Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2002

Spalte:

453 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Bornhauser, Thomas

Titel/Untertitel:

Gott für Erwachsene. Ein Konzept kirchlicher Erwachsenenbildung im Zeichen postmoderner Vielfalt.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 2000. 203 S. gr.8 = Praktische Theologie heute, 51. Kart. ¬ 25,00. ISBN 3-17-016618-2.

Rezensent:

Gottfried Orth

Das Konzept B.s ist einem komplementaristischen Ansatz von Bildungsarbeit verpflichtet, der sich dadurch auszeichnet, dass nicht a priori entschieden wird, was richtig ist, sondern sich im Verlauf eines Diskurses jeweils ergibt, was in welchem Zusammenhang sinnvoll ist (147). Dass dies nicht nur theoretisch behauptet, sondern auch im Stil der Arbeit selbst eingelöst wird, wenn der Autor festhält, dass "alles geprägt ist von meinen ganz persönlichen Möglichkeiten und Grenzen" (131) zeichnet diese Berner Dissertation in besonderer Weise aus.

Ausgehend von der Erfahrung des schwierigen Umgangs von Teilnehmern und Teilnehmerinnen an Erwachsenenbildungsveranstaltungen mit differenten Gottesbildern entwickelt der Autor im Anschluss an das in der Teilchenphysik entwickelte Komplementaritätsprinzip Grundsätze und konkrete Praxisbeispiele eines komplementaristischen Erwachsenenbildungskonzeptes. Nach einer ausführlichen Einleitung, die den Ausgangspunkt bei differenten exemplarischen Gottesbildern und den Schwierigkeiten, die diese in Erwachsenenbildungsveranstaltungen bedeuten, aufzeigt, folgt eine Darstellung der Wurzeln des Komplementaritätsprinzips in der Physik (23 ff.), ihrer Anwendungen außerhalb der Physik (35 ff.) und in der Theologie (45ff.). Ein Übergangskapitel schlägt die Brücke vom Komplementaritätsprinzip zum Erwachsenenbildungskonzept (65 ff.).

Sodann werden vier neuere religiöse Erwachsenenbildungskonzepte (Orth, Uphoff, Blasberg-Kuhnke und Englert) unter einer der zentralen Fragestellungen der Arbeit - ,Pluralismusfähigkeit' und ,Beliebigkeitsresistenz' - kritisch analysiert (77 ff.). Um die weitere theoretische Anreicherung des eigenen nun zu entwickelnden Ansatzes geht es im sechsten Kapitel, wenn Anregungen aus dem Konstruktivismus hinzugezogen werden (97ff.). Der nun gewonnene theoretische Ansatz wird im Kontext zeitgenössischer Bildungskonzepte diskutiert (113ff.), ehe dann B. sein eigenes, zuvor schon vielfach angedeutetes komplementaristisches Erwachsenenbildungs-Konzept im Zusammenhang erläutert (121 ff.). Dem Ansatz verpflichtete Beispiele aus der kirchlichen Erwachsenenbildungspraxis zum Thema ,Gott' (133 ff.) und zu weiteren Themen (145 ff.) runden die Darstellung ab und zeigen zugleich die Fruchtbarkeit des theoretisch entfalteten Ansatzes auf. Vertiefende theoretische Ausführungen zu Einzelaspekten der Darstellung sind - der Lesbarkeit des Gesamttextes wegen - in Exkursen zusammengefasst, die den einzelnen Kapiteln am Schluss des Buches zugeordnet sind (157 ff.).

Entstanden ist so - und dies ist gerade für eine Promotionsschrift nicht selbstverständlich und soll deshalb als erstes besonders betont werden - ein Buch mit einem hohen Gebrauchswert für die theoretische Fortbildung wie für die Veranstaltungspraxis kirchlicher Erwachsenenbildung. Doch nicht nur der praktische Gebrauchswert des Buches überzeugt, sondern auch die theoretische Leistung des Autors: Er hat einen in der modernen Teilchenphysik entwickelten Gedanken luzide nachgezeichnet, seinen Denkmöglichkeiten außerhalb der Physik nachgespürt und den Ertrag dann konsequent auf die religionspädagogische Aufgabenstellung, eine pluralismusfähige Theorie kirchlicher Erwachsenenbildung zu entwickeln, angewandt. Der Ansatz überzeugt auch den Rez. - auch wenn er vor gut einem Jahrzehnt anders argumentierte und so die Kritik B.s herausforderte (ein komplementaristisches Konzept kirchlicher Erwachsenenbildung schließt schließlich Parteilichkeit, an der ich festhalte, nicht aus, sondern sieht sie als eine Position im Diskurs!). Spannend wäre es, die konstruktivistischen Ansätze, die B. aufnimmt, konsequent weiter zu denken auf die gesamte Theologie hin. Gerade "im Zeichen postmoderner Vielfalt" könnte dann deutlich werden, dass Theologie - und mithin auch kirchliche Erwachsenenbildung - ein Modell ist, Wirklichkeit zu deuten und zu konstruieren, das in Komplementarität und Konkurrenz zu anderen Modellen steht, deren Kriterium, was in welchem Zusammenhang sinnvoll ist, dann nicht nur innerchristlich, sondern auch gegenüber ganz anderen Modellen, Wirklichkeit zu deuten und zu konstruieren, ,Lebensdienlichkeit' (118 u. ö.) sein könnte.