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Ausgabe:

September/2001

Spalte:

939–941

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Jönsson, Ann-Mari [Ed.]

Titel/Untertitel:

Sancta Birgitta. Revelaciones Book III.

Verlag:

Stockholm: Almqvist & Wiksell Intern. 1998. 251 S. m. Taf. 4 = Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien Stockholm. Kart. SEK 231.-. ISBN 91-7402-288-1.

Rezensent:

Heinrich Holze

Nachdem die Herausgabe der Opera Minora der hl. Birgitta von Schweden (Vol. I-III, Stockholm 1972/1975/1991) abgeschlossen werden konnte (vgl. Gert Haendler in ThLZ 98, 1973, 769/770 und 102, 1977, 829/830), nähert sich mit der Veröffentlichung des dritten Buches der Offenbarungen auch die kritische Edition dieser Texte, von denen mit Ausnahme des 2. Buches die übrigen bereits vorliegen (Bücher I,IV,V,VI,VII sowie der Sonderband "Revelaciones extravagantes", Stockholm 1956 ff.), der Fertigstellung.

Bei diesen Offenbarungen handelt es sich ursprünglich um Texte, die von Birgitta (1303-1373) in altschwedischer Sprache geschrieben bzw. diktiert, dann aber von den Beichtvätern Mathias Ovidi (1305), Kanonikus an der Domkirche von Linköping, und Petrus Olavi (1390), Prior von Alvastra, ins Lateinische übersetzt wurden (vgl. zum Gebrauch des altschwedischen Textes in Buch III den Exkurs auf S. 220-234). In Rom wurde der Text der Offenbarungen von Alfonso Pecha de Vadaterra (1389), ehemals Bischof von Jaén/Spanien, in acht Bücher aufgeteilt.

Was die in Buch III aufgezeichneten Offenbarungen betrifft, lassen sich diese nur annähernd bestimmten Lebensperioden Birgittas zuordnen. Den einzigen sicheren Anhaltspunkt bieten Kap. 8 und 9, die dem Erzbischof von Mailand Giovanni Visconti ( 1354) zugeeignet sind, wo sich Birgitta auf ihrer Reise von Schweden nach Rom im Herbst 1349 aufgehalten hat. T. Lundén (Den heliga Birgitta. Himmelska uppenbarelser, Malmö 1957, S. 273-276) hält es darüber hinaus für möglich, auch die anderen Abschnitte chronologisch zu fixieren, indem er Kap.1-4, 8-9, 12 (teilweise) sowie 13-19 noch der Zeit in Schweden 1344-1349, Kap. 5-7 bereits dem Aufenthalt in Mailand 1349 und Kap.10-11 sowie 27 der Zeit in Rom 1350 und schließlich die Kap. 20-29 dem Aufenthalt in Italien in den Jahren nach1350 zuordnet.

Die Redaktion von Buch III wie die der übrigen Bücher fällt in die Jahre nach 1370, als Birgitta Alfonso Pecha mit der Redaktion und Herausgabe ihrer bis dahin geheim gehaltenen Offenbarungen betraut. Wie weit der inhaltliche Einfluss des Editors auf das von ihm bearbeitete Werk reicht, ist umstritten und in den vergangenen Jahren Gegenstand mehrerer Untersuchungen gewesen. Die Positionen reichen von der Überzeugung, dass Alfonso sich völlig zurückgehalten und die Offenbarungen in ihrem ursprünglichen Gehalt gelassen habe (B. Bergh, Sancta Birgitta, Revelaciones, 1971), bis zu der Auffassung, dass er tief in sie eingegriffen und in ihnen seine eigenen Ideen zum Ausdruck gebracht habe (H. T. Gilkaer, The Political Ideas of St. Birgitta and Her Spanish Confessor, 1993). Die Herausgeberin Ann-Mari Jönsson plädiert für einen Mittelweg, wenn sie feststellt, dass die Handschrift Alfonsos zwar in der Auswahl und Darbietung der Texte sichtbar werde, aber doch nur sehr behutsam auf den Inhalt des Textes Einfluss genommen habe (26-29).

In den Offenbarungen, die in Buch III aufgezeichnet sind, spiegelt sich die Lage von Kirche und Papsttum in der Mitte des 14. Jh.s. Im Jahre 1349, als Birgitta Schweden verlässt, um an der Feier des Jubiläumsjahres 1350 in Rom teilzunehmen, hat das in Avignon residierende Papsttum zwar Selbstbewusstsein und Einfluss zurückgewonnen, dies aber zum Preis geistlicher Auszehrung, die zwar nicht der Hierarchie, aber der prophetischen Rompilgerin vor Augen steht. Birgitta klagt die gesamte Geistlichkeit der Kirche, Papst Clemens VI. nicht ausgeschlossen, an (III,10). Auch die Mönche der alten und neuen Orden bleiben von Kritik nicht verschont (III,14-19). Birgitta wirft ihnen vor, die Kirche korrumpiert, die Altäre verlassen und weltliche Geschäfte Gott vorgezogen zu haben (III,27). In gewisser Hinsicht bietet sie mit ihrem Buch, möglicherweise beeinflusst und angeregt durch Bernhard von Clairvaux "De consideratione", einen "Speculum episcoporum", welcher der Geistlichkeit ihre Aufgaben und Pflichten via negationis, also durch die Schilderung negativer Beispiele, vorhält. Zugleich fordert sie eine umfassende Reform der Kirche, inbesondere die Rückkehr der Päpste nach Rom, die geistliche Erneuerung des Klerus sowie eine Vertiefung des monastischen Lebens und der religiösen Orden. Außerdem kündigt sie die Gründung eines neuen Ordens an. Die Autorität, mit der sie ihre Stimme erhebt, ist keine geringere als die des Auferstandenen. In den Offenbarungen tritt Christus auf den Plan, um den Klerus der Kirche zu unterweisen (III,1-3). In seinem Namen erteilt sie Mahnung und Weisung und nimmt Einfluss auf das politisch-geistliche Geschehen der Zeit.

Birgitta schreibt ihre Offenbarungen in einer bilderreichen, gleichnishaften und von symbolischen Anspielungen geprägten Sprache. Die Kirche vergleicht sie mit einer Jungfrau, die von drei Prinzen umworben wird: einem, der sie ehrenvoll liebt, einem zweiten, der nur ihren Besitz sucht, und einem dritten, der ihre Jungfräulichkeit zu nehmen sucht (III, 24). Einen Bischof vergleicht sie mit einem Menschen, der neun Stunden des Tages mit seinem Dienstmädchen, also der Welt, eine Stunde aber nur mit seiner Frau, also der Kirche, verbringt (III, 6). Die Marienfrömmigkeit klingt in verschiedenen Zusammenhängen an. In einer der Offenbarungen enthüllt Maria Einzelheiten der Kreuzigung Jesu, die über das Schriftzeugnis hinausgehen (III,13). An anderer Stelle wird Maria als Tempel Salomonis beschrieben, dessen Wände vergoldet, dessen Decke leuchtend und dessen Boden mit kostbaren Steinen bedeckt ist; außerdem wird sie zu Birgitta in eine, wenn auch ungleiche, Beziehung gesetzt (III,29). In manchen Offenbarungen werden theologische Fragen angesprochen: Gott erläutert die Trinität (III,23), antwortet auf das Gebet für die Ungläubigen (III,24) und öffnet die Augen für die heilsgeschichtliche Stellung von Juden und Heiden (III, 6). Außerdem wird das Verhältnis zwischen Christus und Maria hinsichtlich ihres erlösenden Wirkens angesprochen (III, 32).

Breiten Raum widmet die Hgn. der insgesamt 80 Manuskripte umfassenden handschriftlichen Überlieferung (20-24, 43-58). Eingehend werden die editorischen Grundsätze (59-62) und ihre textkritische Umsetzung (63-80), auf denen die vorliegende Ausgabe beruht, erläutert (81-190). Verschiedene Verzeichnisse ergänzen die Edition: ein lateinisches Glossar (191-201), ein grammatischer Index (204-209), ein Verzeichnis der Namen (210/211) und Sachen (212-215) sowie ein Bibelstellenindex (216-219). Insgesamt liegt mit dem vorliegenden Teilband ein weiterer Baustein vor, der "das wichtigste spätmittelalterliche Literaturdenkmal Skandinaviens" (U. Montag, Birgitta, LexMA 2, 1983, 216) verlässlich erschließt.