of the debar YHWH and Its Semantic Implications in the Deuteronomistic History (210-221), hält die Annahme der prophetischen Form des sog. Gerichtswortes für verfehlt, weil allzu häufig keine juristischen Vorstellungen herrschen. Zum Beweis zieht er die Propheten-Dicta des DtrH an, da in DtrH die Formen weniger beeinflußt seien als in den Prophetenbüchern. Keiner der recht zahlreichen Sprüche (Liste 216) zeigt juristische Sprache, sondern wenn überhaupt, Adäquanz zum "Scheltwort".

B. O. Long, Letting Rival Gods be Rival: Biblical Theology in a Postmodern Age (222-233), geht von 2Kön 3,28 aus, wo nicht gesagt wird, wessen Zorn Israel aus Moab vertrieb, verfolgt einige entsprechende alttestamentliche Ambivalenzen und findet dies dem postmodernen Zweifel höchst verwandt, ob man bei religiöser Sprache über das je feststellbare linguistische Konstrukt hinauskomme. Solche Pluralität begrüßt L.

E. A. Martens, Yahweh’s Compassion and Ecotheology (234-248), sucht nach biblischen Motiven für eine Ökotheologie und kämpft mit dem (meines Erachtens scheinbaren) Widerspruch zwischen Gottes Erbarmen (z. B. Jona 2) und der Vernichtung bei Katastrophen. Ergebnis: Erbarmen überwiegt - theologisch kaum gründlich genug.

R. F. Melugin, Israel and the Nations in Isaiah 40-55 (249-264), stellt die gewichtige Frage, ob die Bibel evtl. Weisungen für den Umgang mit Völkern des Vorderen Orients liefert. Zu Dtjesaja meint er, daß er hinter der Universalität der Gen zurückbleibt, also nicht hilft. Würdigt er Dtjesaja gerecht, der völlig Resignierten in universalem Rahmen Jahwes Leidenschaft für sein Volk zu künden hatte?

Wichtigstes zur Methodologie biblischer Theologie findet man bei R. E. Murphy (O. Carm.), Reflections on a Critical Biblical Theology (265-274). Der Beitrag sei dringend eigener Lektüre empfohlen.

Auch der Systematiker W. Pannenberg, Problems in a Theology of (Only) the Old Testament (275-280), ehrte K. Der Schlußsatz trifft: "... the theology of the Old Testament may also function as a basis for promoting dialogue between Jews and Christians, because contrary to a widespread opinion it is not in the first place the person of Jesus, but the way he proclaimed the God of the Old Testament that is at stake ...".

St. A. Reed, Meat Eating and the Hebrew Bible (281-294), versucht, aus dem AT ethische Hinweise für ein heutiges Problem zu gewinnen. Die Verbindung zur Gegenwart knüpft nicht an das Wichtigste, das Verbot des Blutes (=Lebens) an.

Weit vom Konsens entfernt liest St. Rummel, The Ninth Day: To Say "Creation" in Genesis 1:1-11:26 (295-314), altorientalische, vor allem ugaritische Motive in die Urgeschichte hinein, bis hin zur Philologie (Tehom in Gen 1,2).

J. A. Sanders, The Task of Text-Criticism (315-327), gibt einen kompetenten Überblick über das zur Zeit Machbare in enger Nachbarschaft zu E. Tov.

O. H. Steck, Beobachtungen zur Sachbewegung vorexilischer Gerichtsprophetie (328-337), postuliert einleuchtend eine nur in Andeutungen belegte prophetische Botschaft, die ein anhebendes, nur im prophet. Wort präsentes Unheil Gottes noch als rücknehmbar erwies, wenn Gottes Bedingungen erfüllt wurden: ein eleganter Ausgleich zwischen der belegten unumkehrbaren Botschaft (H. W. Wolff, W. H. Schmidt) und der Annahme einer Umkehrbotschaft (G. Fohrer).

Kühne historische Thesen zur Reform Josias liest man bei Y. Suzuki, "The Place Which Yahweh Your God Will Choose" (338-352). Anregend vor allem, daß die Formel die zadokidisch gestützte kanaanäische Vergangenheit Jerusalems zugunsten einer kultischen Neufassung unter levitischer Ägide bekämpfe!

M. A. Sweeney, Tanak versus Old Testament: Concerning the Foundation for a Jewish Theology of the Bible (353-372), geht von dem besonders in den USA fruchtbaren christlich-jüdischen Dialog aus und beleuchtet gerade deswegen die Unterschiede der jeweiligen religiösen Einbettung, die sich u. a. in der eigentümlichen Gliederung des Tanak niederschlägt.

G. M. Tucker, Sin and "Judgment" in the Prophets (373-388), prüft K. Kochs weitgehend unberücksichtigte These, die große Prophetie habe keine Gerichtsvorstellungen von Gott. T. sieht Urteile zwar belegt, sammelt aber genügend Beispiele, die Kochs These positiv aufnehmen lassen.

C. Westermann, Gottes Handeln und Gottes Reden im Alten Testament (389-403), ist in Briefform eine in Amerika nicht ungewohnte scharfe Ab-rechnung mit Knierims Konzept einer Biblischen Theologie ("Yahweh’s universal dominion in justice and righteousness"). W. sagt viel Zustimmungsfähiges.

Alles in allem: das Buch enthält offenbar viel Wertvolles, Stimulierendes. Es ist aber reichlich umfangreich. Ein Drittel weniger wäre mehr. R. Knierim durch Ausgezeichnetes geehrt zu sehen, ist mir eine Freude.