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Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

221 f

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Erdö, Péter

Titel/Untertitel:

Die Quellen des Kirchenrechts. Eine geschichtliche Einführung.

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2002. XX, 186 S. 8 = Adnotationes in Ius Canonicum, 23. Kart. Euro 35,30. ISBN 3-631-35305-7.

Rezensent:

Daniela Müller

Der ungarische Professor für Kirchenrecht in Budapest und an der Gregoriana in Rom, der mit dem Vatikan durch vielfältige Beratertätigkeiten verbunden ist, hat mit dem vorliegenden Buch vor allem für Studenten eine Lücke in der Literatur geschlossen. Bislang mussten die Informationen zu den Kirchenrechtsquellen entweder aus den bekannten Allgemeindarstellungen des Kirchenrechts oder aus Lexikonartikeln genommen werden.

Nach einer kurzen Einführung, in welcher eine Kurzdefinition von Rechtsquelle sowie ein Umriss der Stellung der Kirchenrechtsquellen innerhalb der Kirchenrechtsgeschichte gegeben und die Kernbegriffe erläutert werden, folgt E. der bekannten vierteiligen chronologischen Einteilung: Auf die Zeit des Alten Rechts - bis 1140 -, das in das patristische Zeitalter, die karolingische Epoche und deren Auflösung zerfällt, folgen das Zeitalter des Klassischen Kirchenrechts - von 1140-1563 -, das des Tridentinischen Kirchenrechts und das der Kodifikationen - bis 1927. Somit fallen für E. alle Rechtsdokumente unter den Begriff der "Quelle", er vermeidet also die schwierig zu begründende Verteilung des Stoffs in Quellen und Literatur. Vorangestellt ist neben dem Abkürzungsverzeichnis eine ausführliche und hilfreiche fachliterarische Übersicht. Den Abschluss bilden ein Personen- und Titelregister sowie ein Sachregister.

Das Buch eignet sich vorzüglich als Studienhilfe und als Übersichtswerk, um Zugang zu dem langwierigen und vielfältigen Entstehungsprozess der Kirchenrechtsquellen zu erhalten, wodurch sich gleichzeitig die Entstehung des Kirchenrechts im Allgemeinen nachvollziehen lässt. Jedem der vier großen Kapitel werden zunächst einführende Erläuterungen vorangestellt, die das historische Umfeld und die Bedingungen kurz beschreiben, um die entsprechenden Texte als für ihre Zeit typische Äußerungen der Rechtswirklichkeit und der Rechtsschöpfung begreiflich zu machen. Akribisch genau werden dann die einzelnen Texte aufgelistet sowie die grundlegenden Probleme in der Forschung vorgestellt. Dadurch also wird von der Entstehung des Werkes über seine Rezeption bis hin zum aktuellen Forschungsstand der Bogen geschlagen.

Bei der Darstellung spielt der didaktische Gesichtspunkt für E. merklich eine große Rolle, so dass Übersichtlichkeit und Eingängigkeit der Formulierungen an oberster Stelle rangieren. Daran ist abzulesen, dass es sich bei dem vorliegenden Buch um die Übersetzung eines Lehrbuchs von E. handelt, das dieser, basierend auf seinen eigenen Vorlesungen, zunächst für seine ungarischen Studenten verfasst hat. Am beeindruckendsten und hilfreichsten ist das Buch sicher dort, wo die neuesten und aktuellen Forschungsergebnisse vorgestellt werden, so vor allem bezüglich der nun festgestellten zwei Redaktionsstufen und einer Vorstufe des Decretum Gratiani. Die Argumente und die Folgerungen aus der Literatur werden bei jeder entsprechenden Quelle gewissenhaft dargelegt, so dass kein bloßes Faktenwissen vermittelt, sondern der Verständnishorizont für Entstehung und Auswirkungen der jeweiligen Quellen erweitert wird. Getragen ist E.s Darstellung letztlich von der Überzeugung, dass die Rechtsnormen der Kirche, die ja nicht willkürlich abgeschafft werden können, immer in Harmonie mit der apostolischen Tradition zu gestalten seien. Eine genauere Hinterfragung dieses Begriffs der apostolischen Tradition wäre allerdings wünschenswert gewesen, um ein Gespür dafür zu entwickeln, dass auch normativen Vorgaben durchaus historisch Gewordenes anhaften kann. Eine etwas kritischere Würdigung der Entstehungsgeschichte des CIC von 1983 hätte gleichfalls nicht geschadet. Leider wird auch kein Wort über das Wesen des evangelischen Kirchenrechts verloren. E. gibt in seiner Einleitung lediglich zu verstehen, dass er Einteilungsansätze für die großen Entstehungsperioden der Kirchenrechtsquellen durch protestantische Autoren für unangemessen hält (6 ff.).

Insgesamt also bildet das vorliegende Buch sicher eine wertvolle Studienhilfe und einen informativen Überblick, bleibt aber von der Intention her ganz der engen Verbindung von Recht und Theologie verhaftet.