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Ausgabe:

September/2001

Spalte:

891 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Becker, Dieter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Globaler Kampf der Kulturen? Analysen und Orientierungen.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1999. 318 S. m. Abb. gr.8 = Theologische Akzente, 3. Kart. DM 39,90. ISBN 3-17-016155-5.

Rezensent:

Ludwig Hagemann

Sechzehn Autoren und Autorinnen internationaler Provenienz haben zu diesem Sammelband beigetragen, als dessen Herausgeber Dieter Becker, Professor für Missionstheologie und Religionswissenschaft an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, fungiert. Sechs Beiträge gehen auf die von der Augustana-Hochschule und dem Missionswerk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern veranstaltete Ökumenische Studienwoche mit dem Thema "Suchet der Stadt Bestes!" zurück, ergänzt durch Arbeiten aus dem Dozentenkollegium der Hochschule. Bei der Vielzahl der Beiträge kann nur eine Auswahl vorgestellt werden. Der Titel des Buches greift (zumindest) formal jene Prognose auf, die der amerikanische Soziologe Samuel P. Huntington als "Clash of Civilizations" beschrieben hat, nicht um sie zu bestätigen, sondern sie kritischer Analyse zu unterziehen.

In seinem Beitrag "Der Westen gegen den Rest? Die ökumenische Bewegung und Huntingtons Kulturtheorie" (101-118) stellt sich B. dieser Diskussion. Er gesteht Huntingtons These "nachvollziehbare Wahrheitsmomente" zu, hält ihr aber "politische Einwände" entgegen. Viele Konfliktlinien verlaufen - anders als in Huntingtons These behauptet - innerhalb der Kulturen: "Die Annahme, ein Kampf der Kulturen sei wegen der unversöhnlichen Differenz ihrer Grundwerte in ihrer inneren Verfassung angelegt, läßt sich nicht halten. Die politische Polarisierung ganzer Kulturen wird durch die empirische Erhebung der Differenzen kultureller Grundwerte nicht gestützt" (108).

Dennoch ist festzuhalten, dass die Unversöhnlichkeit religiöser Traditionen bis in unsere Tage hinein immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt hat, die nicht selten blutige Exzesse nach sich zogen. Heutige Versuche, die religiösen Differenzen im Rahmen der Ökumene als "versöhnte Verschiedenheit" zu umschreiben, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der nach jahrzehntelangem Ringen gewonnene theologische Konsens recht dürftig ist. "Gelähmte Ökumene" nennt K. Koch den gegenwärtigen Diskussionsstand. Dass J. Ratzinger in dieser Situation die römisch-katholische Position in seiner Erklärung "Dominus Jesus" allerdings von den anderen christlichen Kirchen schroff abgrenzt, ja den reformatorischen Kirchen nicht einmal die Bezeichnung "Kirche" zugesteht, hat das Vertrauen in die Ökumene erschüttert. Gefordert ist jetzt eine Selbstbesinnung innerhalb der sog. ökumenischen Theologie, nicht ihre Ausweitung auf den interreligiösen Dialog, wie es D. Becker in seiner "Vision für das 21. Jahrhundert" entwirft (110 ff.). Gewiss ist das eine Frage der Sprachregelung. Doch gängige ökumenische Theologie intendiert nicht das Projekt einer globalen ökumenischen Schau, wie hier suggeriert wird.

Mit anderen Religionen ins Gespräch zu kommen, ist das Anliegen der sog. Religionstheologie (vgl. u. a. die Beiträge von J. Triebel und A. Nehring, 269 ff.): "Das Bewußtsein, in einer pluralen Welt zu leben, hat ... zunehmend auch die christliche Reflexion geprägt. Das gilt besonders vor dem Bewußtsein einer Pluralität religiöser Wahrheitsansprüche" mit der Konsequenz, dass die klassischen Inklusivismus- und Exklusivismus-Modelle an Plausibilität verloren haben (282; vgl. 272 ff.). In diesem religions- und kulturübergreifenden Ansatz, der den Rahmen der herkömmlichen ökumenischen Theologie bei weitem sprengt, liegt noch ein gutes Stück theologischer Arbeit vor uns. Auch in diesem Punkt helfen ideologische Abgrenzungen und Abschottungen nicht weiter. Ein Rückzug auf fundamentalistische Positionen verbaut auch hier die Begegnung mit nichtchristlicher Religion und Kultur (vgl. G. Rakenmeier, 14 ff.; J. Track, 27 ff.; W. B. Niwagila 167 ff.), ebenso der "Vorwurf J. Ratzingers, die Pluralistische Religionstheologie übernehme den Relativismus postmodernen Beliebigkeitsdenkens ..." (282 f.).

Der Anspruch des Buches, "zum Dialog der Kulturen" beizutragen, (7), wird facettenreich einzulösen versucht: Repräsentanten ökumenischer Theologie aus Brasilien, Indien, Tansania und den Vereinigten Staaten von Amerika haben aus ihrer Perspektive die Situation vor Ort auf dem Hintergrund der Globalisierungsdebatte analysiert und jenseits von Theorien über Zusammenprall und Verschmelzung der Kulturen den spezifischen Beitrag christlicher Theologie in diesem weltweiten Prozess beleuchtet. Ein Desiderat bleibt: auch Vertreter anderer Religionen und Kulturen zur selben Thematik zu Wort kommen zu lassen.