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Ausgabe:

Mai/1996

Spalte:

501–503

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Chalassery, Joseph

Titel/Untertitel:

The Holy Spirit and Christian Initiation in the East Syrian Tradition.

Verlag:

Rom: Mar Thoma Yogam 1995. LI, 250 S. gr.8o. ISBN ???

Rezensent:

Friedrich Heyer

Der indische Katholizismus lebt in zwei unterschiedlichen Kirchen. Die schon zu Zeiten portugiesischer Herrschaft errichtete malabarische Kirche pflegt den - jüngst entlatinisierten - ostsyrischen Ritus.

Die liebenswerte Frömmigkeitsbewegung, die in der Orthodoxie Indiens unter der Inspiration des Mar Ivanios das Mönchtum erneuert hatte, war im Jahre 1930 zum Katholizismus abgeschwenkt und hatte die Kirche des malankarischen Ritus entstehen lassen - eine Kirche, die neben dem katholischen traditionellen malabarischen Ritus eigene Strukturen behielt - ihrer westsyrischen Liturgie wegen. Seit im Päpstlichen Ostinstitut am Platz Santa Maria Maggiore in Rom Vater Podipara, dann eine Generation später Vater Nedungat zur Wirkung gekommen waren, konnte das Ostinstitut als die Pflegestätte theologischer Reflexion des indischen Katholizismus gelten. Aus diesem Milieu ist Chalasserys Dissertation hervorgewachsen. Da nimmt es nicht Wunder, daß Taufsakrament und Eucharistie mit dem Begriffsinstrumentarium heutiger katholischer Theologie dargestellt werden. Und diese Darstellung wird genutzt, um die syrischen Kirchenväter zu interpretieren. Nur ein Moment ist hinzugetragen: die ostkirchlich stärker als in der westlichen Theologie zur Geltung gebrachte Pneumatologie.

Das ist das Originelle der groß angelegten Studie, daß das pneumatologische Moment im Geschehen der Initiation eines Christen in den Blick kommt. Das wird aus den syrischen Kirchenvätern gewonnen. Die Oden Salomos, die syrische Version der Didascalia, die Thomasakten und die Schriften des Aphraates, des Ephräm Syrus und des Narses (Narsay), also Texte, die in der Zeit vom zweiten bis fünften Jh. geschrieben wurden, sollen das belegen. Liturgische Texte des syrischen Taufritus sollen, selbst wenn ihre Entstehung zeitlich später anzusetzen ist, beigezogen werden. Es wird nicht verschwiegen, daß die postbaptismale Salbung der syrischen Kirche nicht vor dem
6. Jh. bezeugt ist. Aus den Vätern wird erhoben, daß ein Christ nicht als voll eingeführt gelten kann, ehe er nicht auch die Eucharistie empfangen hat. Darum ist die Funktion des Heiligen Geistes auch im eucharistischen Geschehen zu untersuchen.

Sogleich die "Einführung" macht bewußt, daß die Theologie der syrischen Väter, die Thema der Forschung ist, in Mt 28,19, Lk 24,29 und Apg 1,8 ihre biblische Basis besitzt und daß wir Gegenwärtige davon in gläubige Aktion hineingetrieben werden. "Wir, die Christen von heute, sind vom Herrn beauftragt, die Sendung fortzusetzen, die der auferstandene Herr den Jüngern auftrug." Und: Unser "Taufbewußtsein" soll zugleich ein Bewußtsein der "Gegenwärtigkeit des Heiligen Geistes in uns" werden.

In der Eucharistie der ostsyrischen Tradition findet Ch. "divinising coments", zur Theosis führende Anstöße, die dem Heiligen Geist zu danken sind. Sie ermöglichen, die himmlische Liturgie mitzufeiern. Hier trägt der Autor ein der Pneumatologie entnommenes Kriterium an den liturgischen Text heran - nur hier. Ch. klopft die liturgischen Elemente nacheinander daraufhin ab, was sie zur Divinisierung der Gläubigen beizutragen vermögen. Dabei lernt man - nebenbei -, daß der malabarische Ritus drei Anaphoren kennt, die des Theodor von Mopswestia, die von der Verkündigung an Maria bis zu Palmarum benutzt wird, die der Apostel Addai und Mari, die von Ostern bis zur Verkündigung an Maria gilt, und schließlich die Nestorius-Anaphora, die nur fünfmal im Jahr benutzt wird, nämlich an Epiphanias, am Festtag des Täufers, zum Gedenken der großen Kirchenlehrer, am Tag des Ninevitengebets und am Gründonnerstag.

Ch. läßt seine liturgiegeschichtlichen und patristischen Studien in ein fünftes Kapitel einmünden, welches das Leben des Christen "im Heiligen Geist" beschreibt, das durch die Initiationsriten vermittelt ist. Vier Bereiche werden abgetastet:

1. Die "menschliche Natur" wäre unfähig zur Teilhabe am Gottesleben, aber der Heilige Geist erweist sich als das Verbindungsseil zwischen Christus und den Christen. Dies ist das My-sterium des Weiterverbleibens Christi in der Welt. Die Baptismalliturgie bietet Gebete, die auf die Reinigung und Heiligung unseres Lebens als Effekt des Heiligen Geistes zielen. Die eucharistische Epiklese läßt das Geistwirken zur Heiligung der dargebrachten Gaben und zur Heiligung der eucharistischen Versammlung erkennen. (In diesem Zusammenhang zeigt sich ein abendländisch-scholastisches Verständnis des Autors von "Natur".)

2. Die Geistbegabung durch Vollzug der Riten bedeutet Verleihung des "Geistes der Sohnschaft".

3. Der Geist fügt die Christen als Glieder in die Kirche ein.

4. Der Geist macht die Initiierten zu Miterben des Einen Gesalbten. Das bedeutet, unser königliche Würde wird vom Geist wiederhergestellt, mit dem Öl der postbaptismalen Salbung verleiht der Geist uns das ewige Priestertum und schließlich verleiht er uns ein prophetisches Mandat.

Der Wert dieser Publikation liegt nicht zuletzt in der reichen Zitation der Väter- und Liturgietexte, die in englischer Übersetzung geboten sind - ein Material, das dem Leser auch eigene Verwertung ermöglicht. Das Buch ist methodisch als Textinterpretation angelegt. Der Interpretation des Autors muß sich der Leser nicht immer verpflichtet fühlen. Eine Tendenz zur Überdeutung ist erkennbar. Die Funktion der Trinität wird ge-schmälert, damit desto mehr die Grundthese bewiesen sei, nämlich daß vorrangig der Geist den Christen macht. Wie sehr ist doch dieser geistbewegte Christ gesteigert! Ihm bringt der Geist die feminine Dimension ins Glaubensleben. Er erfährt den Geist als die Mutter, die ihre Kinder nährt. Der Geist gibt seinen Augen neue Sehmöglichkeiten: Die Welt steht vor ihm wie ein Spiegel der Glorie Gottes. Jede Blütenknospe, die sich öffnet, ist für ihn nicht nur einfach eine Blütenknospe, sondern ein Symbol für die glorreiche Auferstehung des Herrn.

Eine Bibliographie von über 300 Titeln läßt erkennen, daß sauber gearbeitet worden ist, und wird jedem nützen, der zu syrologisch-patristischen Studien ansetzt. Diese Bibliographie ist dennoch nicht vollständig: Insbesondere deutschsprachige Titel fehlen.

Ephräm ist nicht nach der Ausgabe von CSCO zitiert.