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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

208–210

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Ott, Heinrich

Titel/Untertitel:

Erkenntniswege theologischen Denkens. Umrisse einer ökumenischen Fundamentaltheologie.

Verlag:

Altenberge: Oros 2001. XIV, 238 S. = Münsteraner Theologische Abhandlungen, 67. Kart. ¬ 23,00. ISBN 3-89375-201-3.

Rezensent:

Udo Kern

"Theologie ist immer konfessorisch: ich muß meinen eigenen Glauben bekennen; und sie ist immer argumentativ, apologetisch im Sinne von apologia als Rechenschaft. Beides, das Konfessorische und das Apologetische, gehören zusammen im dialogischen Prozess" (105). Der zu rezensierende Band ist Entfaltung dieses theologischen Credos des Vf.s. Die "ganze wissenschaftliche ... Theologie [sc. ist nach Meinung des Vf.s] dazu da, für Verkündigung und Glaubensgespräch vorzubereiten" (208).

Bei dem Buch handelt es sich um die erweiterte Neuauflage des Titels: Apologetik des Glaubens. Grundprobleme einer dialogischen Fundamentaltheologie, Darmstadt 1994. Das Vorwort versteht sich als "Hinführung zum Begriff einer ökumenischen Fundamentaltheologie" (IX). Die nachfolgende Einleitung gilt dem neuen, dialogischen Denkstil in Theologie und Kirche. Es folgen die vier Haupteile "Rechenschaft", "Person", "Mysterium" und "Verifikation". Ein "Ausblick" handelt von der "Phänomenologie des Glaubens", der insbesondere der produktiven theologischen Indienstnahme der intentionalen Auslegung gilt.

Ott plädiert nachdrücklich für eine ökumenische Fundamentaltheologie. Sie sei auch die Voraussetzung für den interreligiösen Dialog. Es gehe um "Apologetik des Glaubens", nicht nur um eine des Christlichen; das heißt: "Christsein kann sich nicht gegen andere Weisen religiösen Daseins wie Glaube gegen Unglauben abgrenzen. Christsein bewährt seine besondere Wahrheit darin, daß es die Grundentscheidung und Grundbefindlichkeit von Glauben erleuchtet." (8)

Theologie sei Rechenschaft vom Glauben (1Petr 3,15) und in diesem Sinne Apologetik. Theologisches Denken sei Bewährung der Glaubenserfahrung. Glaube aber sei nicht weltanschauliche Theorie, sondern "primär eine Tathandlung" (48). Als Rechenschaft vom Glauben sei Theologie apologetisch und hermeneutisch grundorientiert. Theologie sei unbedingt existenziell verortet. Das Wissenschaftlich-Methodische und Existentielle seien in ihr notwendigerweise streng vernetzt. Aus der "fides qua creditur, der tiefinnerlichen Vertrauensbewegung des Herzens" erwachse "eine formulierbare fides quae creditur" (53). Die Themen der Theologie seien "nur in der Grundhaltung des Gebets realisierbar" (10). Das personal-dialogische Leben sei der Wirklichkeitsraum einer apologetischen Theologie. Glaube sei als ein personaler Akt des Menschen "ein Akt des Grundvertrauens, welches die Person als ganze durchstimmt" (37) und nicht nur ein intellektueller oder voluntativer Akt. Auf seiten Gottes sei die Offenbarung ein personaler Akt der Selbsterschließung, der Selbstmitteilung und der freien Tat Gottes.

O. ist interessiert an einer irenischen ökumenischen Fundamentaltheologie. Die konfessionellen Differenzen werden weitgehend übergangen und ihr theologisches Potential kaum genutzt. So versucht er auch (wenig überzeugend), die römisch-katholische Rede von der gratia infusa als einen "eminent personale[n] Sachverhalt" (45) zu interpretieren.

Wenn wir von Gott denken und reden, sei für uns der personale Gott der Bibel, der "ein Deus loquens ist", als "Faktum" (67) anzuerkennen. Dieser sei als solcher ein mitleidender, kein apathischer Gott. Mit Karl Rahner sei Gott als Mysterium, als das Geheimnis schlechthin zu bezeichnen und der diesbezüglichen ökumenischen Einschränkung Eberhard Jüngels zu widersprechen. Eine ökumenische "Schaltstelle" mit grundlegender aktualer Relevanz für den interreligiösen Dialog, die fruchtbar gebraucht werden könne und solle, sei "[d]er Begriff Mysterium als ein theologischer Name für Gott" (80).

Wichtig sei es, das Potential der apophatischen (negativen) Theologie zu nutzen. So könne mit ihr dem Einwand gewehrt werden, als handele es sich in der Heilsgeschichte Gottes um eine Infragestellung des mysterium Dei. Vielmehr sei "Gott auch in Seiner Offenbarung ... das unaussprechliche Geheimnis" (81 f.). Die Heilsgeschichte Gottes in Jesus Christus sei in der alten Dogmatik mit Recht ontologisch bestimmt worden. Allerdings gelte es die chalcedonensische Zweinaturenlehre aktual neu zu interpretieren. Wir hätten es in der Heilsgeschichte weder mit etwas Quasi-Historischem, noch mit etwas dinghaft Natur-Ontologischem zu tun, sondern heute sei "in Kategorien einer personalistischen Ontologie" von der Heilsgeschichte zu reden, denn "Gottes Gegenwart ist nicht die Gegenwart eines gegenwärtig-vorhandenen Dinges, einer Sache, sondern die Gegenwart einer wartenden Person." (89) Auch mystische Kategorien hülfen "in der Bestimmung des wahren Seins der Heilsgeschichte", da sie "denselben universalistischen Ausblick wie die biblische Rede vom kosmischen Christus" gewährten (93). O. beruft sich bei seiner Bestimmung der Mystik auf die Eckhartsche [1] Gottesgeburt in der Seele (in der Interpretation von Alois M. Haas). Der Begriff der Mystik ist so vielschichtig und so wenig eindeutig definierbar, dass er nach Meinung des Rez., eine Menge von Problemen aufwirft, die bei einer heilsgeschichtlichen Indienstnahme durch die Theologie profilierter und differenzierter als bei O. bedacht werden müssten.

Das theologische Verstehen zeigt sich für O. in einer Art geschichtlich-dialogischer Hermeneutik, in der das biblische Wort nur in Verbindung mit der eigenen Existenz authentisch verstanden werden kann: "... wir wissen, dass das Wort der Bibel für uns nicht Gottes Wort werden kann, wenn wir es nicht mit unserer eigenen Existenz und Erfahrung auslegen!" (178) Wir bekommen hier keine endgültigen, also für alle Zeit gültigen hermeneutischen Antworten, sondern "Verheißungen, auf die wir uns verlassen dürfen" (178). Das aber bedeute viatorisches Verstehen, denn "sich auf Verheißungen verlassen, heißt ..., auf dem Weg bleiben" (178). Mit offenem Verstehen hätten wir es zu tun. In dieser dialogischen viatorischen Hermeneutik werde sozusagen permanent dialogisch neues Fragen produktiv geboren. Dem entspricht, dass "theologisches Denken ... als Weg" angesehen werden müsse, das als solches sich "als Erfahrung, ... Erlebnis und ... lebendige Begegnung" zeige (197). O. redet von der "Erfahrungsstruktur des theologischen Denkens", die durch die drei ineinander übergehenden Schritte 1. Ahnen, 2. Experimentieren und 3. Entdecken gekennzeichnet sei (201).

Fundamentaltheologie "mündet" nach O. "in eine Phänomenologie des Glaubens" (182). Die phänomenologische Methode sei für die Fundamentaltheologie insbesondere von dreifacher Bedeutung. Sie verhelfe 1. zum Verstehen der "Vielschichtigkeit der Wirklichkeit" (192). Sie ermögliche 2. "das für die Erfassung der Relevanz des Glaubens notwendige Zeitverständnis zu entwickeln" (193). Sie verhelfe 3. auf Grund ihrer "Intentionalität in Gegenseitigkeit", "die Grundlage für unumgänglich gewordene interreligiöse Begegnung begrifflich zu erfassen" (196).

O.s gut lesbares Buch ist ein Gesprächsbeitrag zum fundamentaltheologischen Diskurs, der insbesondere auch propädeutisch von Wert ist.

Fussnoten:

[1] Es ist durchaus strittig, ob der Begriff der Mystik geeignet ist, Eckharts Denken darunter zu fassen.