Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | April/2004 |
Spalte: | 367–369 |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Koziel, Bernd Elmar |
Titel/Untertitel: | Kritische Rekonstruktion der Pluralistischen Religionstheologie John Hicks vor dem Hintergrund seines Gesamtwerks. |
Verlag: | Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2001. 891 S. 8 = Bamberger Theologische Studien, 17. Kart. Euro 101,20. ISBN 3-631-38039-9. |
Rezensent: | Reinhold Bernhardt |
Die seit den ausgehenden 70er Jahren des 20. Jh.s entstandenen Arbeiten John Hicks zur Religionstheologie haben international starke Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Seine früheren Studien zu Fragen der Erkenntnistheorie, der Theodizee und der Eschatologie traten zunehmend dahinter zurück. Gerade sie aber haben den Ruf Hicks, einer der renommiertesten Religionsphilosophen der Gegenwart zu sein, begründet. Und sie haben die entscheidenden fundamentaltheologischen Grundlagen gelegt, auf denen dann die religionstheologischen Arbeiten aufbauen konnten. Dass Hick mit der von ihm vollzogenen pluralistischen Wende frühere Ansätze weiterentwickelt und Akzentverschiebungen vorgenommen hat, konnte von kritischen Hick-Interpreten als Diskontinuität in seinem Gesamtwerk gedeutet werden. Dieser Auffassung tritt Bernd Elmar Koziel in seiner (an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck entstandenen, durch Raymund Schwager betreuten Dissertation) entgegen. Er nimmt das uvre Hicks insgesamt in den Blick, zeichnet die Entwicklungslinien nach und zeigt dabei, wie die in den früheren Arbeiten entwickelten religionsphilosophischen Positionen in den späteren religionstheologischen Schriften, vor allem im Hauptwerk "An Interpretation of Religion" - wenn auch in z. T. modifizierter Form - grundlegend vorausgesetzt sind, so dass von einer bruchlosen Kontinuität im Gesamtwerk auszugehen ist. Lediglich der Horizont hat sich geweitet, indem Hick nun nicht mehr nur von der jüdisch-christlichen Tradition ausgeht, sondern auch die Überlieferungen der anderen Weltreligionen zur Materialgrundlage seiner Religionsphilosophie erhebt.
Im ersten Teil des Buches stellt K. - rückblickend von "An Interpretation of Religion" - die drei Themenkreise dar, mit denen sich Hick in seiner vorpluralistischen Phase vornehmlich auseinander gesetzt hatte:
a) In seinen Erörterungen fundamentaltheologischer Fragen der Erkenntnistheorie, der Erfahrungsgrundlagen und der Rationalität des Glaubens sowie der Kognitivität religiöser Rede geht er von der Feststellung aus, dass sich die Alternative zwischen einer religiösen und einer naturalistischen Weltsicht nicht durch die Evidenz von Argumenten für oder gegen die Existenz Gottes entscheiden lässt. Der Grund für die von Hick konstatierte unaufhebbare "religiöse Ambiguität" der Erfahrungswelt liegt in der Deutungsperspektivität aller Wirklichkeitswahrnehmung. Dieses Postulat wiederum bildet die zentrale erkenntnistheoretische Grundlage für den religionstheologischen Pluralismus.
b) Die materialreligionsphilosophische Befassung mit der Theodizeefrage ergibt sich für Hick aus dem Bemühen, ein gewichtiges Argument gegen die Rationalität des Glaubens zu entkräften. Gegenüber dem von ihm sog. augustinischen Typus der Theodizee, welcher das Böse ontologisch-genetisch als durch den Sündenfall bewirkte privatio boni erklärt, plädiert er für einen irenäischen Ansatz, demzufolge das Böse als entwicklungsfördernde Herausforderung auf dem Weg zur moralischen Vervollkommnung des Menschen ("person-making") zu deuten ist. Die in diesem teleologischen Ansatz implizierte Hoffnung auf eine universale Erlösung im Eschaton (als individuelle und gesamtmenschheitliche Vollendung des person-making-Prozesses) ist von offensichtlicher religionstheologischer Relevanz. Sie leitet zum dritten Themenkreis, der Eschatologie, über.
c) In seinem eschatologischen Entwurf überschreitet Hick die Grenzen der jüdisch-christlichen Tradition und zieht Einsichten der östlichen Religionen, aber auch der Humanwissenschaften und der Parapsychologie heran. Er sucht einen dritten Weg zwischen westlichem Auferstehungsglauben und östlichen Reinkarnationslehren und findet ihn in der Vorstellung einer postmortalen Existenz in anderen Welten, die dem Menschen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung hin zur Gottebenbildlichkeit eröffnet.
Im zweiten Teil seiner Studie stellt K. die Pluralistische Religionstheologie Hicks dar und setzt sich kritisch damit auseinander. Die Grundüberzeugung dieses Modells, dass sich die letztlich unerkennbare göttliche Wirklichkeit (von Hick "the Real" genannt) authentisch in den Traditionsquellen nicht nur des Christentums, sondern auch der anderen Weltreligionen manifestiert habe, wird sowohl in ihrer Entstehung und Entwicklung als auch in ihrem systematischen Gehalt dargestellt und befragt.
K. deutet die letztliche Unerkennbarkeit der göttlichen Wirklichkeit als radikale Unerkennbarkeit und konstatiert eine "unüberbrückbare Kluft" zwischen dem REAL an sich und den religiösen Konzepten, in denen es erfasst wird (861 u. ö.). Bei dieser einseitigen Betonung der Ineffabilität Gottes löst K. die Dialektik, die Hick zwischen dem Transzendenzpostulat und der Behauptung einer authentischen Erschließung des göttlichen Seinsgrundes in den traditionsreichen Weltreligionen konstituiert, zum ersten Pol hin auf und bereitet damit seiner hier ansetzenden Kritik den Boden. Demgegenüber ist festzuhalten, dass sich Hicks Entwurf einer philosophischen Theologie in einem weiten (nicht an die Vorstellung eines personalen Gottes gebundenen) Sinn als Offenbarungstheologie verstehen lässt, sich dabei aber nicht an nur eine Offenbarungstradition bindet, sondern auch aus den Quellen der anderen Religionen schöpft. Dieser religionsübergreifenden globalen Theologie erscheinen dann die zentralen Offenbarungsereignisse und -inhalte der Religionen als kulturell bedingte Auffassungen des Absoluten.
Die Position K.s kann nur indirekt aus den kritischen Auseinandersetzungen mit Hicks Argumentationsgängen erschlossen werden. Sie liegt nach seinem eigenen Bekunden (17, Anm. 2) irgendwo zwischen freundlicher Affirmation der Pluralistischen Religionstheologie und ihrer eiligen Abwertung und will sich als "kritisch-positive Interpretation" (19) verstanden wissen. Die Norm zur kritischen Beurteilung ergibt sich für K. aus der "Vergewisserung jenes Standpunkts, den die offizielle Religionstheologie der (katholischen) Kirche mit der Zeit gewonnen hat" (19). Und so befragt er die religionstheologischen Thesen Hicks auf ihre Christlichkeit, die er wiederum bemisst an der "Verpflichtung auf eine bindende Lehrtradition", wie sie katholischerseits durch die Stellungnahmen des Lehramts formuliert ist (867 - in zurückhaltend konditionaler Formulierung). Das Ergebnis dieser Art kritischer Würdigung kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass sich "in Hicks Pluralismus schwerlich eine christliche Möglichkeit erkennen lässt" (ebd).
K.s Dissertation fällt durch ihren außergewöhnlichen Umfang auf, der sich einer enormen quantitativen Arbeitsleistung verdankt. Doch liegt eben darin auch die Schwäche seines voluminösen Werks: Statt systematisierender Verdichtungen und stringenter Rekonstruktionen der Argumentationsketten Hicks mit der Fokussierung auf die wesentlichen Begründungszusammenhänge bietet K. weitschweifige Paraphrasen seiner Schriften- wortreich und flächig im Text und in den langen Anmerkungen. Langatmige, zuweilen kreisende Gedankenbewegungen und Wiederholungen ermüden den Leser. Dabei beschränkt er sich ganz auf die Darstellung der Arbeiten Hicks. Andere Vertreter der Pluralistischen Religionstheologie kommen nicht zu Wort und auch die in der Sekundärliteratur geführte kritische Auseinandersetzung um diesen Ansatz findet keine Beachtung. Nur gelegentlich und ausnahmsweise wird die werkimmanente Interpretation aufgebrochen und ein Seitenblick auf ihren religionstheologischen Kontext geworfen. So kann es K. nicht gelingen, einen weiterführenden Beitrag zu dieser Debatte zu liefern. Der Wert seiner Arbeit liegt in der Detailexegese von Hicks Gesamtwerk.