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Ausgabe:

Februar/2004

Spalte:

133–135

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gantke, Wolfgang, Hoheisel, Karl, u. Wassilios Klein [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religionsbegegnung und Kulturaustausch in Asien. Studien zum Gedenken an Hans-Joachim Klimkeit.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 2002. 244 S. m. Abb. gr.8 = Studies in Oriental Religions, 49. Kart. Euro 68,00. ISBN 3-447-04574-4.

Rezensent:

Ulrich Dehn

Hans-Joachim Klimkeit (1939-1999) war einer der bedeutendsten deutschen Religionswissenschaftler des 20. Jh.s. Davon legt u. a. eine von Ulrich Vollmer erstellte 25-seitige Bibliographie mit 360 Titeln zumindest quantitativ Zeugnis ab. Die hier vorgelegte Sammlung von Beiträgen unterschiedlicher Art aus dem Kreise von Doktoraten, Habilitaten und anderen akademischen oder persönlichen Weggefährten steckt den inhaltlichen Horizont ab, der das Wirkungs- und Bezugsfeld Klimkeits ausmachte. Nicht jeder Beitrag kann im Einzelnen gewürdigt werden, aber einige seien angesprochen.

Die Beiträge sind alphabetisch nach dem Anfangsbuchstaben des Autorenfamiliennamens geordnet, und so stehen Gregor Ahns grundlegende Überlegungen (49-62) zum Thema der Religionsgeschichtsschreibung am Beispiel von Manichäismus und Zoroastrismus am Anfang.

Die ältere Religionsgeschichtsschreibung - Ahn nennt und charakterisiert die Werke von Anwander, van der Leeuw, F. Max Müller, Mensching u. a. - hat unter dem Bedürfnis einer kategorisierenden Gesamtsicht der Geschichte der religiösen Traditionen gelitten. Ahn weist an Beobachtungen auch aus dem Werk Klimkeits zu Manichäismus und Zoroastrismus nach, dass das Konzept der lokalen Religionsgeschichte die Differenzierungen einer religiösen Entwicklung auffangen kann, ohne in eine beliebige Fragmentierung zu verfallen. Auf am Sutra der "acht Erscheinungen" und seinen tibetischen Versionen entlanggehenden philologische Detailbeobachtungen Helmut Eimers (63-71) folgen die halb autobiographischen, halb thematischen Reminiszenzen Wolfgang Gantkes an Klimkeit (72-80): der Beginn seiner Studienzeit bei Klimkeit, der mit seinem offenen Naturell im Kontrast zum gestrengen Vorgänger Mensching ihn sehr früh auf die Spur der Religionswissenschaft setzte. Klimkeits Versuch einer problemorientierten Religionsphänomenologie und schließlich seine stärkere Hinwendung zu einer Detail- und Quellenforschung, die die religionsphänomenologischen Aktivitäten zunehmend verdrängte, werden hier nachgezeichnet.

Zu den Beiträgen, die eigentlich eher als Miszellen denn als Aufsätze zu betrachten sind, zählen u. a. der nun folgende von Walther Heissig ("Zu einer daghurischen Schamanen-Reise in das Totenreich", 81-85), die Ausführungen von Adelheid Herrmann-Pfandt über "Bhiksuni Laksmi, Nagarjuna and the Eleven-headed, Thousand-armed Avalokitesvara" (86-98) sowie Rudolf Kaschewskys Anmerkungen zum Sogdischen als Bindeglied und sprachlicher Angelpunkt der Religionsbegegnung in Zentralasien (120-139) und Jens Peter Lauts Text über ein Fragment der Murtuker Handschrift der alttürkischen Maitrisimit (165-174).

Wieder etwas grundsätzlicher angelegt ist der Habilitationsvortrag von Wassilios Klein: "Zur Struktur von Beichtspiegeln und Gebotstafeln" (152-164), der eine bemerkenswert breite strukturelle Vergleichbarkeit von diesbezüglichen Texten eruiert, die auch die enge Verbindung von der Treue zu Glaubensinhalten und ethischen Bestimmungen belegen lässt. Für Klein ist dies ein Impuls für verstärkte interreligiöse Kommunikation, den die vergleichende Religionswissenschaft bieten kann.

Die vielleicht interessantesten Anregungen mag der Aufsatz von Helwig Schmidt-Glintzer zu "Eurasien als kulturwissenschaftliches Forschungsthema" (185-199) bieten. Schmidt-Glintzer weist ideologiekritisch und kultur- und wissenschaftshistorisch auf die Schwierigkeiten hin, den größten zusammen- hängenden Kontinent der Erde in die Größen Asien und Europa einzuteilen. Die Sichten aus West und Ost unterschieden und unterscheiden sich, der "osmanischen Bedrohung" (so die europäische Sicht) stand die unaufhaltsame europäische Eroberung der Welt (so u. a. die asiatische Sicht) gegenüber. "Asien" und "Europa" entpuppen sich als ideologische, keineswegs jedoch als per se plausible geographische oder politische Begriffe. Von der Klimkeitschen Hinwendung zu zentralasiatischen Themen legen auch die Beiträge von Werner Sundermann ("Das Leiden und Sterben Jesu in manichäischer Deutung", 209-217) und Claudia Weber zu den Schriftzeugnissen der alttürkischen Uiguren (218-225) sowie Peter Zieme ("Alttürkische Fragmente aus dem Devatasutra", 226-244, mit ausführlichem Faksimile-Anhang 237-244) Zeugnis ab.

Hubert Seiwert macht in seinem Text "Militante buddhistische Mönche und Maitreya-Glaube im chinesischen Mittelalter" (200-208) auf eine bisher wenig beachtete innere Differenzierung im mittelalterlichen chinesischen Buddhismus aufmerksam: Neben dem orthodoxen, regulär monastischen staatlichen Buddhismus gab es volksbuddhistische Mönche, die Familien hatten, Geschäfte trieben, über Wunderkräfte verfügten, Anhänger um sich scharten und an eschatologischen Befreiungsbewegungen teilnahmen, wie dem gewalttätigen, am Buddha Maitreya orientierten Aufstand des Mönchs Faqing im 6. Jh.

Mit der Identifikation Manis mit Maitreya befasst sich Manfred Hutter, Lehrstuhlnachfolger Klimkeits, und auf das Judentum an der Seidenstraße geht Karl Hoheisel ein.

Die Texte sind, außer dass ein deutlicher inhaltlicher Schwerpunkt in Zentralasien liegt, in Gattung und Methode heterogen: Es gibt konzeptionell und gedanklich innovative Beiträge, Werkstattberichte, Textkritiken, lexikalische Einträge, sie sind je in sich gewinnbringend, so in Sonderheit etwa Ahn und Schmidt-Glintzer, aber es fehlt der eine Guss, der redaktionelle rote Faden, das editorische Vorwort (statt dessen ein Nachruf von Klaus Sagaster), es fehlen Angaben zu den Beitragenden.

Das ein wenig schnappschussartige Eingangsbild Klimkeits, das ihn auf einem Felsen vor einem Höhleneingang (?) sitzend zeigt, suggeriert einmal mehr, dass hier ein Wissenschaftler überraschend mitten aus dem aktiven Leben gerissen wurde.