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Ausgabe:

Dezember/2003

Spalte:

1257–1259

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Greschat, Katharina, u. Heike Omerzu [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Körper und Kommunikation. Beiträge aus der theologischen Genderforschung.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2003. 210 S. m. Abb. 8. Kart. Euro 16,80. ISBN 3-374-02042-9.

Rezensent:

Thomas Klie

Eine Projektdokumentation folgt einer anderen Logik als ein Sammelband, der sich einem primären Veröffentlichungsinteresse verdankt. Und so wird spätestens nach der Lektüre von Inhaltsverzeichnis und Vorwort klar, dass Titel und Untertitel des vorliegenden Bandes eine thematische Breite signalisieren, die durch die acht in erster Linie exegetisch und historisch ausgelegten Beiträge nicht ganz abgedeckt wird. Trotz, vielleicht aber auch gerade wegen dieser anfänglichen Irritation liest man "Körper und Kommunikation" mit Gewinn, wird doch in dieser wichtigen Veröffentlichung der - nicht selten affektiv aufgeladene - theologische Gender-Diskurs an seine textgeschichtlichen Grundlagen rückgebunden. Hier geht es um Körpergeschichte, besser noch: Körpergeschichte(n). Inwieweit aber darüber hinaus die feministische Hermeneutik biblischer und religionsgeschichtlicher Texte auch "Horizonte" öffnet, "deren Gegenwartsbedeutung auf der Hand liegen", wie Schoberth werbend in ihrem Geleitwort formuliert (9), ist nicht unabhängig vom jeweiligen Leseinteresse entscheidbar - zu groß ist die Streubreite der einzelnen Aufsätze. Die in ihnen ausgelegten Texte reichen von Gen 18, dem Esther-Buch, dem Testament Hiobs, den Paulus- und Thekla-Akten, dem Buch Bahir bis hin zu Tertullian und paganen Schriften aus der Antike. Zudem drängt sich das theologisch durchaus reizvolle Thema leibgebundener religiöser Kommunikation als roter Faden beim Lesen nicht unmittelbar auf; es stellt vielmehr nur eine von mehreren Lesarten dar. Man(n) kann diese Texte auch als forschungsgeschichtliche Rekonstruktionen lesen oder als feministische Historiographie religiös vermittelter Frauenbilder.

Im programmatischen Eingangsbeitrag weist Schorn am viel zitierten Motiv der lachenden Sarah überzeugend nach, wie sehr die Kommunikation in Gen 18 auch und gerade leibliche Kommunikation ist. Die "Erzmutter" steht hier religiös keineswegs hinter ihrem Mann zurück, sondern sie wird in dieser Szene selbst als "Trägerin einer für die Identität Israels entscheidenden Verheißung" (25) dargestellt. Welke-Holtmann arbeitet an der Figur der Esther das Element des Suchens heraus, in dem sich Momente "weiblicher Taktik" und "weiblicher Eloquenz" verbinden. Esthers Suche ist ein "existentielles Suchen, das unter Einsatz der Person geschieht" (54). Dem Phänomen der "hohen Gürtung" geht Omerzu am pseudepigraphischen Testament Hiobs nach und kommt zu dem Ergebnis, dass in der literarischen Fiktion die Töchter Hiobs für die Erlangung ihrer pneumatischen Fähigkeiten keineswegs ihre Geschlechtsrolle verleugnen müssen, im Gegenteil: Die besondere Form des hoch unter der Brust getragenen Gürtels "drückt ihre besondere Würdestellung aus", die sonst nur von Himmelswesen ausgesagt ist. Sehr viel zurückhaltender wertet demgegenüber Guttenberger ihren Befund, dass Frauengestalten bei den Belegen über Exorzismen deutlich unterrepräsentiert sind. Das von leiblichen Ekstasen begleitete exorzistische Wirken Jesu gilt fast ausnahmslos Männern. Besessene Frauen - so die These - "galten als besonders schutzbedürftig" und blieben folglich "hinter verschlossenen Türen" (122). Diesen privaten Raum verlassen zu haben und es als Predigerin Paulus gleich getan zu haben, ist das Spezifikum der Thekla-Gestalt in den apokryphen "Acta Pauli et Theklae". Büllesbach weist an diesem Text (insgesamt "kein Dokument weiblicher Freiheit") vor allem auf die enorme Wirkungsgeschichte der frühchristlichen Thekla hin.

In den Beiträgen von Greschat und Krieg rücken dann stärker christologische bzw. theologische Fragen in den Vordergrund. Greschat rekonstruiert "die Wirklichkeit des Fleisches Christi" als das entscheidende Argumentationsmuster Tertullians in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern, während Krieg auf die Geschlechtermetaphorik im kabbalistischen Bahir-Buch reflektiert. Die "weibliche Seite Gottes" ist hier nicht allein eine innerdynamische göttliche Eigenschaft, sondern geschöpflicher Ausdruck der "Hinwendung zum menschlichen Leben" (178).

Der letzte Aufsatz des Bandes fällt gleich in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen. Als einzige Autorin spielt Wagener eine praktisch-theologische Perspektive ein: Sie stellt die Frage nach Aneignung und Vermittlung und beantwortet sie mit der Methode des (psychodramatisch ausgelegten) Bibliodramas: "Es geht dabei um einen Heilungsprozess, der Entfremdung überwinden will und eine neue Integration von Elementen anstrebt, die durch die patriarchal-dualistische symbolische Ordnung getrennt waren" (204 f.). Wageners auf der Grundlage des älteren differenzfeministischen Ansatzes formulierte Thesen treten damit in einen deutlichen Kontrast zu den implizit semiotisierenden Rekonstruktionen der übrigen Autorinnen. Leider wird die wichtige methodologische Grundentscheidung zwischen symbolisch vermitteltem bzw. materialisiertem Körper an keiner Stelle des Buches diskutiert. Es hat vielmehr den Anschein, als verlöre sie sich im Detailreichtum der überaus kundigen und prononciert vorgetragenen Einzeluntersuchungen. Für die Frage nach der "Bedeutung der menschlichen Leiblichkeit für die Kommunikation und Konstruktion (!) der Geschlechter in ihrer Beziehung zu Gott" (7) - immerhin die ausgewiesene Zielperspektive des Mainzer Forschungsprojekts - ist jedoch die Unterscheidung von "Körper als Zeichen" und "Körper als Fleisch" fundamental.