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Ausgabe:

April/2003

Spalte:

379–381

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Blenkinsopp, Joseph

Titel/Untertitel:

Isaiah 40-55. A New Translation with Introduction and Commentary.

Verlag:

New York-London-Toronto-Sydney-Auckland: Doubleday 2000. XVIII, 411 S. gr.8 = The Anchor Bible, 19A. Lw. US$ 45,00. ISBN 0-385-49717-2.

Rezensent:

Peter Höffken

Überraschend schnell erschien nach dem 2000 veröffentlichten ersten Teilband zu Jes 1-39 (besprochen in ThLZ 127 [2002] 275-277) nun der zweite, Deutero-Jesaja gewidmete Teilband, dem hoffentlich dann auch bald der dritte Teilband folgen kann. Da die Grundsätze zur Kommentargestaltung in der oben genannten Rezension angesprochen wurden, ist es nicht notwendig, auf diese erneut einzugehen. Ich stelle den Lesern vor allem die Einleitung zum Buchteil oder Teilbuch vor (Introduction to Isaiah 40-55, 41-126), der eine sehr ausführliche Bibliographie folgt (129-174). Abgeschlossen wird das Werk durch die einschlägigen Indizes, 375 ff., wovon der Sachindex von der Fülle der bearbeiteten Aspekte Zeugnis gibt. Dazwischen steht dann die eigentliche Kommentierung, für die sich die 16 Kapitel in 37 Teilabschnitte gegliedert finden.

Diese Einleitung zeichnet sich durch eine kritische Auseinandersetzung mit den Positionen der neueren Diskussion aus, die das Jesajabuch als eine Einheit sehen. B. vertritt die Auffassung, dass Deutero-Jesaja (DJ) von Proto-Jesaja (PJ) unabhängig entstanden ist, weist also entsprechende Argumentationen bei R. E. Clements, R. Rendtorff, B. S. Childs und H. G. M. Williamson kritisch ab (48-50). Mit B. D. Sommer, A Prophet Reads Scripture, 1998, wird auf den erheblichen Einfluss anderer Prophetenschriften neben PJ auf DJ hingewiesen. Die Verbindung zu PJ sieht B. einerseits durch das dtr Erzählstück in 36-39 und andererseits durch eine starke Parallelität zu dtn/dtr Themen in DJ vermittelt (vgl. 51-54). - Auch die Kritik an B.S. Childs (54 f.) finde ich recht überzeugend: Es gibt in der Antike keine Gesamtinterpretation von kanonischen Büchern, es gibt nur ein Heranziehen von Einzeltexten aus kanonischen Schriften (wie das NT überdeutlich dokumentiert).

In der Abfolge von 40-55 erkennt B. mit vielen neueren Autoren eine Art Blickwechsel in 40-48/49-55. Das wird dann später in Hinsicht auf die Frage der Bildung von 40-55 näher entfaltet. Hierbei stellt er in 49-55 starke Bezüge zu Trito-Jesaja heraus (74), mit welchem literarischen Kreis er auch die Textredaktion von DJ (der nicht als Einzelner erkennbar ist) verbindet. Das hat eine starke Affinität zu der wohl ersten redaktionskritischen Analyse von DJ durch K. Elliger (1933). Dagegen findet er kaum Bearbeitungsspuren in 40-48: neben der Götzenbilderthematik möglicherweise noch 46,12 f.; 48,17-19 u. 48,16b als Vorverweis auf die Gottes-Knechts-Lieder (=GKL) 2 und 3 (d. h. 49,1-6; 50,4-9). Mit dieser Sicht verbunden ist auch eine gewisse Wertung der GKL: das 1. bezog sich auf Kyros, dessen Aufgabe dann auf den als Individuum prophetischen Zuschnitts, d. h. als DJ, zu verstehenden Gottesknecht der Lieder 2-4 übergeht. Dieser Gottesknecht übernimmt dann die Kyros-Aufgabe mit der in 53 vorliegenden Neudeutung: Das Leiden für andere führt hier zum Ziel. Und dieses "Ziel" schließt dann zunehmend jene "Knechte" im Plural ein, von denen ab 54,17 die Rede sein wird, was für B. ein wichtiges Indiz der tritojes Ausformulierung von Jes 49-55 darstellt.

Interessant finde ich auch die Platzierung B.s in der neueren Diskussion über DJ als Dichter oder Prophet. Er plädiert stärker für DJ als rhetorische Texte, wobei er die formgeschichtlich inspirierte Diskussion über Mündlichkeit/Schriftlichkeit der Texte mit anderen neueren Stimmen (genannt werden Y. Gitay u. S. Niditch) überholt sieht: Die schriftlichen Texte sind zum lauten Lesen (Vorlesen) konzipiert. Weniger klar ist mir, warum B. angesichts der rhetorischen Zielsetzung DJs (qua "orator", 68) den poetischen Charakter der Texte herunterspielt. Da meine Beschreibung etwas stark personal klingt, sei angefügt, dass bei B. diese Texte sozusagen sozial gefasst werden, als Reden wohl innerhalb eines proto-synagogal network (vgl. 64; auch 53).

Für die Frage der Herkunft der deuterojes Texte aus Palästina oder Babel betont B. durchaus die argumentative Pattsituation, die sich in dieser Frage ergeben hat. Weiterführend sind hier dann seine Überlegungen, dass DJ weithin als Auseinandersetzung mit der Marduktheologie (eruiert vor allem aus Enuma elisch und den babylonischen Ritualtexten zum Neujahrsfest) zu verstehen ist, was wohl nicht nur für die Gedanken zum Schöpfer- und Befreiergott gelten kann, sondern möglicherweise auch für den Gedanken, dass Jahwe selbst (mit den Seinen) aus einer Art Exil zurückkehrt (40,3-5+52,7-10). Denn dieser Gedanke von Exil und Rückkehr des Gottes ist im Marduk-Glauben Babels durchaus verankert (sog. Mardukprophetie, Übersetzung K. Hecker, TUAT II.1, 1986, 65 ff.; aber auch Nabonids Babel-Stele, zum relevanten Textausschnitt vgl. R. Borger, TUAT I.4, 1984, 407). An diesen Gedanken weiter zu arbeiten, erscheint mir persönlich lohnend. B. selber sieht diesen Komplex als entscheidend dafür an, für eine babylonische Entstehung von 40 ff. (im Kern) zu plädieren.

Der Kommentar ist insgesamt eine erfreuliche Erscheinung; seine historisch-kritische Orientierung macht ihn zu einer wichtigen Ergänzung zu anderen Sichtweisen, die wegen ihrer Ausrichtung unvermeidlich eine flächigere Sichtweise der deuterojes Überlieferung zu Grunde legen müssen. Insofern ist die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit B.s Buch lohnend.