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Ausgabe:

Juli/August/2003

Spalte:

730–732

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mirecki, Paul, and Jason BeDuhn [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Light and the Darkness. Studies in Manichaeism and its World.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 2001. V, 222 S. m. Abb. gr.8 = Nag Hammadi and Manichaean Studies, 50. Geb. ¬ 89,00. ISBN 90-04-11673-7.

Rezensent:

Uwe-Karsten Plisch

Anders als sein unmittelbarer Vorgängerband (Van Oort/Wermelinger/Wurst, Augustine and Manichaeism in the Latin West = NHMS 49, Leiden 2001) steht dieser Sammelband zum Manichäismus unter keinem enggefassten Oberthema. Untersucht werden im weitesten Sinne Querbezüge zwischen manichäischen Auffassungen und zeitgenössischen Kultur- und Geistesströmungen der verschiedensten Art. Berücksichtigt werden dabei manichäische Quellentexte bzw. Quellen zum Manichäismus aus unterschiedlichen Regionen des Verbreitungsgebietes des Manichäismus und in verschiedenen Sprachen. Ausgewertet werden griechische, koptische, lateinische, mittelpersische und sogdische sowie türkische Texte. Wie schon der erste in NHMS von Mirecki und BeDuhn edierte Sammelband zum Manichäismus (Emerging from Darkness. Studies in the Recovery of Manichaean Sources = NHMS 43, Leiden 1997) versammelt auch dieser - relativ schmale - Band Beiträge, die im Rahmen der Manichaean Studies Group der Society of Biblical Literature in den jeweils letzten Jahren vorgestellt wurden. Zwei Autoren, Byard Bennet und Werner Sundermann, sind mit je zwei Beiträgen vertreten. Sämtliche Aufsätze sind in englischer Sprache abgefasst.

Nach der Introduction der Herausgeber beschäftigt sich der von J. BeDuhn verfasste erste Beitrag (The Metabolism of Salvation) mit manichäischen, insbesondere von Mani selbst stammenden, Vorstellungen von der menschlichen Körperlichkeit einschließlich der von den Manichäern als stofflich gefassten Seele, und ihren Wechselwirkungen mit dem Kosmos. Herausgearbeitet werden vor allem Bezüge zu stoischen und stoisch beeinflussten mittelplatonischen Vorstellungen mit dem Fazit, dass sich Mani ganz auf dem Boden der populärwissenschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit bewegt, die er versucht, in ein Gesamtkonzept einzubinden.

Der erste Beitrag von Bennett (Didymus the Blind's Knowledge of Manichaeism) bemüht sich um den Nachweis, dass Didymus nur eine begrenzte Kenntnis speziell der manichäischen Anschauung des Bösen besaß und gelegentlich Argumente des Origenes gegen andere Häretiker für seine antimanichäische Argumentation adaptierte. Bennets zweiter Beitrag (Iuxta unum latus terrae tenebrarum: The Division of Primordial Space in Anti-Manichaean Writers' Description of the Manichaean Cosmogony) überprüft die (alte) These von Cumont und Kugener, einige Griechisch schreibende antimanichäische Autoren der Alten Kirche (Titus von Bostra, Severus von Antiochien, Theodoret von Cyrus) hätten auf eine original syrische manichäische Quelle zurückgegriffen, womöglich auf Manis Buch der Riesen. Bennett kommt zu dem Schluss, die fragliche (gemeinsame) Quelle sei griechisch gewesen und kein Originalwerk Manis, wenn sie auch Zitate aus dessen Werken enthalten haben kann. Die verwendeten manichäischen Anschauungen zur Kosmogonie wiederum seien persischen Ursprungs.

Die Prolegomena to a Study of Women in Manichaeism von J. Kevin Coyle betreten in der Tat jungfräuliches Gelände ("Virgin Territory", 79). Das ist umso erstaunlicher, als die Rolle von Frauen in der Gnosis in den letzten Jahren ausführlich untersucht worden ist. Erhoben wird zunächst die Quellenlage (1. What is known?), gefolgt von Vorschlägen zur Hermeneutik und künftigen Wegen der Untersuchung. Eine interessante Frage ist ohne Zweifel, ob und, wenn ja, wie das Frauenbild Augustins mit seiner zeitweiligen Affinität zum Manichäismus zusammenhängt.

Der Inhalt des Beitrages von Iain Gardner The Reconstruction of Mani's Epistles from three Coptic Codices (Ismant El-Kharab and Medinet Madi) ist mit seinem Titel hinreichend beschrieben. Die (koptisch erhaltenen) Briefe Manis sind eine religionsgeschichtliche Quelle allerersten Ranges, denn, anders als etliche spätere manichäische Quellen, waren sie Teil des manichäischen Kanons und führen direkt zum Denken des historischen Mani. Die Frage nach dem Verhältnis Manis zum Christentum stellt sich in ihrem Lichte neu. Die zügige Erschließung der größtenteils bereits vor sechzig Jahren (in Medinet Madi) entdeckten Briefe bleibt zu wünschen und zu erhoffen.

Etwas aus dem Rahmen der übrigen Beiträge, da nicht auf der Untersuchung von Texten basierend, fällt die Untersuchung von Zsuzsanna Gulácsi (Reconstructing Manichaean Book Paintings through the Technique of Their Makers) am Beispiel des Berliner Codex MIK III 4974, die willkürlichen ikonographischen Deutungen vorbeugen soll.

Der bei weitem umfangreichste (45 S.) Beitrag The Authenticity and Doctrine of (Ps.?) Mani's Letter to Menoch stammt von Geoffrey Harrison und J. BeDuhn; er enthält auch den lateinisch überlieferten Text des Briefes samt englischer Übersetzung. Manis Brief an Menoch (nom. proprium fem.) wird von den meisten Forschern für unecht gehalten, wobei die Art der Unechtheit unterschiedlich bestimmt wird (christliche [pelagianische] Fälschung oder manichäische Pseudepigraphie). Die Verfasser bemühen sich dagegen mit einigen guten Argumenten um den Nachweis der Authentizität des Briefes. Die schwierigste Hürde ist dabei sicher das Problem der Kindertaufe im syrischen Raum zur Zeit Manis. Mindestens für erwiesen halten die Autoren jedoch die Herkunft des Briefes aus manichäischen Kreisen.

Der kurze Beitrag von P. Mirecki (Manichaean Allusions to Ritual and Magic: Spells for Invisibility in the Coptic Kephalaia) befasst sich mit dem Verhältnis der aus den Kephalaia bekannten manichäischen Ablehnung der Magie zum manichäischen Gebrauch der Magie, wie er neuerdings durch einen Privatbrief aus der Oase Dachleh (P. Kell. Kopt. 35) bezeugt wird.

W. Sundermann publiziert in seinem ersten Aufsatz (On Human Races, Semi-Human Beings and Monsters), der schon des Themas wegen recht interessant zu lesen ist, erstmals das sogdische Fragment So 20229 aus der Staatsbibliothek zu Berlin, das Bestandteil eines Sermons über "Die vier Welten" gewesen ist. Präsentiert werden außerdem drei mittelpersische Fragmente eines verwandten Textes, die mit Hilfe des sogdischen Sermons (besser) rekonstruiert werden können (M 289b/c, M 415). Der zweite Beitrag W. Sundermanns beschäftigt sich - auf der Grundlage des mittelpersischen Turfanfragments M 546 - mit der zeremoniellen Übergabe der Almosen an die manichäischen electi durch die auditores.

Im abschließenden Beitrag (A Manichaean-Turkic Dispute in Runic Script) stellt Peter Zieme die bisher unentdeckt gebliebene Zusammengehörigkeit des 1985 von O. Sertkaya edierten Turfanfragments Mz 383 (T II K) mit der Seite II des schon 1909 von Le Coq beschriebenen Turfanfragments U 5 (TM 342) her; Text und Übersetzung des Letzteren werden samt Kommentar geboten.

Abgeschlossen wird der Band mit zwei Indices (Subject Index, knapp eine Seite, Text Index, anderthalb Seiten), die jedoch wegen ihrer Kürze und Ungenauigkeit nur wenig nützen. Abgesehen davon erhält man jedoch einen aufschlussreichen Einblick in die aktuelle Diskussion.