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Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1279–1282

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Doyle, Brian

Titel/Untertitel:

The Apocalypse of Isaiah Metaphorically Speaking. A Study of the Use, Function and Significance of Metaphors in Isaiah 24-27.

Verlag:

Leuven: University Press; Leuven: Peeters 2000. XII, 473 S. gr.8 = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 151. Kart. ISBN 90-5867-060-0 u. 90-429-0888-2.

Rezensent:

Stefan Ark Nitsche

Brian Doyles Studie ist eine überarbeitete Fassung seiner von W. A. M. Beuken betreuten und 1999 in Leuven eingereichten Dissertation. D. will mit dieser Arbeit ein theoretisch begründetes Modell für die Untersuchung der Verwendung, Funktion und Bedeutung von metaphorischer Rede in biblischen Texten entwickeln und dieses dann an Jes 24-27 als einem "testing ground" erproben.

Bis in neuere Kommentare hinein wird die sprachliche Qualität der so genannten "Jesaja-Apokalypse" in Frage gestellt. Erst R. Scholl hat in seiner ebenfalls 2000 erschienen stilistisch-kompositorischen Untersuchung die "dichterische Kraft" des Textes gewürdigt, "die sich v. a. in den Gerichtsworten Bahn bricht, ... mit einem großen Arsenal lautmalerischer Mittel [arbeitet], neue Wörter [kreiert] und zuweilen die Grenzen vorgegebener Sprachregeln [durchbricht]".1

D. will zeigen, dass metaphorische Rede mehr sei als "cosmetic decoration, an attractive verbal elaboration without cognitive content" (VII). Es handle sich vielmehr um eine poetische Technik, die ebenso wie "more evidently structural techniques employed by the Hebrew poet (parallelism, metre etc.)" (VII) einer theoretisch begründeten Analysetechnik bedarf. Er knüpft dafür an A. Berlins Vermutung an, dass Parallelismus und Metapher zwei Seiten einer Medaille seien, die gemeinsam in "likeness and difference, similarities and dissimiliarities, equivalence and contrast" (1) wurzeln.

D. zeichnet seine Studie dann in eine weiterreichende theologisch-hermeneutische Debatte ein, die vor allem in der anglo-amerikanischen Forschung geführt wird. Aus seiner Sicht lässt sich diese mit zwei Fragen kennzeichnen: "Can we (does the Bible) speak about God in metaphorical language? Is there any other way of speaking about God?" (VIII). Wenn Gott unvergleichlich ist, wie könne dann von ihm in vergleichender Rede gesprochen werden? Um der Engführung einer solchen Frage zu entgehen, entwickelt D. in einem grundlegenden Abschnitt ("Chapter two: An Approach to Metaphor": 51-144) sein eigenes Modell, denn die Frage so stellen, hieße bereits das Wesen metaphorischer Rede zu verkennen: "One thing clearly emerges from the analysis: metaphor often makes the unspeakable speakable" (VIII).

Zuvor aber gibt er einen Überblick über die Forschung zu Jes 24-27 (11-45), um jene Fragen herauszuarbeiten, auf die er dann in einem abschließenden Kapitel ("Concluding Remarks" 371-376) von seinem Ansatz her weiterführende Antworten geben zu können glaubt. Neben der literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Fragestellung fokussiert er vor allem auf das "Literary Genre" (24-37) und die Frage nach der Identität der Stadt, bzw. der Städte in Jes 24-27 (37-45). Aus deutscher Sicht ist hier vor allem das Referat der einschlägigen englischsprachigen Literatur interessant.

In seinem grundlegenden theoretischen Kap. 2 entwickelt D. dann methodische Schritte und einen Fragenkatalog (139-44), mit deren Hilfe er das "Metaphernlabyrinth im Jesajabuch" (P. D. Miscall) gangbar machen will. Dabei lässt er sich von D. Bourget, N. Stienstra und P. W. Macky inspirieren, um formale, syntaktische und semantische Kriterien zur Identifikation von Metaphern (77-91) und eine detaillierte Klassifikation (98- 123) zu erarbeiten. In den "Notes on Method" (123-39) wird dann das theologisch-hermeneutische Interesse D.s deutlich: Er fokussiert auf "Biblical Talk about God" (129-32) und "Her-meneutics of Biblical Metaphors" (132-39, vor allem in Anknüpfung an P. Ricoeur, H. Weder und E. Jüngel). In den "Methodological Steps" (139-44) stellt D. sein methodisches Instrumentarium in drei Fragenkatalogen vor: (a) Fragen nach den "Indikatoren", um ein Lexem oder eine Wortfolge als Metapher zu identifizieren; (b) Fragen, um den "Typ" der Metapher zu klassifizieren; (c) Fragen zur Rekonstruktion der hinter der Verwendung metaphorischer Rede stehenden "Absicht des Autors".

In den folgenden Kap. 3-6 (146-328) wird dann der mit diesen Fragen zu erzielende Ertrag in der Analyse und Interpretation der Metaphorik von Jes 24-27 in großer Breite demonstriert. Jedes der Buchkapitel ist einem biblischen Kapitel gewidmet, an dessen Beginn der eingerichtete Text zu stehen kommt. Dann werden an kürzeren Einheiten die drei Fragenkataloge abgearbeitet. Exkurse werden zu "Jerusalem as Female" (223-231) und der Forschung zu Jes 26,16-18.19 (316-20) angeboten.

So gewinnt D. eine Fülle von Einzelbeobachtungen, die zeigen, dass die figurative Rede in Jes 24-27 in der Tat mehr ist als "elaborierte kosmetische Dekoration ohne Inhalt". Und doch bleibt für den Rez. ein Unbehagen zurück, besonders wenn in den "Concluding Remarks" (371-376) deutlich wird, dass die Arbeit weder zur Redaktionsgeschichte, noch im Blick auf Genre bzw. Gattung und auch nicht in den viel diskutierten Fragen zur Identität der Stadt und zur individuellen oder kollektiven Auferstehungshoffnung (Jes 26,19) neue Einsichten begründet oder bekannte neu fundiert. So anregend und hilfreich die vorgestellte Umsetzung von theoretischen Einsichten in Arbeitsfragen zu sein scheint, im dritten Fragenkatalog wird m. E. auch die Engführung der Arbeit sichtbar: Zwar ist es erklärtes Ziel D.s, neben eine historisch-theologische auch eine literarisch-theologische Perspektive auf die biblischen Texte zu etablieren, aber der ausschließliche Fokus auf den Autor, die Autorin wird beibehalten. Die Rezipierenden eines Textes spielen immer nur insoweit eine Rolle, als danach gefragt wird, welche Strategie der Autor verfolgt, um seine Leser zu bestimmten Reaktionen zu (ver-)leiten und welche Technik er dabei anwendet (143).

Gefragt werden soll beispielsweise, ob der Autor eine Änderung der intellektuellen oder emotionalen Position seiner Leser, ihrer Haltungen oder Wertvorstellungen anstrebt. Diese Fokussierung ist selbst dort noch beibehalten, wo danach gefragt werden soll, ob "the author's use of language invite[s] his/her audience[s] to imaginatively explore their relationships (especially with God) in the light of what he/she says", oder ob "the author intend[s] to evoke a personal response on behalf of his/her recipient[s] towards the speaker" (143).

Damit wird der Boden bereitet für die Postulierung eines Autors (literarkritisch gewendet: einer Hand) als verantwortlich für den gesamten Text Jes 24-27.

Die Möglichkeit einer diachronen, literar- oder reaktionsgeschichtlich zu rekonstruierenden Dimension des Textes wird so bereits in der methodischen Grundlegung ausgeblendet, wenn alle Perspektivenwechsel im Text und alle Inkohärenzen als rezeptionssteuerende Strategien der poetischen und metaphorischen Rede eines Autors interpretiert werden sollen. Das entsprechende Urteil ist denn auch abzusehen: "... the consistency of the use of metaphor in Isa 24-27 might suggest the work of a single redactor" (372). Aber die Frage, wieviele Hände an der Entstehung oder dem Wachstum eines poetischen Textes beteiligt waren, ist nicht allein dadurch im Sinn der Einheitlichkeit zu klären, dass man Inkohärenzen eines Textes als poetische Strategie definiert. Wie für diese Frage "stilistisch-kompositorische Untersuchungen" fruchtbar gemacht werden können, hat m. E. in überzeugender Weise R. Scholl unter Beweis gestellt.

Gerade die neuere Forschung2 zur Rezeption metaphorischer Rede zeigt: Der Bezug auf die Autorenintention trägt wenig zur Erhellung der Potentiale metaphorischer Rede aus. Die Chance der Fragestellung liegt vielmehr darin, detailliert beschreiben zu können, welche Rezeptionsmöglichkeiten (plur.!) sowohl im Produktionskontext als auch in neuen Kontexten durch den Text (und eben nicht primär durch den Autor) angeboten werden. Mit Hilfe der Interaktionstheorie der Metapher beispielsweise lässt sich der Akt der Metaphernbildung als ein sprach- und erkenntnisbildender Prozess des Denkens und Sprechens beschreiben, der in einen kommunikativ-situativen Ort eingebettet ist.

Wären die Fragen nicht so einengend, könnte mit Hilfe des von D. entwickelten Analyseinstrumentariums auch beschrieben werden, (a) welche Metaphern nur in Kenntnis der Sprach- und Traditionswelt des jeweiligen Entstehungskontextes rezipiert werden können und (b) welche unabhängig davon Rezipierende einladen, das "unspeakable" je für sich "speakable" zu machen. (c) Mit der Beobachtung, dass ursprünglich nur im eigenen Kontext verstehbare Metaphern Fortschreibung provozierten, käme dann die diachrone Dimension in den Blick. So unterschieden könnte auch sinnvoll nach den Voraussetzungen des "Funktionierens" (D.) der verschiedenen Formen und Typen metaphorischer Rede gefragt werden. Damit würde die Analyse der Metaphorik eines biblischen Textes nicht mehr als (ungeeignetes) Argument für die Einheitlichkeit des Textes missbraucht. Vielmehr würde er als "lebendiges" und gewachsenes Wort in den Blick kommen - in der sorgfältigen Beschreibung seiner poetischen Qualität. Dann geht es allerdings nicht mehr primär darum, ob "(we) can ... understand and re-construct the speaker/ author's meaning?" (144), sondern dass wir mit Hilfe einer poetischen Analyse, die sich (mit D.) nicht nur auf "evidently structural techniques" (VII) beschränkt, den sprachlichen Raum in seinen literarischen und historischen Dimensionen (re-)konstruieren, in dem das "unspeakable" im Akt der Rezeption "speakable" wird.

Die Arbeit wird komplettiert durch eine text-grammatikalische Analyse ("In Dialogue with Alviero Niccacci": 377-423), ein Abkürzungsverzeichnis, ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis, das in Kombination mit dem Autorenregister (457- 62) einen guten Überblick über die englischsprachige Literatur präsentiert (428-53), und ein Stellenregister (463-73).

Fussnoten:

1) R. Scholl, Die Elenden in Gottes Thronrat. Stilistisch-kompositorische Untersuchungen zu Jes 24-27, BZAW 274, 2000, 285. Vgl. die Rez. von F. Fechter in: ThLZ 126 (2001), 1140.

2) H. Korte bietet m. E. einen guten Überblick über die Debatte: H. Korte, Bildlichkeit, in: H. L. Arnold/H. Detering, Grundzüge der Literaturwissenschaft, 4. Aufl., München 2001, 257-71.