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Ausgabe:

November/2000

Spalte:

1166 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Patella, Michael

Titel/Untertitel:

The Death of Jesus: The Diabolical Force and the Ministering Angel. Luke 23,44-49.

Verlag:

Paris: Gabalda 1999. XVI, 215 S. gr.8 = Cahiers de la Revue Biblique, 43. Kart. fFr 230.-. ISBN 2-85021-113-3.

Rezensent:

Johannes Beutler

Die hier vorgelegte Dissertation eines amerikanischen Benediktiners ist an der École Biblique in Jerusalem entstanden. Sie ist fast durchgängig dem historischen Paradigma verpflichtet. Das Interesse des Vf.s gilt eigentlich zwei Themen, die zumindest auf den ersten Blick nicht allzu fest miteinander verknüpft sind: der Thematik von diabolischer Macht und dienendem Engel in der synoptischen Tradition, näherhin bei Lukas, und dem Bericht des dritten Evangelisten vom Tode Jesu in Lk 23,44-49. Am Anfang steht eine kursorische narrative Analyse des lukanischen (lk) Passionsberichtes, die die Eigentümlichkeiten dieses Berichts innerhalb der synoptischen (syn.) Tradition hervorhebt. Von Anfang an zeigt sich eine starke Selbständigkeit des lk Berichts im Vergleich vor allem mit den syn. Seitenreferenten und eine größere Nähe zu Johannes, wie bereits mehrfach von M.-É. Boismard, einem der Jerusalemer Lehrmeister von P., hervorgehoben. Im zweiten Kap. geht der Vf. den Themen von diabolischer Macht und dienendem Engel vor allem bei Lukas nach. Beide Themen haben ihre Wurzeln in alttestamentlicher und jüdischer Tradition, vor allem in pseudepigraphischen Texten und in Qumran. Mit Recht wird vermutet (74), dass Lukas das Motiv der dienenden Engel aus der Versuchungsgeschichte in die Getsemanigeschichte versetzt hat, wobei starke Gründe für die Authentizität der entsprechenden Lesart geltend gemacht werden können. Das Motiv der diabolischen Macht erscheint in apokryphen Texten mit anderen Themen wie "Finsternis" oder "Stunde" verwandt. So bereitet sich bereits der Bericht vom Tode Jesu vor.

In den folgenden Kapiteln 3-4 (= Teil II) wendet sich der Vf. der text-, quellen- und literarkritischen Analyse des lk Berichtes vom Tode Jesu im Evangelienvergleich zu. Der Verlauf der Untersuchungen kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. P. nimmt ein sehr kompliziertes Modell von Schichten und Stufen des Werdegangs des neutestamentlichen und näherhin lk Berichtes vom Tode Jesu an. Am Anfang stehen - nach Fixpunkten ("fixed points", J. Dunn) der Tradition - zwei älteste Berichte vom Tod Jesu: "a" und "b", von denen der erste vor allem auf Lk - Johannes, der zweite auf Markus und Matthäus eingewirkt hätte. Für alle vier Evangelien werden aber mehrere Redaktionsstufen angenommen. Dabei soll gezeigt werden, dass sich die Zwei-Quellen-Theorie zumindest an diesem entscheidenden Punkt der Evangelien nicht bewährt, da ein früher Vorläufer des Lukas ("a") bereits auf den "intermediate Mark" eingewirkt hätte. Den Schluss des Buches bildet in Teil III ein Kap. 5 mit einer Synthese der Ergebnisse, jetzt wieder stärker unter redaktionskritischer Sicht auf der Ebene letzter Hand. Der Vf. sieht die doppelte Tradition von diabolischer Macht und dienendem Engel als Hintergrund für den lk Bericht vom Tode Jesu: jetzt ist die Stunde der Finsternis, der Jesus ausgeliefert ist. Jesus selbst erscheint dabei als der ("dienende"?) Engel, der in diesem apokalyptischen Kampf dem Satan entgegentritt und diesen niederwirft.

Der Gewinn Studie dürfte vor allem in der Aufarbeitung des doppelten traditionsgeschichtlichen Materials liegen. Inwieweit beim lk Bericht vom Tode Jesu direkt an die Macht der Finsternis gedacht ist, müsste weiter überlegt und diskutiert werden. Der Vf. erschließt Satan als Verursacher der Finsternis und die Verknüpfung weiterer Themen im lk Bericht vom Tode Jesu mit der diabolischen Macht vor allem aus einem zwischentestamentarischen Text, nämlich 2 Hen 67. Doch bleibt die direkte Einwirkung eines solchen schwer zu datierenden und zu lokalisierenden Textes nicht ohne Probleme, wie P. selbst sieht (143 f.).

Das Bemühen des Vf.s, hinter Einzelereignissen des Berichts vom Tode Jesu historische Begebenheiten zu sehen, findet wohl an den Fakten seine Grenzen. Die Eklipse konnte nicht bei Vollmond stattfinden und auch keine drei Stunden dauern. Allenfalls konnte sich Lukas an eine Eklipse des Jahres 29 n. Chr. erinnern (149), aber wie alt war er damals? Nicht angängig ist der Versuch, das Zerreißen des Tempelvorhangs durch einen khamsin, einen heißen Wüstenwind zu erklären (154 f.157). Wie der Vf. selber sagt, kommt dieser aus dem Osten (148) bzw. Süden. Der Tempel in Jerusalem war aber nach Auskunft der Archäologen (D. Bahat, Jerusalem) von West nach Ost mit einer Neigung von 6 Prozent nach Süden ausgerichtet. So lässt sich in diesem Falle der Historismus auch auf seinem eigenen Felde schlagen, und der Leser kehrt gern zum Ausgangspunkt, der narrativen Analyse zurück.