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Ausgabe: | Oktober/1998 |
Spalte: | 965 f |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Janowski, Bernd |
Titel/Untertitel: | Weisheit außerhalb der kanonischen Weisheitsschriften. |
Verlag: | Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1996. 171 S. 8 = Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, 10. Kart. DM 54,-. ISBN 3-579-01812-4. |
Rezensent: | Otto Kaiser |
Der vorliegende - von Bernd Janowski eingeleitete - Band enthält sieben Beiträge, die als Referate auf einer Tagung der Fachgruppe Altes Testaments in der WGTh im Mai 1994 gehalten wurden.
Unter dem Titel "Weisheit im Kontext alttestamentlicher Theologie" berichtet Jutta Hausmann über "Stand und Perspektiven gegenwärtiger Forschung". Dabei setzt sie sich gegen den trotz seines Rigorismus beachtenswerten Ansatz von William McKane ab, der mit einer schrittweisen Theologisierung der Weisheit rechnet. Meines Erachtens besitzt sein Modell trotz gewisser Schwächen noch immer heuristischen Wert. Er findet zudem in der redaktionsgeschichtlichen Erforschung der Weisheitsbücher seine partielle Bestätigung und (wie der gleich anzuzeigende Beitrag von Jan Assmann zeigt) in der Umwelt Israels eine Entsprechung. Abgesehen davon verdient Jutta Hausmanns Feststellung eine Unterstreichung, daß die in den Proverbien angesprochene Alltagserfahrung und die im Hiob und Kohelet verhandelten Grenzerfahrungen des Einzelnen sich nicht durch grundsätzliche Verweise auf die Heilsgeschichte lösen lassen (18). Denn die Universal- und die Individualgeschichte wurden erst im Horizont der Apokalyptik miteinander verbunden.
Jan Assmanns Beitrag "Die Wende der Weisheit im Alten Ägypten" bietet eine willkommene Zusammenfassung und Weiterführung seiner vorausgehenden einschlägigen Untersuchung (20-38). Er skizziert den Weg von der konnektiven Gerechtigkeit (wie er den sog. Tun-Ergehenszusammenhang präziser bezeichnet) über die loyalistische Treue zur persönlichen Frömmigkeit: Am Anfang steht die Weisheit als Anleitung zur iustitia connectiva, zum richtigen und erfolgreichen Handeln im Horizont des verborgenen und sich gleichsam selbst organisierenden Ordnungszusammenhangs der Maat und der ihm entsprechenden Gegenüberstellung des Weisen und des Toren. Dieser Zusammenhang wird in der Ersten Zwischenzeit durch den Loyalismus politisiert: Der Patron gewährt den einzelnen Schutz als Lohn für seinen Gehorsam und seine Treue. Gleichzeitig wird die Maat zu einer gefährdeten und ständig durchzusetzenden Größe. Der diesem Stadium entsprechende Gegensatz ist der zwischen dem Königstreuen und dem Rebellen. Im Neuen Reich erfolgt im Zusammenhang mit der Ausprägung der persönlichen Frömmigkeit eine Theologisierung. An die Stelle des königsgeleiteten Menschen tritt das gottgeleitete Herz, das sich für den Willen Gottes entscheidet.
Georg Braulik eröffnet den Reigen der exegetischen Beiträge mit seinem Aufsazu über "Weisheit im Buch Deuteronomium" (39-69). In ihm bestreitet er Moshe Weinfelds Hypothese, daß die Verfasser des Deuteronomiums im Kreis weiser Hofbeamten zu suchen sei. Statt dessen gehe sie auf gebildete Jerusalemer Führungsschichten zurück. Die "weisheitlichen" Belege in Dtn 1,13.15 erklärten sich aus deren kritischem Selbstverständnis, 4,6 aus vordtr Salomo- und mesopotamischen Rechtstraditionen, während 16,11 als ein Nachklang von 1,13.15 und 34,9 als Charakterisierung Josuas als einer nichtköniglichen Führergestalt zu verstehen seien.
Arndt Meinhold zeigt in seinem Beitrag "Weisheitliches bei Obadja" aufgrund detaillierter Kompositions- und Motivanalysen, wie in Ob 2-14.15 durch weisheitliche, das Motiv des Frevlers aufnehmende Züge Edom als Israels Feind schlechthin charakterisiert wird (7086).
Gunther Wanke handelt von der "Weisheit im Jeremiabuch" und weist dabei nach, daß sich in den einschlägigen Texten (4,19-22; 5,20-25; 5,26-29; 8,8 f.; 9,22 f.; 10,23 f.; 12,1-3; 17,5-11 und 18,15) kein einziger auf den Propheten Jeremia zurückführen läßt: Sie sind sämtlich als nachexilische Aktualisierungen der prophetischen Botschaft zu verstehen (87-106).
Georg Sauer beobachtet in seinem Beitrag "Weisheit und Tora in qumranischer Zeit" die Bindung der Weisheit an Jahwe, die Tora, den Tempel, den Kult, die Geschichte Israels, den Einzelnen und die Schöpfung zumal bei Ben Sira, um von hier aus auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der jüdischen Literatur des 3. und 2. Jh.s v. Chr. hinzuweisen (107-127).
Abschließend behandelt Ingo Kottsieper "Die alttestamentliche Weisheit im Lichte aramäischer Weisheitstraditionen" und das heißt konkret: im Licht der Sprüche des Achiqar (128-162). Dabei führt er zunächst in Anknüpfung an Ergebnisse seiner Dissertation (BZAW 194, 1990) die Gründe für ihre Datierung im späten 8. Jh. v. Chr. und ihre Lokalisierung im südsyrisch-libanesischen Aramäertum vor, um dann die Beziehungen zur alttestamentlichen Weisheit an den Beispielen der Natursprüche, der Fabeln und des Problems des Sitzes im Leben von Spruchsammlungen aufzuzeigen. Bei den Natursprüchen verläuft die Entwicklung von den reinen zu den angewandten. Bei den aramäischen und den biblischen Fabeln läßt sich eine strenge Entsprechung im Aufbau beobachten. Daraus ergibt sich eine neue Deutung der Jotamfabel als Ablehnung eines nicht zur Herrschaft geeigneten Prätendenten. Das Sammeln von Sprüchen aber galt nach Achiqar IX,14-16 als solches als ein gottwohlgefälliges Werk, ihre Tradierung aber erfolgte nicht in der Schule, sondern (wie die Rahmenerzählung zeigt) in einem Famulussystem.
Eine Vorstellung der Autoren (163 f.) und ein Register (165-171) runden den beachtenswerten Sammelband ab.