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Ausgabe:

Juli/August/1997

Spalte:

625–636

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Petzoldt, Martin

Titel/Untertitel:

Zum Ethos theologischen Nachdenkens und Kircheseins bei Dietrich Bonhoeffer – zur Neuausgabe seines Werkes(*)

1. Als Alfred Dedo Müller in der Theologischen Literaturzeitung Heft 10/Oktober 1961 die bis dahin erschienenen Bon-hoeffer-Schriften (einschließlich einiger bis dahin erarbeiteter Untersuchungen) einer Gesamtvorstellung unterzog, tat er das unter jenem Thema, das anfänglich ohnehin, dann aber auch auf längere Zeit das beherrschende Thema der Bonhoeffer-Diskussion bleiben sollte, nämlich dem "Prinzip der weltlichen Interpretation und Verkündigung des Evangeliums".(1) Seinen Aufsatz begann er mit einem ihm charakteristisch scheinenden Zitat aus dem Tegeler Dramenfragment 1943, das heute eher unbekannt und längst durch andere ersetzt, insgesamt aber doch das Bonhoeffersche theologische Anliegen spezifisch wiederzugeben in der Lage ist: "Ich spreche zu Euch, um die großen Worte, die den Menschen gegeben sind, vor dem Mißbrauch zu schützen. Sie gehören nicht in den Mund der Masse und in die Überschriften der Zeitungen, sondern in die Herzen der Wenigen, die sie mit ihrem Leben hüten und schützen. Es ist niemals ein gutes Zeichen, wenn das, was von jeher stiller und fester Besitz und selbstverantwortliche Haltung aller Gutgesinnten im Lande ist, als allerneueste Weisheit auf den Straßen ausgeschrieen wird... Laßt uns die höchsten Güter eine Zeitlang durch Schweigen ehren, laßt uns lernen, eine Zeitlang ohne Worte das Rechte zu tun".(2)

Freilich kündigt sich in diesem Zitat für aufmerksame Leser zugleich eine Thematik an, die nach etwa vier Jahrzehnten intensiver Beschäftigung mit Bonhoeffers Werk sich als Leitthema abzuzeichnen beginnt. Es ist die Frage nach dem Ethos des Theologisierens und dem Ethos des Kircheseins inmitten einer - wohl nicht "religionslosen", wie Bonhoeffer meinte, aber doch - religiös pluralistischen Welt: "selbstverantwortliche Haltung", "die höchsten Güter eine Zeitlang durch Schweigen ehren", "ohne Worte das Rechte... tun".





Dieser Beitrag hat nun erneut die Aufgabe, eine Edition der Werke Dietrich Bonhoeffers vorzustellen. DBW kann gegen-über älteren gesammelten oder teilweisen Editionen sich einen höheren Qualitätsmaßstab setzen. Wie bei Rezensionen von Werkausgaben zu erwarten, kann es nicht etwa um eine "Rezension" des Bonhoefferschen Gedankengutes gehen. Neben der Würdigung der editorischen Leistung erscheint deshalb die Be-mühung sinnvoll, ein wichtig erscheinendes Sachthema aus dem Werk Bonhoeffers aufzunehmen. Der Titel des Beitrages steuert auf eine These zu, er will jedoch keinesfalls einer einseitigen oder unzulässigen Konzentrierung auf Bonhoeffers "Ethik" (1949, postum) das Wort reden, mit der vier Jahre nach Bonhoeffers gewaltsamem Tod dessen Freund Eberhard Bethge, zunächst noch mit eher verhaltenen Reaktionen, auf den bedeutsamen Nachlaß dieses Theologen aufmerksam machte. Der Titel, unter dem dieser Beitrag steht, will vorsichtig und zurückhaltend die These eines möglichen interessanten Schlüssels zu Bonhoeffers theologischem Denken ansteuern und unterbreiten.



2. Mit Bonhoeffers Dissertation"SanctorumCommunio" (1927) eröffneten der Christian Kaiser Verlag, München, und die Evangelische Verlagsanstalt, Berlin, im Jahr 1986 eine Neuausgabe von Dietrich Bonhoeffers Werken(3) (= DBW).





Geplant war eine gemeinsame Produktion zwischen Ost und West, was gewiß auch theologische Gründe hatte. Daß darüber die politischen Bedingungen sich erheblich verändern würden, ahnte niemand. Es macht auch den Eindruck, als ob DBW 1 (Sanctorum Communio, 1986) in Berlin zunächst nicht er-scheinen konnte; und das mag an einzelnen politischen Äußerungen des vorangestellten Beitrages von Heinz Eduard Tödt "Zur Neuausgabe von Dietrich Bonhoeffers Werken" (1,IX-XXI) gelegen haben, den er im Namen des Herausgeberkreises Eberhard Bethge, Ernst Feil, Christian Gremmels, Wolfgang Huber, Hans Pfeifer und Albrecht Schönherr verfaßte.(4) In beiden Verlagen erschienen sind die Bände 2 (Akt und Sein, 1988 [1990]), 5 (Gemeinsames Leben, Gebetbuch der Bibel, 1987 [1989]) und 9 (Jugend und Studium, 1986 [1988]). Wie die Dinge nach der Wende beendet worden sind und warum die Evangelische Verlagsanstalt, nun in Leipzig, nicht weiter im Verlagsprojekt verblieb, muß wenigstens als Frage festgehalten sein. Aufschlußreich ist immerhin, daß Tödt in seinem Beitrag über die Neuausgabe bereits 1985 ausschließlich vom Christian Kaiser Verlag München spricht (1,XIV). Für die Neuausgabe nannte Tödt folgende zwei Gründe:

a) Nach dem Überblick über das Bonhoeffersche Werk, der sich fünf Jahrzehnte nach seinem Tod vervollständigt hat, kann nach der früheren Publikation seiner "Gesammelten Schriften" (= GS) jetzt das Werk Bonhoeffers präsentiert werden. Zunächst auf vier Bände veranschlagt, dann um die Ergänzungsbände 5 (1972) und 6 (1974) erweitert, konnten schon deshalb die GS (1958-1961) eine strenge Chronologie, die für eine Werkausgabe nötig ist, nicht einhalten, weil ständig neue Materialien auftauchten. Unverzichtbar geworden sind inzwischen die "Dokumente zur Bonhoeffer-Forschung 1928-1945".(5) Tödt weist außerdem darauf hin, daß der Nachlaß von Bonhoeffers Londoner Pfarrerkollegen Julius Rieger erst Mitte der achtziger Jahre zugänglich wurde. 1988 erschien dann Bonhoeffers Hegel-Se-minar aus dem Sommersemester 1933.(6) Doch DBW pflege nicht den Ehrgeiz, "alle von Bonhoeffer erhaltenen Aufzeichnungen wiederzugeben" (1,XI), was sofort einleuchtet. Texte, die nur für die Interessen weniger Leser wichtig sind, kommen nicht zum Abdruck (z. B. Stoffsammlungen, die sich Bonhoeffer als Student anlegte). Sie sind - wie im übrigen der Gesamtnachlaß - auf Mikrofiches im Bundesarchiv in Koblenz zu finden.(7) Eine geeignete Übersicht dazu liegt bereits vor.(8)



b) Zum jetzigen Zeitpunkt eine zugleich kritische Werkausgabe zu veranstalten, gebiete vor allem der Umstand, Auskünfte noch lebender Zeitgenossen, Bekannter, Verwandter und Freunde Bonhoeffers einbeziehen zu können. So soll diese Ausgabe auch nicht nur eine kritische, sondern auch eine "kommentierte Werkausgabe" sein (1,XII). Diese Entscheidung führt zu zwei herausgeberischen Textbeiträgen in jedem Band, nämlich einem editorischen Vorwort, das "möglichst straffe Information über die Entstehungsgeschichte des Textes und Regeln für die Erarbeitung der vorgelegten Textgestalt" enthalten soll, und einem Nachwort, in dem "Überlegungen zu seiner Bearbeitung und Interpretation des Textes" zu erwarten sind (1, XIII).

Die Planung sah insgesamt 16 Bände vor, acht mit den von Bonhoeffer selbst publizierten Werken - einst innerhalb der GS nicht eigens erschienen, einschließlich der drei von E. Bethge postum zusammengestellten Bücher (6: Ethik, 7: Fragmente aus Tegel, 8: Widerstand und Ergebung) - sowie acht ",biographische' Bände", die jeweils in drei übereinstimmenden und in sich chronologisch gegliederten Teilen dargeboten werden: 1. Briefe, Tagebücher, Dokumente; 2. Ausarbeitungen, Aufsätze, Gutachten einschließlich Texten seiner Tätigkeit an der Universität; 3. Predigten, Meditationen, geistliche Texte; hier wird er-heblich mehr Material ausgebreitet als einst in den GS. Inzwischen sind auch für DBW gegenüber der Planung zwei wichtige Erweiterungen erfolgt: Band 6/Ergänzungsband mit den Zettelnotizen für eine "Ethik", sowie ein Ergänzungsband Briefe aus dem Kirchenkampf 1933-1942 unter dem Titel "So ist es gewesen". Gemäß den editorischen Verabredungen, die jetzt nicht im einzelnen dargestellt werden müssen(9), folgt auf den originalen Anmerkungsapparat Bonhoeffers (soweit ein solcher vorhanden ist) auf jeder Seite ein Herausgeberapparat.(10) Hier sind Streichungen, Überarbeitungen Bonhoeffers vermerkt, soweit sie erkundbar sind.(11) Außer durch Auflösungen von Abkürzungen wurde in Bonhoeffers Anmerkungsapparat nicht eingegriffen. Die Verifizierung der von Bonhoeffer benutzten und zitierten Literatur erfolgt in einem beigegebenen Literaturverzeichnis, nicht im Herausgeberapparat. Die dort ebenfalls gemachten "Verweise auf leichter zugängliche Ausgaben" (1,8) erscheinen nicht konsequent durchgeführt.

Zu begrüßen ist, daß im Herausgeberapparat aufmerksam ge-macht wird auf verfügbare fremde Randbemerkungen (z. B. eines Gutachters), auf Anstreichungen und Bemerkungen Bonhoeffers in den von ihm benutzten Büchern seiner geretteten "Restbibliothek", auf Anspielungen "auf Bibeltexte, zeit- und kirchenpolitische Ereignisse, traditionelle Topoi der Philosophie und Theologie sowie zeitgenössische Kontroversen"(12); gut auch, daß lateinische Zitate übersetzt werden. Nicht nur Quellen zu wissen ist nötig, sondern auch die Eröffnung "der geistigen Landschaft", in der Bonhoeffer sich bewegte (1,10). Jeder Band verfügt in der Regel über Verzeichnisse (von Bonhoeffer zitierter Literatur, vom Herausgeber benutzter Literatur, Auswahlbibliographie zu dem edierten Werk) und Register (Bibelstellen, Personen, Sachen und Orte). Hinzu kommen "Ex-tras": ein Quellenverzeichnis zur "Nachfolge" (4,333-340), das aus veröffentlichten und unveröffentlichten Nachlaß-Schriftstücken sowie aus Vorformen der "Nachfolge" schöpft; eine Zeittafel (6,457-469), eine Synopse der Manuskriptanordnungen der "Ethik" seit 1949 (6,470); zu den Fragmenten aus Tegel werden das Erzählungsfragment (7,251) und die Zettelnotizen für das Drama (7, 252-260) als Anhang beigegeben; gespannt sein darf man auf die Ausgabe von "Widerstand und Ergebung" innerhalb dieser Werkausgabe (Band 8), nachdem schon 1970 [1972] eine 3. erweiterte Auflage erschienen war.

Von besonderem Wert sind die Beigaben der sogenannten biographischen Bände 9-16: Hier gibt es regelmäßig eine Zeittafel, eine Liste des unveröffentlichten Nachlasses, Übersetzungen, eine Synopse der sowohl in GS als auch in DBW abgedruckten Texte. Dazu eine Übersicht der von Bonhoeffer belegten Vorlesungen und Seminare in Tübingen und Berlin (9,640-642), Biogramme der Familie Bonhoeffer/von Hase (9,660-666)(13), persönliche Erinnerungen von Hans Christoph von Hase unter dem Titel "Abkehr vom Phraseologischen zum Wirklichen" (10,588-602), Auflistungen der von Bonhoeffer am Union Theological Seminary belegten Kurse (10, 643), Organisationsschemata kirchlicher und ökumenischer Verbünde (11, 501-504), Liste der Kandidaten und Bruderhausmitglieder, Lehrveranstaltungen in Finkenwalde, Finkenwalder Freizeiten, Volksmissionsfahrten des Seminars (14,1050-1070), sowie eine Synopse von Kirchenliednummern (14,1095-1097) zum Vortrag über die Geschichte des evangelischen Kirchenliedes von 1936 (14,714-720).(14)

Insgesamt zeigen die Bände 9-16 eindrucksvoll, welchen unbestrittenen Rang Biographie, Verwandtschaft, Familie und vor allem Freundschaft theologisch für Bonhoeffer haben und wie sehr Denken und theologisches Entwerfen zu Klärungen vorstößt, die sich solchen "Wechselwirkungen"(15) verdanken. Diese Grundüberzeugung läßt sich von Bonhoeffers ersten sy-stematischen Äußerungen an im Zusammenhang(16) verfolgen bis in die letzten erhaltenen Schriftstücke. Freundschaft sei Nachfolge in Freiheit: "Wie der Ruf in die Nachfolge unverdient, unverhofft und frei erfolgt, so auch das Angebot der Freundschaft".(17) H. E. Tödt nimmt deshalb auch den Gedanken der Einheit von Biographie und Theologie bei Bonhoeffer in seine einführende Stellungnahme zu DBW auf und weist diesem einen besonderen Platz für die zu, "die es schwer haben, als Christen unter einem Unrechtsregime den Weg zu finden, den ihnen der Glaube gebietet" (1,X). Dieser Satz bringt angemessen zum Ausdruck, weshalb es auch gute theologische Gründe gab, die Herausgabe von Bonhoeffers Werken als ge-meinsame Aufgabe von Theologen Ost- und Westdeutschlands zu planen und zu realisieren.



3. Welchen Stand hat die Bonhoeffer-Interpretation mit dieser DBW-Ausgabe erreicht? Einige wichtig erscheinende Gedanken aus den Nachworten der Bände von DBW seien zusammengetragen, um einen Einblick zu versuchen.

Im Zusammenhang mit SC und AS diagnostiziert J. von Soosten "die eigentümliche Spannung zwischen den Berliner Lehrern, der frühen dialektischen Theologie und der lutherischen Tradition" (1,319), aus der Bonhoeffers eigenes Theologisieren erwächst. Es sei die Frage nach der Konkretheit bzw. der Verbindlichkeit der Offenbarung, die sich Bonhoeffer dringlich stellt, vor allem auch in seiner Auseinandersetzung mit K. Barth. Später wird dieses Anliegen stärker mit dem auch bereits in SC reflektierten Stellvertretungsbegriff aufzunehmen versucht. Dieser ermöglicht es Bonhoeffer, "Christologie, Ekklesiologie und Ethik theologisch begründet zusammenzuhalten". Das hat Auswirkungen angesichts "der fortschreitenden Judendiskriminierungen", auf die "Struktur des stellvertretenden Zeugnisses der Kirche" (1,321), "verpflichtet zum ,Dienst an den Opfern' staatlichen Unrechts und fordert schließlich als ultima ratio gegen-über der Hemmungslosigkeit der Verletzung elementarer menschlicher Rechte das ,unmittelbar politische Handeln' der Kirche" (1,322).(18) Hier bereits sei auf das für Bonhoeffer typische Nachdenken zum Ethos des Kircheseins verwiesen. Der Be-griff der Stellvertretung hilft eben sowohl die Formel von SC, "Christus als Gemeinde existierend" (1,126 ff), als auch die von WEN, "Dasein für andere" (WEN 414 ff, 419), zu interpretieren und bildet so eine wesentliche Klammer für die integrative Spannung der Theologie Bonhoeffers (vgl. 1, 323 f) überhaupt. J. von Soosten verweist, von SC ausgehend, mit Recht auf Bonhoeffers Selbstverständnis als eines ",moderne(r)n Theologe(n)', der doch noch das Erbe der liberalen Theologie in sich trägt" (WEN 411), wobei die Modernität der Theologie in Bonhoeffers unablässiger Bezogenheit auf Barth und auf Luther besteht.

Das hält sich auch in den Positionen der Habilitationsschrift AS durch. Denn auch hier geht es um die Frage nach der Konkretheit der Verkündigung: "Gott ist frei nicht vom Menschen, sondern für den Menschen.(19) Christus ist das Wort der Freiheit Gottes. Gott ist da, d. h. nicht in ewiger Nichtgegenständlichkeit, sondern - mit aller Vorläufigkeit ausgedrückt - ,habbar', faßbar in seinem Wort in der Kirche. Hier tritt dem formalen ein inhaltliches Verständnis der Freiheit Gottes gegenüber. Sollte dieses sich als echtes Verständnis der Freiheit Gottes bewähren lassen, so sind wir vom reinen Aktverständnis der Offenbarung aus auf Seinsbegriffe gewiesen" (2,85). Bonhoeffer will auch Theologie - wie Barth - als "Funktion der Kirche" verstehen (2,128), jedoch der "empirischen, nicht der ,ewigen' Gemeinde Gottes. Sie ist begrenzt durch das Wort von der Vergebung, dessen empirischer Ort seinerseits durch die Prädestination be-grenzt ist".(20) Für sein Theologieverständnis wolle Bonhoeffer "in einer Theologie des Geheimnisses die menschlichen Denkformen zum Schutz des Mysteriums einsetzen" (2,184).

So tritt der Wandel der Interpretations- und Erfahrungshorizonte deutlicher hervor, in welchem sich "der Vollzug von Dietrich Bonhoeffers eigener geschichtlicher Existenz im Wechselspiel von Biographie und Zeitgeschichte" spiegelt. Reuter gibt zu erwägen, "ob Bonhoeffer mit seinem Kampf gegen den solipsistischen Autonomieanspruch der Subjektivität nicht auch eine Anfechtung bearbeitet, die er selbst als Repräsentant eben dieses Autonomiebewußtseins erfahren hat und die als der subjektive Faktor in seiner erbarmungslosen Destruktion allen philosophischen Selbstverständnisses zu werten ist". Blicke man auf den Gehorsam der "Nachfolge", so werde das individualistische Dominanzstreben der selbstmächtigen Subjektivität gebrochen. Das verantwortliche Selbst entdecke "seine ,Stärke' im ,Widerstand' bis an die Grenze der ,Ergebung'. Das ,Ich' wird zum ,Kind', das ,Kind' wird zum ,Jünger' und der ,Jünger' erfährt seine Freilassung zur ,Mündigkeit'" (2,185). Und hier schließt sich der Kreis hin zum Ausgangspunkt, in dem Vorhaben Bonhoeffers liegend, zum Problem des Kindes in der Theologie (10,92; vgl. GS I,53) arbeiten zu wollen - das Kind verstanden als Metapher des Evangeliums für die eschatologische Existenz (2,179).

Mit SF wollte Bonhoeffer - ähnlich wie seinerzeit Barth mit seinem Römerbrief - "theologische Auslegung" betreiben, verstanden als "elementare ,nachkritische' Schriftauslegung" (3, 142). Auf der Grundlage einer biblischen Anthropologie geriet ihm diese Vorlesung zur "Infragestellung des gewohnten ,ethischen' Redens" (3,162), ja zu einer wesentlichen Vorbesinnung seines ethischen Nachdenkens, dort dann zur Aufhebung des ethischen Wissens, zur "Kritik aller Ethik" (6,301).

An Bonhoeffers N komme niemand vorbei, der sich mit seiner Theologie und Biographie beschäftige. Es sei mit einer Be-merkung der beiden Herausgeber M. Kuske und Ilse Tödt zu-sammenzufassen versucht, welche Bedeutung dieses Herzstück seines Nachdenkens insgesamt hat: "Das Buch ,Nachfolge' hat die Dritte Barmer These so entfaltet, daß ihre Wahrheit unübersehbar geworden ist - nicht nur für den Kirchenkampf im Dritten Reich" (4,316).(21) Bonhoeffer meint und fragt, "es geht immer um das Halten des Gebotes und gegen das Ausweichen. Nachfolge Christi - was das ist, möchte ich wissen" (13,129; vgl. 6,7). Vorbereitet durch Lutherstudien bei K. Holl, durch die Beschäftigung mit Kierkegaards Polemik gegen das dänische Staats-Luthertum des 19. Jahrhunderts und später herausgefordert durch den innerhalb der Bekennenden Kirche und auch unter Finkenwalder Kandidaten aufbrechenden Konflikt um die Unterstellung unter die Kirchenausschüsse, gewannen Bonhoeffers "Exerzitien", dann neutestamentliche Kurse im Predigerseminar, ihre besondere Bedeutung. N entstand und erwuchs aus Erfahrungen und dem theologischen Arbeiten der Zeit von Finkenwalde.

DBW 5 vereinigt GL von 1939 und GB von 1940, die beiden letzten von Bonhoeffer selbst zum Druck beförderten Schriften. Sie sind beide sowohl Fortsetzung dessen, was Bonhoeffer mit SF und N begonnen hat ("theologische Auslegung" bzw. Ausdruck theologischer Existenz), als auch eigenständige Versuche einer für ihn charakteristischen Wendung zur Bibel und einer daher zu verstehenden ,Frömmigkeit'. Beides besteht miteinander, auch bis die späten Briefe von WE.

Waren die vorangegangenen Veröffentlichungen schon keine akademische Arbeiten im traditionellen Sinn, so ist es die E am allerwenigsten. Sowohl die Themen, die Bonhoeffer bearbeitet, als auch die nur rekonstruktive Gewißheit der Anordnung der einzelnen Teile machen deutlich, daß es sich nicht um einen klassischen Ethik-Entwurf handelt. So war es auch nicht "akademisches Interesse, sondern die Sorge um die evangelische deutsche Auslandsgemeinde in Barcelona", die ihn veranlaßten, im Februar 1929 einen Vortrag zur Ethik (10,323-345) zu halten (6,414). In die Bemühung um das ethische Thema fließen denn auch alle bis dahin gesammelten theologischen Erfahrungen ein: Ekklesiologie, neuer Theologiebegriff, die Wendung zur Bibel, sein andauerndes Gespräch mit Barth, die Beschäftigung mit der Bergpredigt, der kritische Bezug zu neuerschienenen Ethiken. Bonhoeffer hörte auch nie auf, über "das ethische Thema" nachzudenken (WEN 147). DBW 6 bringt die Ethikmanuskripte in chronologischer Reihenfolge, möchte also dem sy-stematischen Interesse der Leser nicht vorgreifen, wohl wissend, "daß die geplante Sachreihenfolge von Manuskripten im Buch anders sein sollte als die Entstehungsfolge der Manuskripte" (6,452). Die Herausgeber haben in subtilen Forschungen, vor allem unter Einbeziehung der "Zettelnotizen für eine ,Ethik'" (DBW 6/Ergänzungsbd., hrsg von I. Tödt), die Zeiträume der Entstehung der Manuskripte zu sichern versucht. Dabei sind jene Zettelnotizen keineswegs von "nur" chronologischem Interesse, wie auch gerade der Vergleich der gedanklichen Entwicklung in den Manuskripten und auf den Zetteln (einschließlich ihrer Ordnung nach Papiersorten) wesentliche Erkenntnisse zutage fördern.

Bei E handele es sich "um einen experimentellen Vorstoß in bisher nicht zureichend bedachte Dimensionen" (6,434-435). Bonhoeffer bezeichnet als theologische Prämisse einer Ethik das "Wirklichwerden der Offenbarungswirklichkeit Gottes in Christus unter seinen Geschöpfen" (6,34). Die Wiedergewinnung eines Begriffes des Natürlichen und eine Lehre von den "Rechten des natürlichen Lebens" (bis hin zum Bedenken der Menschenrechte) sind theologisch nicht beim Gesetz angesiedelt, sondern sind Sache einer christologisch-inkarnatorischen Ausrichtung der Ethik. Es wird auch deutlich, daß an der E Bonhoeffers - und nicht nur an ihr! - sich die Geister zu scheiden schienen. Das ist bis in diese Edition hinein spürbar.(22)





Mit Recht erhalten die FT einen eigenen Band unter den Werken Bonhoeffers. Drama, Roman, Erzählung - Bonhoeffer versuchte sich im literarischen Genre, offensichtlich um mit anderen Mitteln ebenfalls das ihn beschäftigende Thema zu traktieren, wie und in welcher Weise denn Christentum und Kirche sich in der ihn umgebenden Gegenwart verantwortlich äußern sollten. Es dürfte ein Mißverständnis sein, wenn diese Fragmente allein biographisch zugeordnet würden. Die Herausgeberinnen zitieren den Germanisten Chr. Perels, der darauf hinwies, "daß nicht das Literarische an ihnen [den Fragmenten], sondern das, dem es zum Vehikel dient, in erster Linie zu erörtern wäre. Und das sind Fragen der Politik und der Theologie" (7,16).

Die Bände DBW 9 bis 16, bisher außer 12 (Berlin 1933) und 15 (Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940) erschienen, tragen den der dargelegten inneren Struktur der Bonhoefferschen Theologie unverzichtbaren Zusammenhang zu Ereignissen, Menschen, literarisch-geistesgeschichtlich-kultureller Bildung und Kenntnis bei, der bei parallelem Studium zu den Werken Bonhoeffers der Bände 1 bis 8 in den dieser Theologie gemäßen interpretatorischen Horizont führt. Der eigene Anteil Bonhoefferschen Entwerfens, Schreibens, Redens und Wirkens(23) ist dabei ebenso wichtig, wie die Ge-spräche und Reaktionen in der Form von Briefen von ihm selbst und von seinen Hörern und Partnern unverzichtbar er-scheint. Nicht zuletzt bilden die als geistliche Texte vorgesehenen und entstandenen Predigten und Meditationen eine reiche Fundgrube, die sowohl den akademischen als auch mehr persönlichen Texten ebenbürtig sind, weil wohl Bonhoeffer eines der wichtigsten Beispiele der Theologie des 20. Jahrhunderts bietet, bei der Kanzel, Katheder, Schreibtisch und persönliche Begegnung in hohem Maße einander nahe sind. Diese Erfahrung mit seinem Oeuvre entspricht aber exakt seinem Bestreben, Theologie und Leben, Leben und Theologie nicht nur nicht auseinanderfallen zu lassen, sondern verschränkt zu sehen -, und dies durchaus auf dem Hintergrund eigenen scharfsinnig unterscheidenden Vermögens.



4. Es scheint plausibel, diese Art zu leben und zugleich theologisch zu denken bzw. theologisch zu leben oder lebend zu theologisieren auf den ersten Blick in der Subjektivität Bonhoeffers selbst verankert zu sehen. Bonhoeffer reicht aber wohl zugleich über eine solche Verfangenheit in Subjektivität hinaus. Hier hat sich ein strukturiertes Geflecht von persönlich gelebtem Leben und einer Theologie entwickelt, das über die Beschreibung me-thodisch durchschaubarer Zusammenhänge hinausreicht. We-der der Begriff "Hermeneutik" vermag hinreichend zu fassen, was sich hier ereignet(24) - Hermeneutik ist offensichtlich kein Begriff der Theologie Bonhoeffers(25) -, noch der von Bonhoeffer übernommene Begriff der Interpretation. Hermeneutik wie auch Interpretation sind aufgebrochen zu einer vom Christentum und von christlicher Kirche in einer bestimmten ethischen Weise zu übenden und geübten Verantwortung.

Bonhoeffer nennt in einem frühen Stadium das, was ihn umtreibt, das "Problem der Konkretion in der Verkündigung" (11,100). Diese Formulierung entsteht im Zusammenhang mit seiner Kritik an der Ethik Emil Brunners "Das Gebot und die Ordnungen" (1932). Wie sehr aber für ihn die Aufgabe der "Konkretion" über den Aspekt der Verkündigung schon damals hinausreicht und das ethische Vermögen des Christentums und der Kirche unter unchristlichen, d. h. heute unter pluralistischen Bedingungen meint, zeigt die folgende Bemerkung im gleichen Brief: "Die Konkretion der Gnadenverkündigung ist doch das Sakrament. Was ist aber das Sakrament des Ethischen, des Gebotes?" (11,100/101). So wie das Sakrament Konkretion der Gnadenverkündigung ist, so denkt er über die Gewinnung einer Konkretion des (christlich) Ethischen nach. In der "Nachfolge" scheint er mit der Vorstellung des "Lebensraum[es] der sichtbaren Gemeinde" zu experimentieren (4,248-266).

In den Ethik-Manuskripten schließlich kommt er näherhin in zwei Themenbereichen auf den uns interessierenden Zusammenhang zu sprechen: Die zweite Fassung des Manuskriptes "Die Geschichte und das Gute" enthält den Abschnitt "Die Struktur des verantwortlichen Lebens" (6,256-289). Diese Struktur werde durch ein doppeltes bestimmt, "durch die Bindung des Lebens an Mensch und Gott und durch die Freiheit des eigenen Lebens... Ohne diese Bindung und ohne diese Freiheit gibt es keine Verantwortung... Die Bindung trägt die Ge-stalt der Stellvertretung und der Wirklichkeitsgemäßheit, die Freiheit erweist sich in der Selbstzurechnung des Lebens und Handelns und im Wagnis der konkreten Entscheidung" (6,256). J. von Soosten macht darauf aufmerksam, daß der Gedanke der Stellvertretung bereits in SC mit dem Kirchenbegriff zusammengedacht wird (1,121 ff) und interpretiert: "Eine Kirche, de-ren Struktur durch das Prinzip der Stellvertretung charakterisiert ist, ist der Träger einer Brüderlichkeitsethik, die den Dualismus von Binnen- und Außenmoral, von Gesinnungs- und Verantwortungsethik aufsprengt". Diese Linie nimmt Bonhoeffer in seiner Ethik ebenso auf wie in den Briefen von WE; in beiden Werken dient sie sogar der Begründung des Weges in den Widerstand (1,323).

Der zweite Zusammenhang, in dem unser Thema des Ethos theologischen Nachdenkens und Kircheseins nun in einem überraschenden Formulierungsversuch explizit auftaucht, ist das Manuskript "Das ,Ethische' und das ,Christliche' als Thema" (6,364-391): "Ethik und Ethiker wollen nicht das Gutsein an sich, also als Selbstzweck darstellen, sondern sie wollen, gerade indem sie streng vom ,Ethischen', von dem Grenzereignis des Sollens her sprechen, dafür Raum schaffend dazu helfen, mit-leben zu lernen" (6,372). In der dann folgenden tastenden Beschreibung dieses "Mit-leben Lernens" tauchen positive Aspekte auf, die unmittelbar an Gedanken aus den Briefen von WE erinnern: "Mit-leben lernen innerhalb der Grenzen des Sollens, nicht als Zuschauer, Beurteiler, Richter außerhalb der Le-bensvorgänge stehen, Mit-leben nicht aus dem Motiv des Sollens, sondern aus der Fülle der Lebensmotive, aus dem Natürlichen und Gewachsenen, aus dem frei Bejahten und Gewollten, nicht in humorloser Feindschaft gegen jede Lebenskunst... Mit-leben innerhalb der Grenzen - aber eben nicht aus dem Motiv - des Sollens in der Fülle der konkreten Lebensaufgaben und -vorgänge mit ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit der Motive" (6,372 f).

Hier verwirklicht sich, was Bonhoeffer für die biblischen Begriffe später als weltliche Interpretation fordern wird, hier ist deutlich, daß die Bereitschaft zum Mitleben die Bereitschaft zum Leben im Vollsinne aller einzelnen Bezüge in ihrer Ge-samtheit einschließt, eben auch das Leiden, den Schmerz und den Tod. Das wird er als Thema erst unter den Bedingungen der eigenen Haft durchdenken. Vorerst wird er den Männern des Widerstandes zum Gewissensberater: "Ihre Probleme, ihre Kon-flikte hat er ethisch durchdacht und theologisch verarbeitet" (1,X).

Es hat den Anschein, als ob Bonhoeffers Nachdenken verschiedenste Ausgangspunkte wählen kann, dann aber in der Tendenz immer wieder auf ein und dasselbe Thema stößt. Dieses Thema ist nicht die Ethik als solche - das wäre ihm viel zu akademisch und zu theoretisch -, dieses Thema zielt auf die Frage nach dem verantwortlichen "Mit-leben" mit wem auch immer und wo auch immer, immer aber erfragt von dem "Gebot Gottes", das für ihn "die einzige Ermächtigung zur ethischen Rede" überhaupt ist (6,381). Und dieses Gebot zeigt sich tieftheologisch im Sollen und Erlauben.

Fussnoten:

* Ernst-Heinz Amberg zum 70. Geburtstag in Dankbarkeit und Verbundenheit gewidmet.

1 Alfred Dedo Müller, Dietrich Bonhoeffers Prinzip der welt-lichen Interpretation und Verkündigung des Evangeliums, ThLZ 86, 1961, 721-744.

2 D. Bonhoeffer, Drama, hier zitiert nach: DBW 7 (vgl. Anm. 3, 48-49.

Die Zitation der Dietrich-Bonhoeffer-Werke erfolgt hier wie in DBW selbst durch arabische Bandziffer und arabische Seitenziffer(n) nach dem Komma. Bonhoeffers eigene Schriften zitiere ich nach den üblich gewordenen Siglen, vgl. 9,648; 10,715; ich finde sie freilich in DBW nirgends systematisch zusammengestellt!

3 Bisher sind erschienen in München, Chr. Kaiser Verlag (außerdem in Berlin, Evang. Verlagsanstalt: Jahr in eckiger Klammer):

1: Sanctorum Communio, hrsg. v. Joachim Soosten, 1986. XXII/344 S.

2: Akt und Sein, hrsg. v. Hans-Richard Reuter, 1988 [1990]. 219 S.

3: Schöpfung und Fall, hrsg. v. Martin Rüter und Ilse Tödt,

1989. 195 S.

4: Nachfolge, hrsg. v. Martin Kuske und Ilse Tödt, 1989, 2.

durchges. u. korr. Aufl. 1994. 391 S.

5: Gemeinsames Leben, Das Gebetbuch der Bibel, hrsg. v. Gerhard Ludwig Müller und Albrecht Schönherr, 1987 [1989]. 203 S.

6: Ethik, hrsg. v. Ilse Tödt, Heinz Eduard Tödt, Ernst Feil und Clifford Green, 1992. 566 S.

6/Ergänzungsband: Zettelnotizen für eine "Ethik", hrsg. v. Ilse Tödt, 1993. 241 S.

7: Fragmente aus Tegel, hrsg. v. Renate Bethge und Ilse Tödt, 1994. 315 S.

9: Jugend und Studium 1918-1927, hrsg. v. Hans Pfeifer in Zusammenarbeit mit Clifford Green und Carl-Jürgen Kaltenborn, 1986 [1988]. 712 S.

10: Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931, hrsg. v. Reinhart Staats und Hans Christoph von Hase in Zus.arb. m. Holger Roggelin und Matthias Wünsche, 1991. 769 S.

11: Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932, hrsg. v. Eberhard Amelung und Christoph Strohm, 1994. 579 S.

13: London 1933-1935, hrsg. v. Hans Goedeking, Martin Heimbucher und Hans-Walter Schleicher, 1994. 597 S.

14: Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935-1937, hrsg. v. Otto Dudzus und Jürgen Henkys in Zusammenarbeit mit Sabine Bobert-Stützel, Dirk Schulz und Ilse Tödt, 1996. XVIII/1253 S.

16: Konspiration und Haft 1940-1945, hrsg. v. Jørgen Glenthøj (), Ulrich Kabitz und Wolf Krötke, 1996. XVI/956 S.

Ergänzungsband: So ist es gewesen. Briefe im Kirchenkampf 1933-1942 von Gerhard Vibrans aus seinem Familien- und Freundeskreis und von Dietrich Bonhoeffer, hrsg. v. Dorothea Andersen, geb. Vibrans, Gerhard Andersen, Eberhard Bethge und Elfriede Vibrans, 1995. 496 S.

4 Nach dem Tod ihres Mannes trat Ilse Tödt dem Herausgeberkreis bei, vgl. Haupttitel von DBW 6/Ergänzungsband. - Womöglich war ein die Neuausgabe begründendes Geleitwort eines Mitgliedes des Herausgeberkreises aus dem Osten Deutschlands geplant, das den Platz des Beitrages von H. E. Tödt in der EVA-Ausgabe einnehmen sollte.

5 Hrsg. v. Joørgen Glenthøj, München 1969.

6 Dietrich Bonhoeffers Hegel-Seminar 1933. Nach Aufzeichnungen von Ferenc Lehel, hrsg. v. Ilse Tödt. Internationales Bonhoeffer Forum Bd. 8. München: Chr. Kaiser 1988. 145 S. - Es leuchtet nicht ein, warum dieser 1987 noch nicht bekannte (vgl. Nachlaß D. B. [Titel vgl. unten Anm. 8], S.32 zur Akten-Nr. A 31,4), dann aber aus einer Mitschrift wiedergegebene wichtige Text nicht Aufnahme in DBW findet: DBW 12 (noch nicht erschienen) wäre wohl der entsprechende Ort.

7 Zugänglich sei alles mit Ausnahme der Briefe an Bonhoeffers Braut (1,11).

8 Nachlaß Dietrich Bonhoeffer. Ein Verzeichnis: Archiv - Sammlung - Bibliothek, erstellt von Dietrich Meyer in Zusammenarbeit mit Eberhard Bethge. München: Chr. Kaiser Verlag 1987. - Nach Abschluß der DBW-Ausgabe wird es notwendig sein, die Veröffentlichungsnachweise in diesem Verzeichnis zu komplettieren. Bislang sind nur Nachweise für Publikationen eingetragen, die vor dem Beginn von DBW erschienen sind. Ein Druckversehen ist auf S. 252 passiert: Dort müssen im Personenregister die Kolumnen ausgetauscht werden.

9 Merkwürdigerweise werden diese nicht in dem genannten Beitrag H.E. Tödts, sondern in dem Bandvorwort zum Band 1 vorgestellt (1,7-9).

10 In 1 aus drucktechnischen Gründen in einem Anhang abgedruckt (1,9).

11 So sind z. B. sowohl das Original von Bonhoeffers Habilitationsschrift wie auch die Druckvorlage verschollen (2,10.11.13), was zur Zu-grundelegung der publizierten Ausgaben für DBW 2 führte.

12 So J. von Soosten für DBW 1, siehe S.9.

13 Für weitere Familienangehörige und wichtige Persönlichkeiten sind solche Biogramme auch innerhalb der Personenregister der Folgebände enthalten.

14 Die Abkürzung "EG.BP" für das "Evangelische Gesangbuch für Brandenburg und Pommern" (1931) ist zumindest in der Zeit des neuen "Evangelischen Gesangbuches" (1992/93), das es auch für Brandenburg und für Vorpommern gibt, irreführend!

15 Vgl. dazu die gelungene Festgabe für E. Bethge zum 85. Geburtstag: Gremmels, Christian, u. Wolfgang Huber [Hrsg.]: Theologie und Freundschaft. Wechselwirkungen: Eberhard Bethge und Dietrich Bonhoeffer. Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 1994. 171 S. 8. Kart. DM 48,-. ISBN 3-579-02001-3. - In diesem Band folgen dem Abdruck zweier Vorträge von E. Bethge (Mein Freund D. B., 13-28; Der Freund D. B. und seine theologische Konzeption von Freundschaft, 29-50) diese Ab-handlungen: Werner Simpfendörfer, "Er freut sich hoch über des Freundes Stimme", Eberhard Bethge als Hermeneut (51-88); Sabine Bobert-Stützel, Liebt ein Freund mehr als ein Bruder? Zur Problematik der Verhältnisbestimmung von Bruderschaft und Freundschaft bei D. B. unter pastoraltheologischem Aspekt (89-109); Ernst Feil, Freundschaft - ein Thema der Theologie? (110-134); Christian Gremmels, "Seit du einmal vor vielen Jahren...", Unbekannte Passagen aus Briefen von D. B. und Eberhard Bethge (135-153); Regine Schindler, Verhaftet und verlobt, Zum Briefwechsel zwischen D. B. und Maria von Wedemeyer, 1943-1945 (154-169).

16 Ernst Feil weist in seinem in Anm. 15, genannten Aufsatz (S.119) darauf hin, daß B. in SC bereits eine "wichtige systematische Aussage zur ,Freundschaft'" gemacht habe, wenn er sage: "...jede Ehe, Familie, Freundschaft trägt ihren letzten Sinn darin, sanctorum communio zu werden" (1,297, Anm.437, eine in der Druckfassung gestrichene Passage). J. von Soosten resümiert zu SC: "Es ist das Wechselgespräch der biographischen Existenz mit der des Theologen, das Bonhoeffer immer wieder neu ansetzen, neu überlegen und neu antworten läßt" (1,319).

17 E. Feil (Anm. 15), 126.

18 J. von Soosten zitiert aus B.s Vortrag "Die Kirche vor der Judenfrage", April 1933, in DBW 12 vorgesehen, jenen bekannten Abschnitt, der zwar an der nationalsozialistischen Wirklichkeit entstanden, aber auf jede andere Wirklichkeit anwendbar ist (hier wegen seiner Bedeutung für die Konkretheit der Verkündigung ausführlich nach GS 2,48): "Der Staat, der die christliche Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst. Das bedeutet eine dreifache Möglichkeit kirchlichen Handelns dem Staat gegenüber: erstens... die an den Staat gerichtete Frage nach dem legitim staatlichen Charakter seines Handelns, d. h. die Verantwortlichmachung des Staates. Zweitens der Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören. ,Tut Gutes an jedermann.' In beiden Verhaltensweisen dient die Kirche dem freien Staat in ihrer freien Weise, und in Zeiten der Rechtswandlung darf die Kirche sich diesen beiden Aufgaben keinesfalls entziehen. Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Solches Handeln wäre unmittelbar politisches Handeln der Kirche und ist nur dann möglich und gefordert, wenn die Kirche den Staat in seiner Recht und Ordnung schaffenden Funktion versagen sieht, d.h. wenn sie den Staat hemmungslos ein Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht verwirklichen sieht".

19 Sowohl J. von Soosten (1,320) als auch H.-R. Reuter (2,171) zitieren diesen wichtigen Satz nicht korrekt.

20 H.-R. Reuter (2,178) zitiert nach der Fassung der Vorlesung "Das Wesen der Kirche", wie sie von O. Dudzus in GS V,237 (nicht GS VI!) herausgegeben worden war. In DBW 11,257 hört sich der Zusammenhang prägnanter an: "Voraussetzung und Grenze der Theologie ist die empirische Kirche. [Die] Theologie ist [die] Grenze des Wortes von [der] Vergebung und Gnade. Die erste Voraussetzung ist Prädestination, die die Kirche be-grenzt; daraus [ergibt sich eine] Theologie der empirischen Kirche, die be-grenzt ist in der empirischen Kirche".

21 Ernst-Heinz Amberg hat in seiner Auslegung der 3. und 4. These der Theologischen Erklärung von Barmen ebenso beide Zeitdimensionen zusammensehen und -halten wollen: Gemeinde unter dem Wort - Kirche für andere, in: Das eine Wort für alle. Barmen 1934-1984. Eine Dokumentation. Im Auftr. der Ev. Kirche im Rheinland hrsg. von H.-U. Stephan. Neukirchen 1986, 87.

22 Vgl. die krasse Bemerkung zu G. Krauses Bonhoeffer-Artikel in TRE VII (6,446).

23 Man denke an die jeweils in Teil II der Bände 9-16 zusammengefaßten Arbeiten aus der Schulzeit, zur theologischen Orientierung, zum Um-feld der Dissertation, aus der Schlußphase des Studiums (9,191-482), an Gemeindevorträge in Barcelona, Arbeiten der Berliner Zeit 1930 und solche, die am Union Theological Seminary New York entstanden sind (10, 283-449), an die Texte aus seiner Berliner Universitätszeit und aus der Ökumene (11,123-374), Berichte und Vorträge der Londoner Zeit (13,289-309), Vorlesungen, Übungen, Vorträge und Aufsätze aus Zingst, Finkenwalde und der Ökumene (14,305-847), und an Entwürfe und Ausarbeitungen aus der Zeit 1940-1945 (16,469-629).

24 Innerhalb der "Nachfolge" kommt er einmal auf Hermeneutik zu sprechen: "Das Problem der Nachfolge erweist sich hier auch als ein hermeneutisches Problem. Es muß einer evangelischen Hermeneutik klar sein, daß es zwar nicht ohne weiteres angeht, uns mit den von Jesus Gerufenen unmittelbar zu identifizieren... Einfältiger Gehorsam wäre also hermeneutisch mißverstanden, wenn wir in direkter Gleichzeitigkeit mit dem Gerufenen handeln und nachfolgen wollten" (4,74-75). Im Oktober 1936 schreibt er an E. Sutz, er hätte "die größte Lust, an eine Hermeneutik zu gehen" (14, 257); im Katechetik-Kurs von Finkenwalde kommt er im Zusammenhang mit der Lutherbibel auf Hermeneutik zu sprechen (14,536).

25 Ernst Feil, Theologie Dietrich Bonhoeffers (München/Mainz 1979, 3. Aufl.), führt zwar im Untertitel den Begriff der Hermeneutik neben denen der Christologie und des Weltverständnisses. Er erklärt auch eingangs, Bonhoeffer habe sich "zeit seines Lebens indirekt auf der Suche nach einer Hermeneutik" befunden (27f), und resümiert dann, Bonhoeffers hermeneutischen Ansatz über "sein Verständnis der Theologie als Wissenschaft im Hinblick auf die theologische Erkenntnislehre" analytisch gewonnen zu haben (81). Später verhandelt er "Das Problem der Sprache", "Das Sakrament als Konkretion der Verkündigung" und das Verhältnis von Wort und Tat unter dem Aspekt der Hermeneutik Bonhoeffers. Hier sagt er dann bezeichnenderweise, daß "Hermeneutik nur innerhalb einer Ethik möglich und berechtigt" ist (126). Ähnlich kommt er im Blick auf die Texte von WE darauf zu sprechen, daß Bonhoeffer "sachlich den Gestaltfragen den Vorrang gegeben hat vor den Fragen der zugehörigen Hermeneutik. Diese sachliche Abhängigkeit der ,Interpretation' von der ,Gestalt' wiederholt sich nahezu an allen Stellen, in denen in ,Widerstand und Ergebung' von der Interpretation die Rede ist" (383).