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Ausgabe: | September/2002 |
Spalte: | 965–969 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Autor/Hrsg.: | Herms, Eilert [Hrsg.] |
Titel/Untertitel: | Menschenbild und Menschenwürde. |
Verlag: | Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2001. 560 S. gr.8 = Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, 17. Kart. ¬ 49,95. ISBN 3-579-01843-4. |
Rezensent: | Christof Gestrich |
Der Band dokumentiert mit seinen 31 theologischen und anderen Fächern entstammenden Beiträgen zu einer in der Ethik hochaktuellen Thematik den X. Europäischen Theologenkongress vom 26. bis 30. September 1999 in Wien. Das Vorwort von E. Herms, dem Präsidenten, beginnt zunächst mit einer Würdigung der fünfundzwanzigjährigen Geschichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, die hinter diesen Kongressen steht. H. führt sodann aus, die Fragestellung Menschenbild und Menschenwürde enthalte das Paradox, dass der Grundsatz von der Unantastbarkeit der Menschenwürde einerseits "zu den Selbstverständlichkeiten der westlichen Gesellschaft" gehört, andererseits aber als unklar im Blick auf seine inhaltliche Erfassung und Umsetzung empfunden wird. Es habe sich gezeigt, dass jedes inhaltliche Verständnis der Menschenwürde in einem vorgängigen Bild "vom Menschsein im Gesamtzusammenhang des Wirklichen" gründet, und dass, zweitens, keines dieser Bilder wissenschaftlich bestätigt oder widerlegt werden kann (12 f.). Somit geschehen praktische Umsetzungen der Menschenwürde im öffentlichen Leben "begründungsoffen" (14). Sie bedürfen zwar einer Begründung, aber hierfür kommen nur mehrere vorwissenschaftliche Instanzen in Betracht. Wie lassen sich dann "Kriterien der Vorzugswürdigkeit" einer bestimmten Sicht der Menschenwürde angeben? Die hierfür üblicherweise aufgebotenen Strategien scheitern, so H., am faktischen Pluralismus unserer Situation. Als einzige Alternative biete sich, wie auf diesem Kongress intendiert, an: "der offene Umgang mit der Abhängigkeit menschlichen Handelns und Entscheidens" (einschließlich wissenschaftlicher Theoriebildung) "von inhaltlich bestimmten vorwissenschaftlichen Menschenbildern" (17 f.). - In die gleiche Richtung weist Wilfried Härles Schlussvortrag "Der Mensch Gottes. Die öffentliche Orientierungsleistung des christlichen Menschenverständnisses" (529-543). Härle versucht Gründe zu nennen, warum sich unter den transzendent-relationalen Begründungstheorien für die Menschenwürde die christliche Begründungsmöglichkeit bewähren kann. Gerade heute würden Sichtweisen benötigt, die das natürliche Leben als Gabe und das menschliche Leben als offen (und zugleich in freiheitliche Verantwortung rufend) interpretieren. In die Diskussionen der Menschenwürde sollte also "Religionsängstlichkeit" generell nicht mehr einfließen (543).
Der Eröffnungsvortrag des X. Theologenkongresses war der Baseler Philosophin Annemarie Pieper übertragen. Sie weist darauf hin, dass die dem Menschen angeborene, also von ihm nicht erst zu erwerbende Menschenwürde durch negative Formulierungen näher bestimmt wird: Sie ist unteilbar, unveräußerlich, unverrechenbar, unverlierbar, unableitbar, unantastbar usw. Piepers systematische Leitfrage aber lautet, ob die Menschenwürde ein globales oder nur ein abendländisches Thema sei - eine heute viel gestellte Frage, die hier vorsichtig dahingehend beantwortet wird, dass die abendländischen Grundwerte und -prinzipien mit den in der Welt sonst noch relevanten Wertvorstellungen und Prinzipien nicht unvereinbar seien. Aber was begründet nun deren normative Geltung? Pieper versteht die Menschenwürde als eine auf Erfahrung basierende generelle Zuschreibung:
Um die Frage der Begründung der normativen Geltung von Grundaussagen über die Menschenwürde "zu beantworten, muß man keine metaphysischen Systeme oder spekulativen Theoreme aufstellen. Es genügt [...] der Hinweis auf die spontane Reaktion von Menschen auf Äußerungen von Freude, Glück, Schmerz, Angst, Trauer, Leid anderer Menschen. Solche vitalen [...] Äußerungen werden unmittelbar [...] verstanden und rufen Anteilnahme [...] hervor. Dies spricht dafür, daß wir dem Leben als Mensch immer schon einen Wert zuschreiben. Wir entdecken uns als normsetzende Instanz, indem wir alles, was das Leben unterstützt, mit einem Sollenskoeffizienten versehen, und alles, was solches Leben behindert, verbieten." - "Menschenwürde ist letztlich nichts anderes als der Wert, den ich dem anderen Ich unaufgefordert gebe" (bevor irgendwelche ideologische Mittelbarkeiten zwischen ihn und mich treten), "weil es ein Mensch ist und als menschliches Individuum existieren können soll." "Erlittenes Unrecht, ganz gleich wem es zustößt, ruft unmittelbaren Protest hervor. Die Empörung über die Verletzung der Integrität eines Menschen ist wiederum ein Indiz dafür, daß wir dies als einen Verstoß gegen uns als normsetzende Instanz empfinden." (29)
Piepers Argumentation berührt sich einerseits eng mit derjenigen Härles, weil auch dieser auf Grunderfahrungen rekurriert. Andererseits intendiert die Philosophin eine nicht auf Religionen rekurrieren müssende Verankerung der Menschenwürde. An dieser Stelle wäre eine Diskussion zwischen Theologie und Philosophie fällig, weil Pieper in kritisch befragbarer Weise zwischen unmittelbarer und ideologisch verstellter Lebensäußerung und -erfahrung unterscheidet. Rückzufragen ist, wie man an die Begründungsebene der ideologisch noch unverstellten "vitalen sinnlichen Äußerungen" überhaupt herankommt? Ferner: Trifft es zu, dass auf erlittenes Unrecht anderer spontan immer mit Protest reagiert wird? Klammert die Philosophin hier das Böse aus?
Jedenfalls kann bedauert werden, dass der ohnehin schon umfangreiche Band nicht auch noch etwas von den (interdisziplinären) Diskussionen des Kongresses zu dokumentieren vermochte. Er ist natürlich auch nicht auf schrittweise Durchdringung und Vertiefung seines Themas hin angelegt, sondern reiht ausgewählte Perspektiven aus den verschiedenen theologischen Disziplinen und einigen anderen Wissenschaften aneinander. Manchmal kommt es zu Überschneidungen, sofern Darlegungen mit dem ganzen Problem Menschenbild und Menschenwürde auf ihre Weise wieder von vorn beginnen. Das ist unvermeidlich, wenn man in einem Dokumentationsband ein Panaroma zahlreicher nach Fächern diversifizierter heutiger Sichtweisen anbieten will - in der Hoffnung, dass sie sich ergänzen.
Der Band ist so gegliedert, dass, vom aufs Ganze blickenden Eröffnungs- und Schlussvortrag umrahmt, neun theologischen oder anderen Wissenschaftsbereichen entstammende Hauptvorträge präsentiert werden und 19 Referate aus theologischen Fachgruppenveranstaltungen, die zum kleineren Teil interdisziplinär angelegt waren.
Mit dem ersten Hauptvortrag wurden die beiden Ärzte Christoph Fuchs und Stephan E. Winter betraut, die als Hochschullehrer und Repräsentanten der Bundesärztekammer über "Menschenbild und Menschenwürde in der medizinischen Forschung und Klinik" sprachen. (Durch Anordnung und Auswahl der Vorträge zeigte die Kongressleitung, dass die theologische Sicht nicht sich selbst genügen, sondern zum gesellschaftlichen Gespräch beitragen soll). Fuchs und Winter räumten ein, dass auf ihrem Feld derzeit ethische Probleme anstehen, die nur interdisziplinär sinnvoll bearbeitet werden können. Mit einem integrationsfähigen breiten Ansatz sollten insbesondere Theologie und Philosophie mithelfen (45 f.).
Der zweite Hauptvortrag wurde von dem Hamburger Alttestamentler Klaus Koch unter dem Titel "Perspektiven biblischen Menschenverständnisses im Zeitalter der Technologie" offeriert. Er ging auf die Rezeptionsgeschichte und die gegenwärtige Bibelexegese des Begriffs Gottebenbildlichkeit besonders ein und zog dann in fünf Themenkreisen biblischer Anthropologie aktuelle Konsequenzen. (Er gab abschließend den interessanten Impuls: "Die Aufgabe der Theologie im kommenden Jahrhundert wird es [...] sein, die potenzielle Erlösung als Kern des Evangeliums von der Schöpfung her zu denken und nicht umgekehrt Schöpfung von Erlösung her, wie es im zu Ende gehenden Jahrhundert zumeist versucht worden ist.")
Den dritten Hauptvortrag hielt der Göttinger Professor für Volkswirtschaft Hermann Sautter, der unter der Überschrift "Anthropologische Fundamente der westlichen Wirtschaftsordnung" zunächst den Einfluss der schottischen Moralisten des 16. Jh.s auf die moderne Nationalökonomie seit Adam Smith untersuchte (die Vernunft ist eine Sklavin unserer Leidenschaften). In diesem Rahmen setzte er sich auch mit dem Menschenbild auseinander, das, auf der Grundlage biblischer Gedanken von der Vorsehung, hinter dem Axiom von der Selbststeuerung des wirtschaftlichen Geschehens durch Märkte steht. Sodann berührte er den volkswirtschaftlichen Neoliberalismus und die These, dass menschliche Freiheit erst das Produkt bestimmter wirtschaftlicher Ordnungen sei. Ausführlich gewürdigt wurde sodann das Werk F. A. von Hayeks, der auf Zusammenhänge zwischen Wohlfahrtsstaat und politischer Diktatur hingewiesen hat. Abschließend wurde das Menschenbild der sozialen Marktwirtschaft besprochen, und der Gedanke eines unbegrenzt möglichen Wirtschaftswachstums der Kritik unterzogen.
Hieran anschließend referierte der der Rostocker evangelisch-theologischen Fakultät angehörende Professor für Religionsgeschichte Klaus Hock über "Anthropologische Fundamente islamischer Wirtschaftsordnung", wobei er - die unvollendet gebliebene Arbeit Max Webers zu diesem Thema heranziehend - mit der Frage einsetzte, ob es eine islamische Wirtschaftsordnung überhaupt gibt (vgl. Zinsverbot und das Gebot der Sozialabgabe). Max Weber hatte auf Parallelen zwischen islamischer und calvinistischer Wirtschaftsethik in der Fluchtlinie der Lehre von der göttlichen Vorherbestimmung hingewiesen. Nach Hock geht die allgemeine Richtung islamischen Wirtschaftsdenkens auf eine Art sozialer Marktwirtschaft zu.
Der von dem Kieler Systematischen Theologen Günter Meckenstock gehaltene Hauptvortrag fragt nach der "wirtschaftsethischen Bedeutung des christlichen Menschenbildes" und wendet sich schließlich ebenfalls der sozialen Marktwirtschaft zu. Hier heißt es:
"Der christliche Glaube weiß sich durch die befreiende Zuwendung Gottes zu einer verantwortlichen Gestaltung des persönlichen und sozialen Lebens aufgerufen. Dieser zusprechende Ruf der Freiheit begründet die unantastbare Würde des Menschen." "Da Freiheit nur in interpersonaler Anerkennung realisiert werden kann, muß programmatisch eine soziale Ordnung angestrebt werden, in der personale Individualität und identitätsstiftende Gemeinschaft einander fördern. Die theologische Wirtschaftsethik steht vor der Grundaufgabe, die durch geschichtliche Erfahrungen und theologische Reflexion geprägte Perspektivität des christlichen Glaubens fruchtbar zu machen für eine auf allgemeine Geltung abzielende vernünftige Moral. Der christliche Glaube ist selbstkritisch und zu immer neuen Gestaltungen drängend." "Er ist nicht die ritualisierte Einpassung in eine fertige Welt, sondern die Wahrnehmung der Wirklichkeit als einer sich wandelnden und zu gestaltenden." (112)
Der Zürcher Professor für Pädagogik Jürgen Ölkers hielt den in angenehmer Weise als Frage gestalteten Hauptvortrag "Der Mensch als Maß des Bildungswesens?" Kann der Mensch überhaupt Maß für irgendetwas sein? Wissen wir, was the educated man bedeutet? Oder wählen wir nur, wie Paul Nash 1965, unter den hierüber vorhandenen zirka 15 historischen Theorien diejenige aus, die wir gern anwenden wollen? Dann sieht es allerdings so aus, als konstruiere Bildung den Menschen. Dabei stellt sich in Schärfe das Problem vorhandener Menschenbilder.
Hieran anschließend referierte der Praktische Theologe Reiner Preul über "Anthropologische Fundamente des christlichen Erziehungs- und Bildungsverständnisses". Kompatibel mit Luthers Rechtfertigungslehre und Luthers Aussagen über Kindererziehung und Schulwesen stellte Preul fest: "Das menschliche Leben ist eine Geschichte der Ausdifferenzierung, Umverteilung und Symbolisierung von Vertrauen." (152) Das Leben ist im Kern ein religiöser Bildungsprozess, bei dem auch orientierende Menschenbilder brauchbar sind. Zu beachten sind aber die Grenzen aller planmäßigen Erziehung, weil der Mensch im Bruchstückhaften lebt, und weil Bildung "sich überhaupt nur im Medium der Kommunikation mit Personen, die etwas meinen und wollen", ereignet (155).
Der nächste Hauptvortrag ist ein juristischer, gehalten von Paul Kirchhof: "Die Wertgebundenheit des Rechts, ihr Fundament und die Rationalität der Rechtsfortbildung". Die Garantie der Menschenwürde sei eine Grund- und Orientierungsnorm moderner Verfassungen. Sie begründe ein subjektives Recht jedes Einzelnen gegenüber der Allgemeinheit - somit auch Rechtsfolgen, die der Staat durchzusetzen hat (z. B. wo liegen die Grenzen des Erlaubten bei journalistischen Enthüllungen aus der Intimsphäre?).
Dabei ergeben sich gelegentlich Konfliktfälle, bei denen um Verletzungen der Menschenwürde nicht herumzukommen ist, folglich eine Güterabwägung oder das erneute Einpendeln in eine sozialverträgliche "Mittellage" notwendig wird. Kirchhof sieht die Menschenwürde im Übrigen nicht als ein allgemeines naturrechtliches Prinzip an, sondern, wie alle Werte, als etwas (nicht minder verpflichtend) in unserer Kulturtradition Liegendes, das insbesondere auf die Wirkungsgeschichte von Gen 1,17 zurückgehe und nun eben eine "Rechtswertungsquelle" darstelle (165). Der Jurist tut sich hierbei offensichtlich leichter als seine Theologenkollegen mit der direkten Ableitung von materialen Rechtskonsequenzen aus der von der Kultur bzw. Religion vorgegebenen Anthropologie. Staat und Kirche seien zwar voneinander unabhängig, aber existenziell aufeinander verwiesen. "Es gibt keine Rechtsordnung, die ohne Religion entstanden wäre, aber auch keine Religion, die nicht ins Normative drängte." (172)
Hieran fügte sich dann der Hauptvortrag des Göttinger Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann "Das deutsche Staatskirchenrecht im 19. und 20. Jh. und die Grenzen der Werteautonomie des staatlichen Rechts". Er führte aus: "Das grundrechtlich verbürgte Verständnis des Menschen als Persönlichkeit (Art 2,1GG) erfordert werthafte Auslegungen, die das Rechtssystem kaum zu erheben vermag, ohne auf weltanschauliche oder religiöse Referenzsysteme zu rekurrieren ..." (194). Dass hierbei dem Christentum in unserem Bereich eine Vorzugsstellung eingeräumt wird, sei heute nicht mehr ohne Weiteres plausibel. Aber eine Alternative hierzu sei auch nicht sichtbar (197). Kaufmanns Beitrag enthält die historische Erinnerung, dass in Deutschland die Anfänge der individuellen Religionsfreiheit nicht "in den naturrechtlich begründeten Grund- und Menschenrechtskatalogen der westlichen Aufklärung" wurzeln, "sondern im Religionsrecht des Alten Reichs" (Augsburger Religionsfrieden usw.) (187).
Die Fachgruppenarbeit des Kongresses zeigte mit ihren zahlreichen, z. T. interdisziplinär bezogenen Referaten noch spezielle historisch, empirisch oder kulturanthropologisch (Wilhelm Gräb) orientierte Facetten des Themas der Menschenwürde auf. Gräb sprach vom bisher noch unvollendet gebliebenen Projekt der kirchlichen Aufklärung. Heinz Krebs (Kinder- und Jugendpsychiater) und Gottfried Adam (evangelischer Religionspädagoge) sprachen über die Würde des behinderten Menschen und setzten sich u. a. kritisch mit dem Argument auseinander, die Menschenwürde sei erst ein Produkt von Zuschreibung oder sozialer Anerkennung. Hier erreichte der Kongress wohl seine größte aktuelle Relevanz, was unterstrichen wird durch das im Band dokumentierte Spezialvotum von Krebs "Nach-Denken. Epikritische Anmerkungen zu einigen aus Sicht des Verfassers offen gebliebenen Fragen - vor allem vom Abschlußpodium" (249-251).
Krebs schloss sich hier in seiner Bemühung um weitestmögliche Ausdehnung des Schutzes durch die Kategorie der Menschenwürde ("Person ist man, Persönlichkeit wird man") Ludwig Honnefelders 1996 im Straßburger Europarat vorgetrage- nen (katholisch-)philosophischen Erwägungen über "Natur und Status des Embryos" an. Adam erinnerte an D. Bonhoeffers Äußerungen zur Frage des sog. "lebens(un)werten Lebens" in seiner "Ethik" (268). - Thomas Krüger, Klaus Seybold, Jürgen van Oorschot, Peter Lampe, Ulrich Mell, Petra von Gemünden und Christfried Böttrich erörterten fachspezifisch Elend und Würde des Menschen aus alt- und neutestamentlicher bzw. frühchristlicher Sicht.
Kirchengeschichtliche Aspekte präsentierten: Ute Mennecke-Haustein (bezogen auf Johann Arndt), Uwe Rieske-Braun (bezogen auf die evangelische Sozialethik in der Weimarer Republik) und Jörg Haustein (bezogen auf Menschenbilder im Diskurs über den Hexenprozess, wobei auch das Thema Mensch und Dämon aufgegriffen wurde).
Im Fach Systematische Theologie referierten Christian Henning über "Selbsttötung und christliches Menschenbild" und Reiner Anselm über "Rechtfertigung und Menschenwürde" - zwei für das Kongressthema zentrale Fragen.
In den Fächern Religions- und Missionswissenschaft referierten Ulrich Dehn über "Menschenwürde und Menschenrecht. Konzepte im buddhistisch-christlichen Dialog", Rainer Neu über "Altern und Sterben in Würde in ethnischen Gesellschaften (am Beispiel nordphilippinischer Bergvölker)" und Andreas Grünschloß über "Die Konstruktion des para-normalen Menschen. Übermenschliche Fähigkeiten als Bestandteil religiöser Anthropologien (Fallbeispiele)".
Der mit einem Namen- und Sachregister und mit Kurzinformationen über die Autorinnen und Autoren sehr gut ausgestattete Band bietet ein reichhaltiges Panorama gegenwärtiger Einsichten und Dialog-Positionen im deutschsprachigen christlich geprägten Raum zur Frage der Beziehung von Menschenbild und Menschwürde. Auf prinzipielle Unterschiede evangelischen und katholischen Argumentierens wurde nicht eigens eingegangen; oder sie klingen nur kurz an (wie z. B. bei Anselm, 474). Eher wurden diese konfessionellen Sichtweisen auf den Menschen, wie z. B. in Hennings Vortrag zur Frage des Suizids, ineinander gearbeitet. Dass der Band die Gegenwartstheologie in ihrer Meinung vollständig repräsentativ wiedergibt, wäre zuviel behauptet. Die heutige Herausforderung zu eindeutigen ethischen Stellungnahmen zum Status der Menschenwürde an Scheidewegen der Gesellschaftsentwicklung hat inzwischen noch pointierter ausgearbeitete Meinungen sichtbar und notwendig gemacht.